Fr 01.06.2001
„Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft“ und „Abschwächung der Bedeutung des US-Dollars“, so beschreibt die Bundeswirtschaftskammer die Ziele des EURO auf ihrer Homepage. Sozialdemokraten und Grüne vermarkten diese Ambitionen etwas anders - als Friedensprojekt. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer möchte durch die Integration Europas die französische Revolution vollenden und „Werte aus der Zeit der Aufklärung“ wie „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ durchsetzen. Fischers Ziel ist ein „europäischer Bundesstaat“. Die Überwindung des Nationalstaates in Europa, würde die Welt tatsächlich so stark verändern, wie die französische Revolution. Doch sowohl die historischen Erfahrungen, wie auch eine Bestandsaufnahme Europas im Zeichen der Einführung des EUROS zeigen ein anderes Bild.
Während des letzten ernsthaften „Einigungsversuch“ brannte nicht das Licht der Aufklärung, sondern der ganze Kontinent. Mit dem 2. Weltkrieg wollte NS-Deutschland und seine Verbündeten den gesamten Erdteil unter faschistischen Vorzeichen zentralisieren und versklaven. In den folgenden 40 Jahren nach dem 2. Weltkrieg, wurde trotz günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen kein europäischer Bundesstaat geschaffen. Erst durch die „neue Weltordnung“ nach dem Fall des eisernen Vorhanges, scheint man/frau diesem Ziel näher gekommen zu sein. Wird in Zukunft also nach erfolgreicher Überzeugungsarbeit mittels teuerer Werbekampagnen die Vernunft statt nationalem Wahn Europa regieren?
Kapitalismus und Nationalstaat
Ein solcher Ansatz verharmlost den 2. Weltkrieg zu einer Art Betriebsunfall - hervorgerufen durch deutsche „Unvernunft“. Doch der 2. Weltkrieg war kein Betriebsunfall. Er war nicht nur ein rassistisch und politisch begründeter Vernichtungsfeldzug gegen den, wie es die Nazis nannten, „jüdischen Bolschewismus“. Dieser Krieg bedeutete vor allem auch den Kampf um die Beherrschung von Märkten und Rohstoffen zwischen den verschiedenen imperialistischen Staaten.
Dahinter steckt ein Grundwiderspruch des Kapitalismus, der im Extremfall zu Krieg und Vernichtung führt: Die Bourgeoisie agiert zwar europäisch, bzw. international, aber ein Wesensmerkmal des Kapitalismus ist die Konkurrenz. Das Schutzschild der Interessen des Kapitals bleibt auch im globalen Wettbewerb der Nationalstaat. Die EU drückt dieses Dilemma aus: Einem hochintegrierten europäischen Markt steht keine europäische Bourgeoisie gegenüber. Es gibt deshalb auch keinen europäischen Staat mit einem wirkungsvollen Staatsapparat. Die Widersprüche zwischen den verschiedenen nationalen EU-Regierungen, sind geprägt von der Existenz und den gegensätzlichen Interessen der nationalen Bourgeoisien.
„Offener Nationalismus“
Mit diesen Worten beschreibt der grüne Abgeordnete Voggenhuber die Essenz des letzten EU-Gipfel in Nizza. Joschka Fischers Fraktionskollege unterstreicht, was von den Visionen des deutschen Außenministers in der Realität übrigbleibt: „Vor unseren Augen entsteht ein Europa unter der Führung eines Reichsfürstenrates, gespenstisch ähnlich dem an Kleinstaaterei gescheiterten Modell der deutschen Einigung des 17. Jahrhunderts“. Seit dem EURO-Beschluss hat sich die EU „unter das ausschließliche Regime der nationalen Regierungen“ begeben. Es wird „die Kommission geschwächt, das Europäische Parlament demonstrativ kurz gehalten, der Europäische Gerichtshof in den sensibelsten Bereichen für unzuständig erklärt, die Öffentlichkeit sogar von der europäischen Gesetzgebung ausgesperrt“.
