Di 09.07.2024
Vor einem Jahr wurde Andi Babler zum Vorsitzenden der SPÖ gewählt. Welche Lehren können wir vor den Wahlen aus dieser Zeit ziehen?
Mitten in einer tiefen Krise des Kapitalismus, die auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung ausgetragen wird, mit stark steigenden Lebenshaltungskosten, verzweifelten Zuständen im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssektor, Militarisierung und erstarkenden reaktionären Kräften, haben viele auf Bablers linkes Programm als möglichen Weg nach vorne gehofft. In seinen Reden versprach er, die gemeinsamen Interessen der arbeitenden Menschen zu vertreten. Bis zum Sommer 2023 traten rund 14.000 Menschen der SPÖ bei, um Bablers Forderungen zu unterstützen. Forderungen wie eine Millionärssteuer, die Abschaffung der Mehrwertsteuer, eine Obergrenze für die steigenden Preise von Grundnahrungsmitteln und Mieten, eine 32-Stunden-Woche ohne Gehaltsverlust und das Eintreten für die Rechte von Migrant*innen und Asylsuchenden waren zentrale Elemente von Bablers Programm, das er in den ersten Monaten vorstellte. Obwohl noch viel mehr nötig wäre (wie massive Investitionen in den Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsektor, höhere Löhne und eine automatische Anpassung der Löhne an die Inflation): wenn Bablers Forderungen umgesetzt würden, wäre dies ein wichtiger Schritt nach vorne für die Arbeiter*innenklasse.
Bablers anfängliche Selbstbeschreibung als Marxist fand in der Gesellschaft ein Echo – und sprach eine Schicht von Jugendlichen und Arbeiter*innen an, die erkennen, dass das kapitalistische System so einfach nicht weitergehen kann und dass grundlegende Veränderungen notwendig sind. In der Krise des Systems suchen immer mehr Menschen nach Antworten - und während dies bei einigen zu einer Wendung nach rechts führt, suchen viele nach einer linken oder sogar sozialistischen Alternative und nach einer Partei, die wirklich die Interessen der einfachen arbeitenden Menschen vertreten kann. Das drückte sich im Erfolg der KPÖ bei mehreren Landtagswahlen ebenso aus wie in der anfänglichen Begeisterung für Babler.
Der rote Lack ist ab
Seitdem hat Babler jedoch viele seiner ursprünglichen Positionen aufgeweicht. Während der Enthusiasmus für Babler vor allem durch klar linke Forderung entstand, wurden gerade diese entscheidend abgeschwächt. Mittlerweile sind immer weniger Unterschiede zwischen ihm und dem rechten Flügel der SPÖ sowie sogar zu Elementen in der ÖVP zu erkennen. Während er anfangs klar sagte, dass er nicht mit der ÖVP koalieren werde, ist er nun viel vager. Sein “Kein Mensch ist illegal“-Ansatz in der Asylpolitik hat sich in Schweigen über das rassistische und entmenschlichende DNA-Test-Dekret der ÖVP verwandelt, zu dem Babler in einem Interview nur meinte, dass diese Tests nichts Neues seien – ohne auch nur ein Wort der Kritik. Auch sein Schweigen zum Ausschluss von SJ-Mitgliedern aus der SPÖ wegen ihres legitimen und notwendigen Aufrufs zu einem Waffenstillstand im Gazastreifen – all dies spiegelt die Inkonsequenz Bablers in der Realität wider.
Babler sagte: „Arbeitende Menschen bekommen nichts umsonst“. Dem stimmen wir zu, aber was hat er in diesem Jahr getan, um den Klassenkampf zu stärken und für Verbesserungen zu kämpfen? Kein Wunder, dass im letzten Jahr viele die SPÖ wieder enttäuscht verlassen haben. Wir brauchen dringend eine wirklich sozialistische Arbeiter*innenpartei - doch eine solche wird die SPÖ nie sein. Das hat die Erfahrung mit Babler einmal mehr gezeigt.
Info:
Um wirkliche Verbesserungen unserer Lebensbedingungen durchzusetzen, müssen wir den Klassenkampf vorantreiben: für massive Investitionen in die Schulen, für Dutzende neue Frauenhäuser und ein Ende der Wartelisten für kostenlose, qualitativ hochwertige psychische Gesundheitsdienste, für Löhne, von denen man leben kann, massiven sozialen Wohnungsbau sowie einen klaren Aufruf zu einem sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen. Breitere und kämpferischere Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz, in Schulen, Universitäten und auf den Straßen hätten auch das Potenzial, linksgerichtete Politiker*innen zu Zugeständnissen und Verbesserungen im Interesse von Arbeiter*innen, Armen und Jugendlichen zu zwingen. Ein Einzug der KPÖ ins Parlament wäre dafür ein wichtiger Schritt. Bei den Wahlen rufen wir als ISA deshalb dazu auf, KPÖ zu wählen: Am Stimmzettel ist dies das stärkste Signal für linke Politik. Doch die Wahlorientierung und der Stellvertreter*innen-Anspruch der KPÖ wird sich auch als Hindernis für den Aufbau einer wirklich sozialistischen Kraft erweisen: Diese können wir nur gemeinsam in Kämpfen und Bewegungen aufbauen, welche die Macht der Arbeiter*innenklasse durch Streiks und Massenproteste nutzen. Dies ist auch ein notwendiger Schritt im Kampf für eine andere, sozialistische Gesellschaft, die nach unseren Interessen funktioniert – und nicht nach den Profiten der Superreichen.