Di 23.03.2010
Die Berichte über sexuellen Missbrauch von Kindern im Rahmen der katholischen Kirche sind nur die Spitze des Eisberges von vielschichtiger Gewalt gegen Minderjährige.
Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – psychische, physische und sexuelle – ist kein neues Phänomen. Sexueller Missbrauch ist nur eine Form, bei der es meist nicht um Sexualität an sich, sondern um Macht geht. Heute ist bewusster, dass das „nicht in Ordnung“ ist und es kann leichter in der Öffentlichkeit berichtet und diskutiert werden. Heute werden die Opfer weniger stigmatisiert, so das zumindest Manche über ihr Leiden berichten.
Missbrauch: Produkt hierarchischer Strukturen
Die Berichte über die (sexuelle) Gewalt haben eine Gemeinsamkeit. Sie finden in hierarchischen Strukturen statt wo für Gleichberechtigung, Demokratie und eine Stärkung der Persönlichkeit der Minderjährigen kein Platz ist. In Religionsgemeinschaften, die eine Unterwerfung unter Gott und seine Vertreter fordert. In Sportvereinen, wo TrainerInnen oft absolute Macht haben. In Internaten und Jugendheimen, wo Jugendliche „zurechtgebogen“ werden. Dort geht es darum, den Willen zu brechen, Menschen zu unterwerfen, sie anzupassen. Die Kirchen sind durch ihre diktatorischen Strukturen, gekoppelt mit einer sexualitätsfeindlichen Ideologie und einem Bild von Frauen, dass diesen eine minderwertige Rolle zuweißt, eine Brutstätte für derartige Übergriffe. Weil sie außerdem Sonderrechte hat und sich der „weltliche Macht“ entzieht, bietet sie den TäterInnen einen sicheren Hafen.
Auch in Einrichtungen der „Fürsorge“, wo Kinder und Jugendliche aus Familien mit enormen Problemen landen und häufig Menschen arbeiten, die eigentlich helfen wollen gibt es solche Tendenzen. Geld- und Personalmangel führt dazu, dass auf die individuellen Bedürfnisse zu wenig eingegangen wird. Dann ist es für den reibungslosen Ablauf notwendig, dass die Kinder und Jugendlichen „brav“ sind. Um dass zu erreichen ist Repression ein nur scheinbar wirksamer und langfristig der falscher Weg.
Missbrauchsort Familie
80-90 % aller sexuellen Missbräuche findet in der Familie statt – und zwar quer durch alle gesellschaftlichen Schichten. Denn die bürgerliche Kleinfamilie (Vater, Mutter, Kind(er)) ist eine hierarchische Struktur. Nicht zufällig spricht man von der Familie als Keimzelle des Staates. Nach oben buckeln, nach unten treten – das soll früh gelernt werden. Klassische Rollenbilder sollen früh klarmachen, wie es in der großen Welt draußen aussieht. Auch wenn dieses Bild in vielen Familien nicht mehr in Reinform existiert, sind die zentralen Elemente doch meist noch vorhanden.
Lösung braucht Geld
Die moralische Empörung der Politik ist groß – die angekündigten Budgetkürzungen werden die Situation bisheriger und künftiger Opfer aber verschlimmern. Es braucht Geld, um auf die Probleme von Kindern aus „Problem“familien einzugehen. Nur wenn es ausreichend LehrerInnen und Kindergartenpersonal gibt, können Warnsignale wahrgenommen werden. Opfer brauchen kostenlosen Zugang zu Therapiemöglichkeiten – die Kirchen sollen dafür maßgeblich zur Kasse gebeten werden. Das öffentliche Bildungswesen muss massiv verbessert werden, um private Einrichtungen – insbesondere solche von hierarchischen Einrichtungen wie der Kirche – zu schließen. Der beste Schutz sind selbstbewusste, psychisch starke Kinder. Die Entwicklung der Mainstream Erziehung geht aber in die andere Richtung. Benimmregeln, Leistungsfanatismus und Law&Order produzieren die nächste Generation potentieller Opfer, die sich nicht zu wehren trauen.
Die sozialistische Bewegung hat sich immer wieder damit beschäftigt, wie die Schattenseiten der menschlichen Psyche bekämpft werden können. Hilfe im hier und jetzt ist wichtig. Ein „neuer Mensch“ mit freiwilligen, freien und größeren „familiären“ Strukturen ohne unterdrückende Hierarchien aber ist nur in einer „neuen Gesellschaft“ möglich. In einer Gesellschaft, die andere Prioritäten hat. Wo ohne materielle Not eine wirkliche freie Entfaltung möglich ist. Im Kapitalismus geht das nicht.