Der Gipfel in Nizza spitzte sich an der Frage der künftigen Stimmgewichtung in den EU-Gremien zu. Gegensätze zwischen Deutschland und Frankreich lähmten die Debatten: Nichts wurde entschieden, das nächste Mal wird erst 2004 wieder verhandelt. Der Druck der europäischen Konzerne gegenüber dem amerikanischen und asiatischen Block zu bestehen, forciert gewisse Elemente der europäischen Integration. Aber die zunehmende Dominanz des deutschen Imperialismus und die Angst der wirtschaftlich schwächeren EU-Staaten davor, behindern alle weiteren Integrationsschritte. Vor allem in Frankreich läuten die Alarmglocken: Französische Medien, Unternehmerver- bände und Politiker haben während des Gipfels offen davor gewarnt, dass das Land endgültig seinen „Führungsanspruch“ in Europa verlieren könnte.
Schröders Vorschläge
Der deutsche Kanzler will vordergründig die Stärkung der europäischen Institutionen. Alle anderen wichtigen Staaten Europas, sehen hinter der hier geforderten Abgabe nationaler Kompetenzen, eine noch stärkere Dominanz deutscher Politik und Wirtschaft. Der Nationalstaat erscheint als die einzige Rückversicherung. Doch nicht nur deshalb wird Schröders Vorstoß abgelehnt. Gleichzeitig schlägt der deutsche Kanzler nämlich auch vor, Kompetenzen auf die nationalstaatliche Ebene zurückführen, „um den Spielraum für eine eigenständige Regional- und Strukturpolitik der Mitgliedstaaten auszuweiten“.
Dahinter versteckt sich nichts anderes als die sinkende Bereitschaft der deutschen Bourgeoisie rund die Hälfte des EU-Budgets zu bezahlen. Strukturschwächere Regionen in der EU sollen sich selbst überlassen bleiben. Schröders Vorschlag steht voll im Interesse des deutschen Kapitals. Im Widerspruch zum „Stirnrunzeln“ (Spiegel) sozialdemokratischer Regierungen in den nach Deutschland wichtigsten EU-Staaten - Frankreich und Britannien - stehen die innerdeutschen Reaktionen. Der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestags, Friedbert Pflüger (CDU), sagte, Schröders Ideen gingen „ganz in die Richtung dessen, was in den Unionsparteien seit langem gedacht wird“.
„Einheitsfront“ gegen ArbeitnehmerInnen
Die bisherigen Ansatzpunkte der europäischen Integration haben wenig mit den Werten der französischen Revolution zu tun: Das Schengener Abkommen bedeutet eine „Abschottungsunion“ (Standard, 26/27.5. 2001) nach außen und Bespitzelung im Inneren. Eine künftige europäische Armee wird die Aufrüstung und Beteiligung an Kriegen erleichtern. Vor allem betrifft das jene EU-Staaten, in denen das bisher ein Problem darstellte, wie Deutschland und Österreich.
Weit fortgeschritten ist die „europäische Integration“ nur beim Kapitalverkehr und Sozialabbau. Bereits am 1.7.1990, also vor mehr als elf Jahren, kam es zur vollen Liberalisierung des Kapitalverkehrs in der EG/EU. Das war ein Meilenstein im sogenannten „Globalisierungsprozess“ der Weltwirtschaft nach dem Zusammenbruch des Stalinismus. Mit den freien und unkontrollierbaren Kapitalströmen wurden Angriffe auf alle soziale Errungenschaften begründet. Als entscheidend erwies sich der (zunächst fast überall) fehlende internationale Widerstand gegen diese Entwicklung.
Der EURO ist die Ausformung der Globalisierungsdebatte auf europäischer Ebene: Ein Mittel zum Angriff auf die ArbeiterInnenklasse. Der Maastrichter Vertrag zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion schreibt Sozialabbau, Deregulierung und Privatisierung fest. Mit dem Amsterdamer Vertrag wurden Ende der 90er Jahre alle anderen wirtschaftspolitischen Ziele dem Nulldefizit und der Währungsstabilität untergeordnet. Doch das EURO-Konzept und die Folgen dieser Politik sind katastrophal.
