Fr 01.03.2019
Im Kapitalismus geht es um Profite, und nicht um die Bedürfnisse von Menschen. Wie und wofür genau also im Bereich der Pflege kämpfen? Betriebliche Organisation bis hin zu Streiks für bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal und höhere Löhne, unter Einbeziehung von Betroffenen und Angehörigen sind unumgänglich. Der Einwand, ein Streik im Pflegebereich würde auf Kosten der zu Pflegenden gehen, zieht nicht, denn das Gegenteil ist der Fall: Miese Arbeitsbedingungen, wenig Personal und niedrige Löhne treffen genauso die Pflegebedürftigen und deren Angehörige. Kämpfe um bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Pflegebereich spielen daher eine Schlüsselrolle und sie finden auch statt. In der Berliner Klinik Charité fanden wiederholt erfolgreiche Streiks statt. Auch in Österreich haben Pfleger*innen bereits erfolgreich eine Nulllohnrunde abgewehrt. Im vergangenen Jahr sahen wir einen Streik im privaten Gesundheits- und Sozialbereich, wo es ebenso um die zu betreuenden Menschen geht. Das Thema dringt immer stärker ins Bewusstsein, verbunden mit der Notwendigkeit von Solidarität zwischen Beschäftigten und Betroffenen und der Kombination von allgemeiner Betroffenheit und konkreten Kämpfen.
Ein weiterer Bereich ist ein Kampf gegen Privatisierungen im Gesundheits- und Pflegebereich. Er muss verbunden werden damit, das Geld für mehr und bessere Pflegeeinrichtungen von den Profiteur*innen zu holen. So können wir die Einrichtungen sowohl vor privaten Profiteur*innen als auch vor religiösen Einflüssen schützen. Wir brauchen sie stattdessen in öffentlicher Hand, unter der Kontrolle der Betroffenen, Angehörigen und Pflegenden. Nur so können wir sie für alle leistbar zugänglich machen. Die ständige Diskussion über Pflegeversicherung und Pflege zu Hause versus Pflege in Einrichtungen lenkt davon ab, dass schlicht Mangel herrscht, unabhängig davon, wo jemand gepflegt wird. Dieser Mangel ist aber gemacht, denn tatsächlich würde unsere Gesellschaft über ausreichend Geld und Ressourcen für gute Pflege für alle verfügen, wird aber dafür nicht verwendet.
Kommt eine linke Regierung an die Macht, etwa unter Corbyn in Britannien oder Mélenchon in Frankreich, dann müssten Milliarden in öffentlich organisierte gute Pflege für alle durch gutbezahlte und gut ausgebildete Profis investiert werden. Das Geld dafür müsste sie sich von großen Unternehmen und Reichen holen. Die jetzt von privaten Eigentümer*innen (nicht nur von Pflegeeinrichtungen, sondern auch von Unternehmen, in denen sich Menschen krankarbeiten) gemachten Profite würden dafür verwendet. Mit radikaler Arbeitszeitverkürzung und radikaler Personalerhöhung würden gleichzeitig die Arbeitsbedingungen der Pflegenden verbessert und es Angehörigen ermöglicht, so viel Zeit mit den Pflegebedürftigen zu verbringen, wie sie wollen. Solche Schritte widersprechen aber der Logik und den Interessen des Kapitals und würden den erbittertsten Widerstand der Reichen provozieren. Die Verbesserungen könnten nur mit Klassenkämpfen im Rücken erreicht werden, keinesfalls durch bloßen Beschluss in einem Parlament oder Ministerium. Aber auch das wäre sehr beschränkt und angreifbar, solange das Wirtschaftssystem gleichbleibt. Denn in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft müssen Profite gemacht werden (auch von „netten“ Unternehmen). Die sozialen Bewegungen, die im Rücken sozialistischer Verbesserungen nötig sind, können nicht an einem bestimmten Punkt einfach enden, ohne das System zu überwinden oder niedergeschlagen zu werden.
Wer für menschenwürdige Pflege ist, muss daher für eine Gesellschaft kämpfen, in der es nicht um Profite, sondern um Bedürfnisse geht. Eine Gesellschaft, in welcher Menschen nicht Ware in Form von Arbeitskraft sind und folglich auch nicht wertlos werden, wenn sie nicht (mehr) im Sinne der Profite funktionieren. Eine sozialistische Gesellschaft würde die schon jetzt vorhandenen Ressourcen unter anderem für gute flächendeckende Gesundheit und Pflege für alle verwenden. Wir verfügen längst über die Möglichkeiten und Ressourcen, die Gesellschaftsstrukturen so zu gestalten, dass jeder Mensch „nach seinen Fähigkeiten und nach seinen Bedürfnissen“ (Marx) leben kann. Letztendlich geht es darum, die Trennung zwischen „Staat“ bzw. „Gesellschaft“ und „Individuum“ bzw. „Familie“ aufzuheben und damit auch zwischen schwer arbeitenden und schlecht bezahlten Beschäftigten einerseits und unbezahlt pflegenden Angehörigen andererseits. Wenn es nicht mehr um Profite geht und der gesellschaftliche Reichtum für alle und nicht nur für wenige verwendet wird, dann kann Pflege in vielen Formen mit weniger Belastung stattfinden. Ob gute größere Einrichtung, betreutes Wohnen, Wohngemeinschaft, eigenes Haus, ob intensive medizinische Pflege oder individuell abgestimmte Betreuung bei Demenzerkrankungen ist dann keine Frage von Leistbarkeit, sondern von individuellem Bedürfnis und Selbstbestimmung.