Mi 11.06.2014
Ergänzung vom 23. Juli:
Die Verurteilung von Josef S. ist juristisch und politisch ein Skandal. Einmal mehr zeigt sich: der Staat ist nicht unabhängig, sondern ein Instrument der Herrschenden zur Aufrechterhaltung ihrer Macht. Die SLP fordert:
- Sofortige Rücknahme der Verurteilung sowie aller Anklagen andere DemonstrantInnen in diesem Zusammenhang
- Entschädigung von Josef S.
- Schluss mit der Kriminalisierung von Linken, AntifaschistInnen und AntikapitalistInnen
- Untersuchung der "Arbeit" von Polizei, Staatsanwalt und Gericht durch eine öffentliche, unabhängige Untersuchungskomission von AktivistInnen der antifaschistischen Bewegung, kritischen JuristInnen sowie VertreterInnen der ArbeiterInnenbewegung.
Am 6.6. wurde die Untersuchungshaft gegen Josef S. verlängert. Die Justiz wirft ihm vor an den angeblich „kriegsähnlichen Ausschreitungen“ nach den diesjährigen Protesten gegen den rechtsextremen WKR-Ball beteiligt gewesen zu sein und sogar „Rädelsführer“ der „Randale“ gewesen zu sein. Freilich beweisen kann sie es bisher nicht. Außer sich gegenseitig widersprechenden und mit Mutmaßungen angereicherten Aussagen von PolizistInnen liegt noch Nichts vor.
Dennoch wurde die bereits fast 5-monatige U-Haft des 23jährigen bis zum nächsten Prozesstermin um weitere anderthalb Monate verlängert.
Es ist ein bedrohlicher Trend, der Österreichs Polizei&Justiz erfasst hat. Sei es der Prozess gegen die TierschützerInnen, der Prozess gegen die angeblichen „Schlepper“ aus dem Umfeld der Flüchtlingsbewegung, der Prozess gegen 4 AktivistInnen aus dem UniBrennt-Umfeld, die Anzeige gegen den Asylrechtsaktivisten Michael Genner oder jetzt das Verfahren gegen Josef S.: Beinahe jede größere soziale Bewegung der letzten Zeit sieht sich Kriminalisierungsversuchen ausgesetzt.
Für die Betroffenen heißt das in der Regel elendslange Verfahren, gigantische Kosten (die freigesprochenen TierschützerInnen sitzen jeweils auf ca. 200.000€ Schulden) und damit verbunden lange Untersuchungshaft. Die Methode der Justiz sieht dabei so aus, dass sie ihre Opfer mit Unmengen an Vorwürfen bewirft und hofft, dass irgendwas kleben bleibt. Mit „rechtsstaatlichen Verfahren“ hat das nichts zu tun, eher mit einem juristischen Amoklauf. Die AktivistInnen müssen dabei aufgrund der Gummiparagraphen de facto ihre Unschuld beweisen, statt wie „recht-staatlich“ vorgesehen die Staatsanwaltschaft ihre Schuld. Besonders deutlich wird das beim Verfahren gegen Josef. Aber auch die TierschützerInnen mussten sich eigentlich vorhandene aber von der Justiz vorenthaltene (entlastende) Beweise über teure PrivatermittlerInnen beschaffen. Die meisten anderen Betroffenen können sich so was nicht leisten.
Abseits der großen Fälle sehen sich AktivistInnen schon seit Jahren ständig steigenden und willkürlich vergebenen Verwaltungsstrafen ausgesetzt. Dabei wird die Polizei auch kreativ: klassisch sind Anzeigen wegen Teilnahme an einer unerlaubten Versammlung und angeblich zu spät eingereichten Demo-Anmeldungen. JedeR wird da pauschal zum/r VeranstalterIn gemacht, um das Strafmaß zu erhöhen, aber Demo-TeilnehmerInnen wurden auch schon wegen „Gehen gegen die Einbahnstraße“ zur Kasse gebeten (leider kein Witz).