EURO-Ziele brachten Umverteilung
1996 beschloss die EU, „die Lohnskala nach unten zu spreizen“. Das soll „mit einer Senkung der Lohnkosten für wenig qualifizierte Tätigkeiten um 20-30%“ geschehen. Weiters sei „eine entsprechende Kürzung der Lohnersatz- und der Sozialleistungen“ erforderlich. Die Financial Times kommentierte am 25. März 2000 den EU-Gipfel in Lissabon und dessen Dokumente zur Wirtschaftspolitik so: „Der Gipfel hat die Sozialpolitik der 80er Jahre hinter sich gelassen.“
Die europäische ArbeiterInnenklasse musste dafür in der 90er Jahren einen hohen Preis bezahlen: Die Lohnquote (Anteil der Löhne an den Gesamteinkommen) sank im vergangenen Jahrzehnt auf 68 %. Sie liegt inzwischen unter dem Wert von Japan und den USA! In jenen Ländern, die für ihre dynamische Entwicklung am meisten gelobt werden, entwickelte sich auch dieser Wert am „dynamischten“: In Irland sank die Lohnquote von 84% (1975) auf 58% (1999) und Spanien von 80% (1975) auf 67% (1999). In sieben von 15 Mitgliedstaaten sackte sie um mehr als 10% ab.
Verheerende Bilanz für „New Labour“ und Co.
Wachsende soziale Ungleichheit und immer neue Angriffe sind die Begleiterscheinungen der „europäischen Integration“. Maßgeblich gestaltet wird dieser Prozess von sogenannten „Links“-Regierungen. Deren Vorreiter, Tony Blair in Britannien, beschwor bei seinem Amtsantritt einen „New Deal“ für Beschäftigung. Ähnlich wie Kanzler Schröder verkündete er, dass Arbeitslose kein Recht auf Faulheit besitzen. Was das in der Praxis be- deutet, beurteilt die Zeitung „Guardian“ vom 11.5.2000 so: „Der Abstand zwischen Reichen und Armen in Großbritannien nahm während der 90er Jahre weiter zu (...) die Daten vom April 1998 legten dar, dass immer noch ungefähr 3 Millionen Kinder unter der Armutsgrenze leben, in Familien mit einem Einkommen, das weniger als 60% des Durchschnittseinkommens ist. Der Abstand zwischen Männern und Frauen ist so groß wie nie zuvor.“
18% der EU-Haushalte sind offiziell von Armut betroffen; in Britannien sogar 20%. Auch für Österreich weist der jüngste Armutsbericht 900.000 armutsgefährdete Personen auf. Im reichsten EU-Mitgliedsland Deutschland sorgt der jüngste Reichtums- und Armutsbericht für Debatten: Der Hälfte der deutschen Bevölkerung stehen gerade einmal 4,5 Prozent des Gesamteinkommens zur Verfügung, bis zu 7,5 Millionen Menschen gelten als arm. Gleichzeitig gibt es 1,5 Millionen (D-Mark!) Vermögensmillionäre.
Auch Blairs angeblicher Gegenspieler in der europäischen Sozialdemokratie hat sich in Wahrheit der Umverteilungspolitik verschrieben: „Hinter der sozialistischen Rhetorik, war Jospin ein cleverer Reformist. Der altlinke Jospin hat mehr privatisiert (...) als New Labour’s Tony Blair; die öffentlichen Ausgaben wuchsen in Frankreich weniger als in Britannien“ (Financial Times, 25.1.2001)
Vollbeschäftigung?
Die Vollbeschäftigung ist seit kurzem (einziges) sozialpolitisches Ziel der Wirtschafts- und Währungsunion. Gerade die sozialdemokratischen Regierungen und Parteiführungen verbuchen das als ihren Erfolg. Tatsächlich wurde die Arbeitslosenrate in der EU in den 90er Jahren nicht wesentlich gesenkt. Einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich zwei Prozent stand ein Beschäftigungswachstum von nur 0,3 Prozent pro Jahr gegenüber. Auch die Qualität der neuen Arbeitsplätze spricht für sich: 1998 waren 40% der neuen Arbeitsverhältnisse in Europa sind befristet und fast 100% auf Teilzeitbasis.
