Mo 20.12.2021
„Was wir jetzt brauchen ist Stabilität“ war der weinerliche Tenor der ÖVP-Granden nach Sebastian Kurz' 2. Abdankung als Bundeskanzler. Ins gleiche Horn stoßen Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung und der grüne Koalitionspartner setzte das um, indem das “System Kurz” weiterläuft, halt ohne Namensgeber. Dahinter steckt zweierlei: 1) Die Notwendigkeit der heimischen Wirtschaft im internationalen Wettbewerb nicht völlig abgehängt zu werden. 2) Die Panik angesichts der sich vertiefenden politischen Krise. Nur eine Handvoll Politiker*innen hat einen positiven Vertrauensindex, nur 7% glauben, dass Politiker*innen (fast) nie die Unwahrheit sagen. Das Maßnahmenchaos der Regierung plus der Skandalhäufung um den ÖVP-Teil der Regierung hat auch das Vertrauen jener, die Corona für gefährlich halten und fürs Impfen sind, nachhaltig beschädigt.
Stabilität und v.a. Sicherheit bräuchte die Bevölkerung. Nämlich in Form einer konsequenten Gesundheits-, Sozial- und im speziellen Coronapolitik und eines echten Fahrplans in die Energiewende. Dazu sind die Herrschenden nicht fähig.
Das Chaos hat seine Wurzel in einer schwachen herrschenden Klasse, die zwischen verschiedenen Kapitalgruppen (z.B. Industrie und Tourismus) hin- und hergerissen ist und v.a. in Form der ÖVP versucht, mittels populistischer Elemente Wähler*innen zu fischen. Die Grünen haben von der SPÖ teilweise den Part des “vernünftigen” Erfüllungsgehilfen im Sinne des Gesamtkapitals übernommen. All das sind deutliche Zeichen einer massiven Schwäche!
Ist eine Fortsetzung der Koalition nötig, um FPÖ & MFG auszubremsen? Eine kurzsichtige Sichtweise, die schon bisher nicht funktioniert hat. Eine kapitalistische Regierung kann weder Corona noch die FPÖ wirksam bekämpfen. Wenn die Gewerkschaft Vida den Rücktritt der Regierung fordert, dann hat sie recht: Diese Regierung gehört weg. Doch die SPÖ ist nicht wirklich besser, auch dann sind die Spitäler voll und ist der Erhalt unserer Arbeitsfähigkeit das zentrale Ziel der Politik. Eine echte Alternative sieht ganz anders aus!
Die Grünen: Teil des Problems, nicht der Lösung!
Zwar verbanden viele vor der Wahl die Grünen mit ökologischer, sozialer, feministischer Politik und Chancengleichheit, was vor allem Erstwähler*innen und im speziellen junge Frauen angesprochen hat. Tatsächlich haben sie in Oberösterreich den Kürzungen im Spitalswesen ebenso zugestimmt wie im Bund Abschiebungen. Doch mit der Logik vom “kleineren Übel” und “Sachzwängen” verzeihen Wähler*innen viel.
Die Grünen stehen für kapitalistischen Wettbewerb, der laut ihrer Definition die effizienteste bisherige Wirtschaftsform ist, dessen negative Erscheinungen durch “soziale Marktwirtschaft” abgemildert werden sollen. Das wird in der Steuerreform deutlich, deren ökologischer Effekt CO2-tonnenweise danebengehen wird. Das Etikett „sozial“ kommt aus der gleichen Schublade wie „neuer Stil“ der ÖVP.
Sogar die Rückkehr der Taliban änderte nichts an den Abschiebeplänen (unter einem grünen Vize) nach Afghanistan. Flüchtlinge erfrieren an der Grenze nach Belarus während hierzulande Flüchtlingsbetreuer*innen abgebaut und Einrichtungen geschlossen werden. Und das Bundesheer bekommt im neuen Budget 206,1 Millionen mehr, der Gewaltschutz für Frauen nur 24,6 statt der nötigen 228 Millionen.
Mitverantwortlich sind die Grünen durch ihre Politik auch an der Impfskepsis. Und weil ein Teil der Schwurbler*innen aus dem esoterisch-impfskeptischen Lager sich lange bei den Grünen wohl gefühlt hat. Der individualistische, wissenschaftsfeindliche Zugang hatte immer einen (großen) Platz in ihren Reihen. Dass die ehemalige Bundessprecherin Petrovic der Schwurbel-Demo Grußworte übermittelte, passt da gut ins Bild.