Sa 01.09.2001
“Speed kills” ist das Motto der blau-schwarzen Regierung. Bis jetzt stand der “Speed” im Vordergrund der Kritik. Die Regierung beschließt in Nacht- und Nebelaktionen, Ruck-Zuck, über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Aber auch der „Kill“ – Aspekt ist nicht zu vergessen. Seit Beginn hat die Regierung ein Ziel vor Augen: Die Organisationen der ArbeitnehmerInnen zu schwächen und zu entwaffnen. An “Speed” zugelegt bei diesem Unterfangen haben sie seit dem Bekantwerden der geplanten Urabstimmung im ÖGB. Die Post-Affäre gibt ihnen neue Nahrung.
Der Generalangriff der Regierung auf Organisationen und Strukturen der ArbeitnehmerInnen ist umfassend: Senkung der AK-Umlage (damit eine Schwächung der AK), Reduzierung der ArbeitnehmerInnenVertreterInnen in der Sozialversicherung und ihre Zerschlagung, Forderungen nach einem Streikverbot im Öffentlichen Dienst, der Wunsch, Sozialpartnervertreter aus dem Parlament zu verbannen oder die Forderung, die Finanzgebahrung eines Vereines (des ÖGB) durch den Rechnungshof prüfen zu lassen.
Verteilte Rollen
FPÖ und ÖVP agieren mit verteilten Rollen. Die FPÖ schlägt wie wild auf die ArbeitnehmerInnenorganisationen ein, ruft entrüstet “Sodom und Gomorra” und macht Stimmung gegen “die Bonzen”. Die ÖVP gibt sich moderater - wohl auch wegen der Gewerkschafter in den eigenen Reihen. Die FPÖ will die Gewerkschaften ganz beseitigen, die ÖVP will diese “nur” zahnlos machen. Der Angriff ist von ihrer Seite her absolut notwendig. Die Regierungspolitik geht klar zu Lasten der ArbeitnehmerInnen und besonders die FPÖ weist nur niedrige Umfragewerte auf. Der Einbruch bei der Konjunktur in Kombination mit dem Ziel eines Null – Defizits lassen nicht nur keine Spielräume für Lohn- und Gehaltserhöhungen zu, sondern machen weitere Angriffe auf den Lebensstandard der breiten Masse notwendig.
Die Großdemonstration des ÖGB mit 50.000 TeilnehmerInnen hat der Regierung gezeigt, dass der ÖGB kann, wenn er nur will. Selbst die zahme Urabstimmung des ÖGB ist für die Regierung offensichtlich ein Problem. Also wird scharf geschossen. Der Skandal in der Postgewerkschaft kommt da gerade recht.
Nein zu Privilegien
Das sich Dörfler & Co ein fürstliches Salär besorgten ist mehr als eine schiefe Optik - es ist eine Verhöhnung der tausenden Postbeschäftigten, die um ihren Arbeitsplatz bangen. Ob sie direkt “gekauft” wurden oder die Erhöhungen schon lange geplant waren, ist unerheblich. Tatsache ist, dass sie keinen Finger gegen die Pläne des Managementes und für die KollegInnen gerührt haben, sich dafür selbst die Taschen füllen wollen. Wenn hier von Postbeschäftigten der Ruf nach einem Ausschluss von Dörfler & Co laut wird, ist das insbesondere aufgrund der individuellen Betroffenheit nachvollziehbar. Für solche „Privilegienritter“, die sich noch dazu wie ein Teil des Managementes verhalten, kann in der Gewerkschaft kein Platz sein. Das sich aber die FPÖ wieder einmal als Partei des “kleinen Mannes” aufzuspielen versucht ist lächerlich. Eine Partei der Millionäre und Multimillionäre, deren Funktionäre Spitzenbezüge kassieren und in der ein Skandal den anderen jagt, sollte zu den Themen “Transparenz” und “Sauberkeit” lieber schweigen. Eine Unternehmerpartei wie die FPÖ, die “die Zurückdrängung des Gewerkschaftseinflusses” fordert und die Interessen der ArbeitnehmerInnen mit Füßen tritt hat kein Recht hier irgendwelche Forderungen aufzustellen.