Der ÖGB schätzt, dass sich bereits rund 1/3 der Beschäftigten in Österreich im prekären Bereich befindet. Insgesamt blieb die Arbeitslosigkeit in der EU auf dem hohen Sockel von durchschnittlich zehn Prozent. Das ist doppelt soviel, wie in der Rezession Mitte der 70er Jahre und weist auf grundlegende Strukturschwächen hin.
Der Grundwiderspruch des EURO
Nur etwas mehr als die Hälfte der EU-Bevölkerung begrüßt die neue Währung. Noch größer scheint die Skepsis bei Anlegern und Spekulanten. Hinter dem mangelnden Vertrauen in die neue Währung verbirgt sich ein strukturelles Problem. So groß der Konsens der EU-Regierungen gegen die Interessen der ArbeiterInnenklasse ist, so unterschiedlich sind der ökonomische Entwicklungsstand und strategische Interessen. Der bereits beschriebene Widerspruch zwischen europäischem Markt und Nationalstaat bedeutet für den EURO folgendes: Europäische Währung ohne europäische Finanzpolitik und Interven- tionsmöglichkeit in Krisenzeiten.
Das einzige wirklich europäische Entscheidungsgremium ist die völlig undemokratisch besetzte und von niemanden kontrollierte Europäische Zentralbank (EZB). Sie ist „natürlich“ einem neoliberalen Fundamentalismus verpflichtet, der auch gerne von grünen und sozialdemokratischen Politikern wie Oskar Lafontaine (SPD) kritisiert wird. Die Diskussion und Wirkungslosigkeit der Zinssenkungen in den letzten Monaten kann alleine daraus nicht erklärt werden. Die EU hat mit der EZB tatsächlich keine andere Kompetenz als die Zinsen einen Viertel Prozentpunkt rauf oder runter zu setzen. Alle anderen volkswirtschaftlichen Steuerungsmitteln liegen nach wie vor auf nationalstaatlicher Ebene. In diesem Ungleichgewicht liegt das mangelnde Vertrauen und gleichzeitig künftiger Sprengstoff für die EU begraben. Dieser kann sich bei jedem Konjunktureinbruch entladen.
Momentane EURO-Schwäche
Seit seiner Verkündung befindet sich der EURO in der Krise. „Als Hauptgrund für das Abrutschen der Gemeinschaftswährung wurden die schlechten Wirtschaftsnachrichten aus Europa genannt“ (Kurier, 24.5.2001). Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet mit einer Stagnation der Industrieproduktion. „Auch aus Frankreich kamen Zahlen die auf eine Abschwächung des Konjunkturaufschwungs deuten.“ Die Schwäche des EURO ist - und das scheint paradox - die einzige Stärke der europäischen Konjunktur. Die Export-Geschäfte auf Märkten außerhalb der EU wurden durch den schwachen EURO gestützt. Die USA sind für Deutschland inzwischen der zweitwichtigste Absatzmarkt nach Frankreich.
Der private Konsum in den USA war im vergangenen Jahrzehnt die wichtigste Konjunkturstütze für die europäische Wirtschaft. Doch: Jetzt drücken „die Auswirkungen der abflau- enden US-Wirtschaft auf das europäische Wachstum“ (profil, 30.4.2001). Die Presse vom 29.5 geht bereits von einer Rezession in den Vereinigten Staaten aus. Selbst eine tiefe Krise in den USA kann heute nicht ausgeschlossenen werden: „Niemand weiß was passieren wird“ meinte das US-Magazin Business Week.
