So 01.09.2002
Eine brennende und viel diskutierte Frage der letzten Wochen war: Kommt eine Steuerreform oder kommt sie nicht? Mit der Hochwasser-Katastrophe ist für die blauschwarze Regierungsriege die Entscheidung gefallen, eine Steuerreform erst nach den nächsten Wahlen anzugehen. Dafür sind Schüssel und Riess-Passer auch bereit, das Leid der Opfer noch weiter zu strapazieren, um damit ihre Entscheidung rechtfertigen zu können. Auf der anderen Seite gibt es in FPÖ (Jörg Haider) und ÖVP (Christoph Leitl) nicht unbedeutende Kräfte, die eine Steuerreform noch vor den Wahlen wollen. Egal wann und ob die Steuerreform nun kommt; eins steht fest: Geld wird diese Regierung brauchen!
Geld für eine Steuerreform, für eine neues Nulldefizit, für Kriegsjets, für sonstige Aufrüstung des Heeres oder für die Opfer der Hochwasserkatastrophe. Doch woher nehmen? Der ungeheure Reichtum, den einige wenige Privatpersonen besitzen, wird mit Sicherheit kaum angetastet werden. Und auch jene Unternehmen, die hohe Gewinnen einfahren, aber trotzdem kaum Steuern zahlen, brauchen von dieser Regierung nichts befürchten.
Woher nehmen, wenn nicht...?
Wenn also das Geld nicht dort geholt wird, wo es wirklich liegt (Banken, Konzerne, Spitzenverdiener etc.), bleiben nicht mehr allzu viele Möglichkeiten. Mit Sicherheit werden die Angriffe auf den Öffentlichen Dienst und den Rest des „Sozialstaats“ weitergehen. Insbesonders Post und Bahn scheinen auf der schwarzen Liste der Regierung ganz oben zu stehen. So beschimpft Finanzminister Grasser bei fast jeder Gelegenheit die ÖBB als ein „Fass ohne Boden“.
Und natürlich wird auch wieder fest in unsere Geldtaschen gegriffen werden. Mit der einen Hand wäre in Form der Steuerreform ein bisschen gegeben worden, mit der anderen durch Preiserhöhungen z.B. bei den ÖBB, mehr Selbstbehalte etc. insgesamt aber mehr genommen. Also ganz klar: Umverteilung von unten nach oben!
ZWEI Fliegen mit einem Schlag
Aber auch, wenn es zu keiner Steuerreform kommt, bleibt der Öffentliche Dienst weiter unter Beschuss. Die Regierung kann aus ihrer Sicht zwei Fliegen mit einer Klappe treffen. Zum einen durch weitere Privatisierungen das Budget kurzfristig „auffetten“ und dem berüchtigten GATS-Abkommen nachkommen. Darin verpflichten sich die reichen Industrienationen, ihre gesamten öffentlichen Dienstleistungen (von der Bildung bis zur Bahn) international wettbewerbsfähig zu gestalten und anzubieten.
Um das zu erreichen, muss aber noch viel an jetzt noch öffentlicher Infrastruktur zerschlagen und privatisiert werden.
Widerstand aus dem Öffentlichen Dienst?
Damit stellt sich natürlich die Frage, ob aus diesem Bereich Widerstand zu erwarten ist. Schon die Gehaltsverhandlungen im Öffentlichen Dienst gestalten sich bis jetzt mit der Streikandrohung der GÖD „spannend“. Ein Hauptgrund dafür ist, dass die Vizekanzlerin die Verhandlungen statt jetzt im Herbst erst im Frühjahr 2003 führen will und nur ein geringer Fixbetrag ausbezahlt werden soll.
Eine Verschiebung hätte enorme Auswirkungen, da Verhandlungen zwischen GÖD und Regierung, die Linie für Gemeinden, Post, Telekom und ÖBB vorgeben. Die öffentlich Bediensteten hatten die letzten 8 Jahre einen Gehaltsabschluß unter der Inflationsrate (was Lohnverlust bedeutet).
Unabhängige LehrerInnen machen Druck
Bei den LehrerInnen regt sich starker Widerstand. Nicht nur wegen der Gehaltsverhandlungen, sondern auch wegen der Kürzungen im Bildungsbudget und dem schlechteren neuen Arbeitszeitmodell (siehe dazu Vorwärts vom Juni 2002). Die Unabhängige Bildungsgewerkschaft UBG hat einen eigenen Forderungskatalog an die Regierung aufgestellt; zentraler Punkt sind große Sprünge im Gehalt.
In einer Presseerklärung vom 13.6. wird erklärt, dass man/frau diese Forderungen kaum ohne Kampfmaßnahmen umsetzten kann. Daher wird der Regierung ein heißer Herbst angekündigt. Die UBG hat bereits am 2. Mai in Vorarlberg einen erfolgreichen LeherInnenstreik organisiert. Sie geht davon aus, im Herbst stark genug für Streikaktionen in mehreren Bundeländern zu sein.
ÖBB unter Beschuss!
Auch beim Postbus könnte es wieder zu Streiks kommen. Schließlich sind die Pläne der Regierung noch nicht vom Tisch. Bei den ÖBB wird die Situation dramatisch. Der Generaldirektor Rüdiger vorm Walde will bis 2006 über 7000 EisenbahnerInnen abbauen. Zum Vergleich: in den 80er Jahren hatte die ÖBB einen „natürlichen Abgang“ (größten Teils Pensionierungen) von ca. 1700 - nur damals hatte die ÖBB mehr als 70.000 Bedienstete. Heute hat sie 48.000, wobei allein unter dem vorherigen Generaldirektor Draxler mehr als 6000 abgebaut wurden. Auch hier wurde die Möglichkeiten des „Personalabbaus durch natürlichen Abgang“, wie es zynisch im Managerjargon heißt, ausgeschöpft. Will vorm Walde sein Ziel erreichen, muss er also kündigen. Aber auch mit natürlichem Abgang, wäre dieser Personalabbau eine Katastrophe. 1998 wurde berechnet, dass die ÖBB mit einem Schlag 5000 Leute aufnehmen müssten, wenn alle EisenbahnerInnen ihren ausständigen Urlaub und ihren Zeitausgleich konsumieren würden. Die Situation ist 4 Jahre später sicher noch dramatischer. Arbeit ist bei den ÖBB nach wie vor genug da – ja sogar zuviel gemessen am Beschäftigungsstand!
Das Resultat sind nicht nur völlig ausgelaugte KollegInnen bei den ÖBB, die seit Jahren nicht mehr auf Urlaub waren und Überstünden stehen haben, sondern auch ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die BahnkundInnen.
Kommen also zu den LehrerInnen und PostbuskollegInnen noch die EisenbahnerInnen dazu? Die Spitze der Eisenbahnergewerkschaft will noch beraten. Für uns steht schon heute fest: Um wirkungsvoll die Angriffe abwehren zu können, wäre ein eintägiger Generalstreik zur Verteidigung des öffentlichen Dienstes notwendig. Ein solcher Schritt würde nicht nur die Angriffe abwehren, sondern wäre auch ein erster Schritt, um wieder freie Bildung, ökologischen und sozialen Verkehr und gerechte Bezahlung zu erkämpfen.