Ein Ausschluss Dörflers ändert an der Struktur von Privilegien im ÖGB allerdings gar nichts. Durch die Jahrzehnte der Sozialpartnerschaft wurde eine System geschaffen, in dem es scheinbar normal ist, wenn GewerkschaftsfunktionärInnen zehntausende Schilling verdienen bzw. mit Mehrfachfunktionen auf bis fast 200.000 brutto pro Monat kommen. Die Tragik beim Fall Dörfler – dem Besten, was der Regierung zur Zeit passieren konnte – ist, dass es sich nicht um einen “Betriebsunfall” handelt. Im System der Sozialpartnerschaft und der Verwobenheit zwischen Gewerkschaft und Staat, und im System des gegenseitigen Entgegenkommens und der kleinen Gefallen ist der Fall Dörfler eigentlich ganz normal. Normal ist nur nicht, dass er öffentlich wurde. Dieses ganze System gilt es zu beseitigen.
ÖGB am Scheideweg
Die Kritik über die Spitzenbezüge mit einem “aber in der Privatwirtschaft bekommen sie viel mehr” einfach wegzuwischen, nützt nur der FPÖ. Gerade diese hohen Einkommen sind Ergebnis und Ursache der zahmen ÖGB-Politik. Ähnelt das Einkommen von GewerkschafterInnen eher jenem der Manager bzw. Politiker, mit denen sie verhandeln, als jenem der Mitglieder, die sie vertreten sollen, dann sind ihnen die Nöte des ersten näher, als jene des zweiten. GewerkschafterInnen müssen ein gesichertes Einkommen haben; aber eines, dass nicht höher ist, als jenes der Gewerkschaftsbasis. Nur dann ist gewährleistet, dass die Interessen der Mitglieder auch kämpferisch vertreten werden. Dass die KollegInnen aus der Zeitung die Spitzenbezüge der Führung erfahren, ist ein weiterer Skandal. Natürlich ist es das Recht der Mitglieder zu wissen, wie hoch das Einkommen der FunktionärInnen ist. Wie viel Geld sich im ÖGB-Streikfonds befindet geht hingegen die FPÖ nichts, aber auch gar nichts an.
Generalstreik gegen Generalangriff
Die blau-schwarze Regierung stellt das Recht auf Widerstand und die gewerkschaftliche Organisierung an sich in Frage. Sie fährt einen Generalangriff auf die ArbeitnehmerInnen und ihre Organisationen. Wenn der ÖGB so weitermacht wie bisher, hat die Regierung schon gewonnen. Was wir brauchen sind kämpferische und demokratische Gewerkschaften, die die Interessen ihrer Mitglieder mit allen Mitteln verteidigen. Die Antwort auf den Gene- ralangriff kann nur der Generalstreik sein. Damit die Mitglieder sich daran beteiligen, sind auch Veränderungen im ÖGB notwendig. Wenn FunktionärInnen – auch aufgrund ihrer Mehrfachfunktionen – Einkommen weit über jenen der Basis haben, so müssen sie alles, was darüber liegt, in einen Fond einzahlen, aus dem Gewerkschaftsarbeit finanziert wird. FunktionärInnen müssen für ihre Arbeit Rechenschaftspflichtig sein – und zwar nicht nur alle paar Jahre auf den Gewerkschaftstagen, sondern immer. Und FunktionärInnen müssen jederzeit wähl- und abwählbar sein – dann wird es keinen zweiten Fall Dörfler geben. Eine solche Gewerkschaft ist demokratisch und kämpferisch und kann die Mitglieder für einen Generalstreik mobilisieren und ihn erfolgreich führen. Die Antwort auf den Fall Dörfler und die Gewerkschaftshetze von Seiten der Regierung kann es nicht sein, die Urabstimmung auszusetzen oder zu verschieben, oder die Fragen noch weiter zu verwässern. Jetzt kann es eigentlich nur mehr eine Frage geben: Generalstreik! Denn dem Generalangriff der Regierung muss ein kämpferischer ÖGB einen Generalstreik entgegensetzen.