Probleme in den USA können die europäische Wirtschaft in zweierlei Hinsicht betreffen: Entweder es gelingt ein gewisser Abkoppelungsprozess Europas mit der Folge einer EURO-Aufwertung. Damit wäre allerdings der entscheidende Wettbewerbsvorteil der letzten Jahre für die EU zunichte gemacht. Oder die USA würden unmittelbar die EU in eine tiefe weltweite Krise mitreißen. Spätestens dann wäre es aber mit der gemeinsamen Rhetorik der EURO-Staaten vorbei.
Integration gibt es nur bei schönem Wetter
Die historische Erfahrung zeigt, dass wirtschaftliche Integrationstendenzen immer eine Frage einer positiven ökonomischen Gesamtentwicklung waren. Der Vorläufer zur Wirtschafts- und Währungsunion war das Europäische Währungssystem (EWS). Dieses brach nach einem Konjunkturrückgang 1992 zusammen. Die wirtschaftlich schwächeren Teilnehmerstaaten - wie Italien - hatten damals durch Währungsabwertung die Exportsituation ihrer Volkswirtschaften verbessert.
Konkrete Schritte Richtung EURO wurden erst nach einer wirtschaftlichen Erholung in Europa möglich. Gleichzeitig gelang es durch brutale Sparmaßnahmen auch Länder wie Italien, Irland, Spanien, Portugal und Griechenland „eurofit“ zu werden. Doch innerhalb der EURO-Zone bleiben gravierende Unterschiede: Die Einkommen in der reichsten Region sind um 260 Prozent höher als in der Ärmsten. Andere Werte verschlechterten sich sogar: Die „Disparitäten der Beschäftigungsraten zwischen den Regionen (sind) groß und scheinen in den meisten Ländern sogar leicht zugenommen zu haben“ (EU-Bericht: Beschäftigung in Europa 1999). Alleine in Italien klafft zwischen Nord (6% Arbeitslose) und Süd (22,3 %) ein gewaltiges Sozialgefälle - ähnlich wie zwischen West- und Ostdeutschland.
Europa ist weit davon entfernt, einen einheitlichen und stabilen Wirtschaftsraum darzustellen: Die Inflationsrate der Niederlande (5,3%) war im April fast dreimal so hoch wie jene in Frankreich (2%). Auch das Wachstum entwickelte sich seit 1993 völlig ungleichmäßig: Die niederländische Wirtschaft wuchs fast doppelt so schnell wie jene im Nachbarland Deutschland, die irische sogar sechs mal schneller. Diese ökonomischen Ungleichmäßigkeiten werden in Krisenzeiten stärker hervortreten.
Bisher war die Betätigung der Notenpresse (=Inflation) ein Rettungsanker für strukturschwächere Staaten in Krisenzeiten. Mit dem EURO fällt diese Option weg. Doch welche Möglichkeiten bleiben dann? Doch was ist wenn die Krise kommt? Das EU-Budget beträgt nur 1,27% des Bruttoinlandprodukts der Mitgliedstaaten. Defizite sind auf EU-Ebene übrigens verboten. Gerade 1/3 des Budgets erhält der Strukturfonds. Diese Mittel zum Ausgleich regionaler Unterschiede sollen bis 2006 um 10% gekürzt werden. Der gesamte Druck, in Krisensituationen zu intervenieren, lastet damit auf den nationalen Regierungen. Niedrige Inflation, ausgeglichenes Budget und Defizitabbau sind die Konvergenzkriterien für den EURO. Doch was geschieht wenn sich wichtige EU-Regierungen nach der EURO-Einführung nicht daran halten?
Der EURO wurde ohne Rückfahrtsticket konzipiert und hat das Schicksal des gesamten Kontinents auf äußerst fragiler Grundlage zusammengefasst. Die ökonomische Schwäche eines Mitgliedslandes bzw. dessen Ausscheren hat unmittelbare Auswirkungen auf die Gesamtstabilität des EUROS und damit auf die gesamte EU. Eine Krise der griechischen Wirtschaft, vergleichbar mit jener des Nachbarlandes Türkei, würde sofort die gesamte EURO-Zone destabilisieren. Der EU blieben in einem solchen Fall nur: Dem EURO-Verfall zuzusehen, die Kriterien aufzuweichen und zusätzliche Gelder zu mobilisieren. Ein Land, das sich nicht an die Spielregeln hält, aus der EURO-Zone auszuschließen, oder durch rigorose Sparprogramme die ArbeiterInnklasse des betroffenen Landes für die Krise bezahlen zu lassen.