Dazu kommt eine für die letzten Jahrzehnte neue Qualität an Polizeigewalt: Knüppel und Pfefferspray sitzen locker bei der Polizei. Verletzte DemonstrantInnen werden eher ins Gefängnis als ins Spital gebracht, weil wären sie friedlich gewesen wären sie ja nicht verletzt, so die ernst gemeinte Logik der Polizei. Selbst unbeteiligte PassantInnen geraten regelmäßig ins Visier der Exekutive wenn sie versuchen Opfern von Polizeigewalt zur Hilfe zu kommen. Und damit kommt die Polizei fast immer durch.
Über den Polizeieinsatz gegen die Antifa-Demo zum Aufmarsch der rechtsextremen „Identitären“ sagte Reinhard Kreissl, wissenschaftlicher Leiter des Wiener Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, die PolizistInnen wären „wie Cyberwarriors ausgerüstet (gewesen), als ob die prorussischen Separatisten durch die Burggasse kämen“. Das Szenario für die Polizei sei „Bürgerkrieg“ gewesen und nicht Deeskalation.
„Polizeiliche Arbeit unterliegt in entwickelten Demokratien steter Kontrolle und Kritik.“ schrieb der Wiener Polizeipräsident Pürstl für „die Presse“ in einem Gastkommentar. Für „entwickelte Demokratien“ mag das stimmen, für bürgerliche Demokratien eher nicht. EineN PolizistIn anzuzeigen ist fast unmöglich, weil sie ohne Dienstnummer oder Namen auf der Uniform auftreten und so anonym bleiben. Gelingt das doch folgt in der Regel gleich die Gegenanzeige alá „tätlicher Angriff auf einen Polizeibeamten“, wodurch die Polizei ihre gewalttätige Amtshandlung rechtfertigt. Auf diese Weise werden auch KritikerInnen mundtot geklagt.
Kontrolle erfolgt auch nicht durch die Medien, die fast immer nur die Presseaussendungen der Polizei veröffentlichen und schon Tage vor einer anstehenden Demo das Gespenst von Krawallen und Chaos beschwören sodass die gigantischen Polizeieinsätze und deren Gewaltorgien in das von ihnen heraufbeschworen Bild passen. So war schon Wochen vor der WKR-Ball Demo von einer „Chaosnacht“ die Rede. Im Anschluss wurde ungeprüft die Mär von 2 Millionen € Sachschaden verbreitet, die inzwischen von den GeschäftsbetreiberInnen im 1. Bezirk auf ca. 70.000€ relativiert wurden. Interviews von Polizei-Gewalt Betroffenen werden selten veröffentlicht, dafür in aller Länge Stellungnahmen von PolizeioffizierInnen.
Dass es keine funktionierende Kontrolle gibt zeigt auch die Tatsache, dass all die Fälle von Verwahrlosung und Misshandlungen in Österreichs Gefängnissen nur durch „Whistleblower“ bekannt wurden, nicht durch offizielle Stellen oder Medien.
Interessant sind auch die Relationen: Während für den TierschützerInnen-Prozess eine 30-Köpfige Sonderkommission inklusive einer verdeckten Ermittlerin und einem angeworbenen Spitzel eingesetzt wurden und bei der Demo gegen das rechtsextreme „Fest der Freiheit“ am 4.6. 1.500 PolizistInnen (!!) eingesetzt wurden scheint wenig Ehrgeiz beim Staatsapparat zu bestehen die Hypo-Affäre aufzuklären, Grasser hinter Gitter zu bringen oder die Groß-SteuerhinterzieherInnen (darunter viele Firmen) zur Verantwortung zu ziehen (die sicherlich täglich mehr als 70.000€/täglich Schaden anrichten).
