Do 01.06.2000
In den letzten paar Monaten erschütterten so genannte „Familientragödien” die Öffentlichkeit. Die Medien verkaufen diese extremste Form männlicher Gewalt an Frauen und Kindern, als etwas das gleichsam aus dem Nichts über Familien hereinbricht. Was nicht berichtet wird, ist, dass diese Vorfälle eine Vorgeschichte haben und in einem gesellschaftlichen Zusammenhang stehen.
Die Kleinfamilie wird uns noch immer als ein Ort der Geborgenheit und Harmonie und als erstrebenswertes Lebensmodell präsentiert. Im Gegensatz zu allen anderen Lebensformen soll die Familie Schutz vor allem und jedem bieten. Dabei versteht es sich von selbst, dass es mehr oder weniger vordefinierte Rollenbilder gibt. Jeder und jede hat seine/ihre Aufgabe: Die Frau sorgt für die Kinder und hält den Haushalt zusammen während der Mann für die materiellen Bedürfnisse sorgt. Doch die Realität sieht häufig ganz anders aus.
Formen der Gewalt
In den letzten Jahren scheint das traditionelle Familienbild immer mehr zu verschwinden. Allein 37% aller Kinder aus Österreich sind Scheidungskinder. Der am häufigsten vorkommende Grund für eine Scheidung ist Gewalt in der Familie (häusliche Gewalt). Es gibt zwei Arten von Gewalt, die man/frau unbedingt unterscheiden sollte: die verbale, und die non-verbale. Auslöser und Motive für Gewalttaten sind ebenfalls unterschiedlich. Zu Gewalt können Verlust oder Verminderung der Selbstkontrolle, Alkoholprobleme, innerer Druck durch Frustration, Unsicherheit, Unzufriedenheit usw. führen. Manche Männer üben Gewalt aus, weil ihnen andere Mittel fehlen, sich durchzusetzen oder bemerkt zu werden.
Beide Arten von Gewalt werden in Verbindung mit Macht gebracht. Unter verbaler Gewalt versteht man/frau, z.B. das Lächerlichmachen in der Öffentlichkeit, beleidigende Aussagen mit der Folge der Zerstörung des Selbstwertgefühls der Frau. Eine andere Form der Gewalt ist das Isolieren der Frau von der Umwelt. Denn je isolierter die Frau, desto mehr befindet sie sich in der Gewalt ihres Mannes, wird praktisch zur Unterwerfung gezwungen. Ein weiteres Mittel, Macht aufrechtzuerhalten, ist die alleinige Verfügungskraft über Geld, die beinhaltet, dass das Geld der Frau unter der Kontrolle des Mannes ist. Durch die finanzielle Abhängigkeit vom Mann erlangt der Mann noch mehr Macht und Kontrolle über die Frau.
Physische Gewalt hingegen beinhaltet alle Formen von Misshandlungen, die Verletzungen verursachen können. Dadurch macht der Mann der Frau Angst und demonstriert ihr seine Machtposition. Angst vor weiteren Gewalttaten ist das mächtigste Instrument zur Unterdrückung. Besonders entwürdigend für die Frau ist sexuelle Gewalt, weil es eine zusätzliche Erniedrigung darstellt. Man/frau kann annehmen, dass jede körperlich misshandelte Frau auch sexuelle Gewalt erlebt hat. Bei einer österreichischen Befragung 1991, stellte sich heraus, dass jede fünfte Frau bereits Gewalt in einer Beziehung erlebt hat und dass jede zweite befragte Frau in ihrem Bekanntenkreis eine Frau kennt, die misshandelt wird. Für Jahrhunderte war die Misshandlung der Ehefrau und (oder) der Kinder akzeptiertes Recht des Mannes. Obwohl Misshandlung heute unter Strafe gestellt wird, bedeutet es immer noch einen Graubereich.
Wie gegen Gewalt wehren?
Gerade der Schritt zur Anzeige fordert auch heute noch viel Mut und Überwindung. Denn Frauen, die unter solchen Bedingungen leben, befinden sich meistens in einer schwierigen Situation, aus der es kein so einfaches Entkommen gibt. Gerichtsverfahren können sich für Frauen schnell zum Spießrutenlauf entwickeln, aus dem sie selten heil und noch seltener als Gewinnerinnen hervorgehen. Die Polizei spielt im Bereich Gewalt in der Familie auch eine wichtige Rolle. Obwohl sie vorgibt Schutz und Sicherheit zu bieten, geschieht nach Aussagen von Betroffenen genau das Gegenteil: frauenfeindliche Äußerungen, wie; sie solle nicht so hysterisch sein und sich beruhigen, sie sei doch auch nicht ganz unschuldig daran, oder sie solle sich das mit ihren Mann ausmachen, denn die Polizei hätte keine Zeit für so was. Und dann stellt sich für die betroffenen Frauen auch noch die Frage nach dem Wohin. Frauenhäuser, die Schutz vor gewaltätigen Männern bieten können, gibt es viel zu wenige. So sind es oft Fragen wie diese, oder die simple nach dem Geld, die Frauen daran hindern sich gegen Gewalt in der Familie zu wehren. Das Zurückdrängen der Frauen in die Familie mittels Sozialabbau, Kürzungspolitik, Kinderschecks und der blauschwarzen Familienpropaganda bedeutet wieder eine stärkere Abhängigkeit von den Männern – genau das aber ist letztlich die Basis für Gewalt gegen Frauen.