EU und EURO schüren Nationalismus
Das neoliberale EU-Projekt bevorzugt grundsätzlich die letzte Option: Die einzig bisher diskutierte Maßnahme für EURO-Staaten, die sich nicht an die Konvergenzkriterien halten, sind Strafzahlungen an die EU! Doch solche Maßnahmen sind vor allem eine Frage der politischen Durchsetzbarkeit. Die Tendenz der nationalen Regierungen die Verantwortung für ihre Politik Richtung Brüssel abzuschieben, hat schon jetzt EU-skeptische Kräfte gestärkt.
Großen Unmut und Unsicherheit gibt es in den ländlichen Gebieten Europas, die durch die überall in der EU betriebene Politik für Massentierhaltung und deren Folgen (BSE, Maul und Klauenseuche) vor dem Ruin stehen. Rechte und nationalistische Kräfte gegen die EU haben in den letzten Jahren zu und nicht abgenommen. Mehr noch: Sie sitzen - wie die FPÖ oder die Lega Nord - sogar in einigen europäischen Regierungen. In wichtigen EU-Staaten wie Italien, Belgien, Spanien oder Britannien gibt es starke Desintegrationstendenzen.
Für eine sozialistische Alternative
Die ArbeiterInnenbewegung braucht eine von EU und Nationalismus unabhängige Position. Die SLP kämpft gegen das EURO-Projekt und seine Auswirkungen. Die EU spaltet Europa. Ihre Projekte - allen voran der EURO - verstärken Ungleichheiten und schüren Nationalismus. Wir treten deshalb für die Auflösung der EU durch internationale Gegenwehr „von unten“ ein.
Die Vereinigung Europas wäre ein historischer Paukenschlag, so wie die französische Revolution. Doch Träger einer solchen revolutionären Veränderung der Gesellschaft ist heute nicht mehr die Bourgeoisie. Es ist die Klasse jener, deren Interessen nicht organisch mit dem Nationalstaat verbunden sind: „Die Arbeiterklasse hat kein Vaterland“ (Karl Marx). Die Bekämpfung von Nationalismus liegt deshalb im ureigensten Interesse der ArbeiterInnenbewegung. Die Schaffung des modernen Nationalstaats war untrennbar mit der Durchsetzung des Kapitalismus verknüpft. Die Überwindung des Nationalstaats durch ArbeiterInnenbewegung wäre heute untrennbar mit der Überwindung des Kapitalismus und der Durchsetzung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung verbunden.
Die SLP und das CWI (Komitee für eine Arbeiterinternationale) fordern:
- Nein zum Euro, Nein zu den Maastricht-Kriterien. Schluss mit der Politik für Banken und Konzerne: gegen Deregulierung, Flexibilisierung, und Sozialabbau.
- Gegen Privatisierung - für Vergesellschaftung der privatisierten Betriebe
- Massive öffentliche Investitionen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wohnen und öffentlichem Verkehr.
- Kampf der Arbeitslosigkeit: für sofortige Einführung der 30 Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich.
- Nein zu Nationalismus und Rassismus. Gegen rassistische Gesetze und eine „Festung Europa“: Für ein uneingeschränktes Asyl- und Bleiberecht für die in Europa lebenden ImmigrantInnen und Flüchtlinge.
- Nein zu Aufrüstung und „EU-Armee“.
- Für internationale Solidarität und europaweiten Widerstand von ArbeitnehmerInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen
- Schluss mit dem Chaos der Marktwirtschaft. Demokratische Planung der Wirtschaft im Interesse der Menschen und nicht für die Profite der Reichen.
- Für eine freiwillige, demokratische Förderation sozialistischer Staaten von Europa.