Besonders deutlich wird die Unverhältnismäßigkeit beim Umgang von Polizei und Justiz mit rechtsextremen Straftaten. Sei es die Nazi-Gruppe in Salzburg, die seit Monaten unbehelligt faschistische Parolen an allen Ecken der Stadt anbringt und NS-Opfer Denkmäler schändet, sei es, dass im Zusammenhang mit den „Mafia-Nazis“ vom „Objekt21“ zuerst entpolitisiert dargestellt wurden und Links zu der deutschen Terrorzelle „NSU“ nicht ernsthaft untersucht werden oder zahlreiche andere Nazi-Aktivitäten von Polizei und Politik als „Lausbubenstreiche“ abgetan werden: Rechtsextreme scheinen vom Staat nicht allzu viel zu befürchten zu haben.
Das zeigt wofür Polizei und Justiz gedacht sind. Es geht nicht um Schutz der BürgerInnen vor Verbrechen, sondern um den Schutz des Staates vor seinen BürgerInnen. Es ist kein Zufall, dass die Zunahme von Repression in den letzten Jahren mit einer Zunahme von Widerstand gegen die Regierung einher geht. Der Blick nach Griechenland, Spanien oder Nordafrika lässt auch die österreichischen Herrschenden zittern. Österreichs Banken und Konzerne wissen, dass die Krise nicht vorbei ist, wie die Regierung uns weiß machen will. Milliarden-Abschreibungen besonders bei osteuropäischen Geschäften, die zahlreichen Pleiten der letzten Zeit und die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit im letzten Jahr um 12% gestiegen ist sind einige Anzeichen dafür.
Der Widerstand gegen die Kürzungspolitik der Regierungen wird energischer – und die staatliche Repression dagegen auch. Streikende FluglotsInnen in Spanien wurden mit Militärtribunalen bedroht. In den USA wurden Anti-Terror-Gesetze gegen streikende LehrerInnen eingesetzt. In der Türkei wurde vorübergehend Twitter abgestellt. In Ungarn ist streiken fast gänzlich verboten. In Sao Paulo (Brasilien) wurde der Streik der U-Bahn-FahrerInnen kurzerhand für illegal erklärt, um die WM nicht zu gefährden. Profitinteressen vor Demokratie, lautet die internationale Devise. Österreich hinkt noch hinterher, versucht aber offensichtlich aufzuholen, auch um sich auf künftige Proteste vorzubereiten.
Die Angriffe auf Josef&Co sollen uns einschüchtern und davon abhalten den dringenden Widerstand zu organisieren. Noch trifft es relativ isolierte AktivistInnen und Organisationen, aber auch die Gewerkschaften und Proteste von ArbeiterInnen sind auf Dauer vor so einer Justiz nicht sicher. Als die Polizei einer Betriebsrätin der Gruppe KOMINTERN bei den Protesten gegen die „Identitären“ das Bein brach schwieg der ÖGB. So ein „staatsmännisches“ Verhalten ist bestenfalls kurzsichtig. Ein „Antiterror-§ 278“ lässt sich im Bedarf auch gegen den ÖGB und seine Teilgewerkschaft anwenden, wie er schon gegen andere politische Gruppen angewendet wurde. Auch deshalb sind wir Alle, besonders der ÖGB, gefragt Solidarität mit den Betroffenen von Repression zu zeigen!
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Freiheit und Einstellung aller Verfahren gegen AktivistInnen aus sozialen Bewegungen und angemessene finanzielle Entschädigung für Repressionsopfer.
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Eine unabhängige Untersuchungskommission von Polizeiübergriffen und politischen Gerichtsverfahren mit VertreterInnen aus Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und kritischen JuristInnen.
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Unterstützung durch den ÖGB für solche PolizistInnen, die aus Gewissensgründen Angriffe auf AktivistInnen verweigern, wie das zuletzt in Hamburg eine ganze Hundertschaft der Polizei getan hat.
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Der ÖGB muss alle Repressionsopfer politisch und finanziell unterstützen, und sich klar gegen die Polizeigewalt aussprechen! Kundgebungen z.B. vor politischen Gerichtsprozessen sollten vom ÖGB organisiert werden!