Mi 20.04.2005
Die vor sich hin dümpelnde Weltwirtschaft wird von zwei miteinander verbundenen Lokomotiven gezogen. Dabei ist der US-Kapitalismus an der Spitze des Zuges und China eine entscheidende Hilfslokomotive. Die USA sorgen für massive Verbrauchernachfrage, während China einen wachsenden Teil der Industriegüter herstellt. Das US-Wachstum wird aber von riesigen Kapitalzuflüssen aus dem Rest der Welt angeheizt. In den letzten Jahren hat der US-Kapitalismus achtzig Prozent der Ersparnisüberschüsse der Welt aufgenommen. Das sind Mittel, die zur Entwicklung der Wirtschaft ihrer Herkunftsländer hätten verwendet werden können. Der US-Verbrauch hängt ab von einer phänomenalen Verschuldung nach außen und innen, die (für die USA) historisch beispiellos ist. Diese Schulden sind auf der Grundlage niedriger Zinsen angeschwollen, die durch das Hereinfluten von Kapital möglich wurden. Zwischen 1995 und 2003 betrug das Wachstum des US-Verbrauchs durchschnittlich real 3,9 Prozent pro Jahr: Fast doppelt so hoch wie das Wachstum von 2,2 Prozent pro Jahr, das für die anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Länder in der selben Periode typisch war.
Das ständig steigende Niveau der US-Schulden, das sich in den „Zwillingsdefiziten“ (Zahlungsbilanz und Bundeshaushalt) ausdrückt, lässt sich nicht dauerhaft aufrecht erhalten. Gleichzeitig haben der galoppierende Investitionsboom und die Immobilienpreisblase in China, die dessen hohe Wachstumsrate angetrieben haben, ihre Grenzen erreicht.
Zweifellos nähert sich ein Finanzkrach, der von den emporschnellenden Ölpreisen der letzten Monate angeheizt wird. Eine Wachstumsverlangsamung in den USA wird unvermeidlich eine Wachstumsverlangsamung in China bedeuten. Da die Kombination USA-China das einzige dynamische Element in der Weltwirtschaft seit der Rezession 2001 war, wird ein Abschwung in den USA und China eine Rezession für die Weltwirtschaft einläuten. Ein scharfer Fall im Dollarkurs würde zu Erschütterungen im Weltwährungs- und -handelssystem führen. Obendrein erzeugt die Wiederaufnahme der Spekulationstätigkeit im großen Stil, die durch den scharfen Fall der Zinsen nach 2001 ermutigt wurde, zugleich die Gefahr einer Finanzkrise. Die rasende Intervention von Banken und Hedgefonds auf Devisenmärkten und in letzter Zeit in Öl und anderen Rohstoffen, zeigt das Potential für die Destabilisierung der Weltfinanzmärkte.
Der US-Kapitalismus schaffte es, einen größeren Abschwung zu vermeiden, nachdem die Finanzblase 2001 platze, indem er drastisch die Zinsen senkte und schnell ein riesiges Bundeshaushaltsdefizit erzeugte. Diese doppelte Politik durch das Bush-Regime und Alan Greenspans Bundesbank wurde massiv verstärkt nach den Angriffen vom 11. September, als die herrschende Klasse der USA eine sofortige schwere Krise fürchtete. Neben massiven Steuernachlässen für die Reichen und Superreichen, denen sich Bush ohnehin verpflichtet fühlte, waren niedrige Zinsen und vergrößerte Militärausgaben die Hauptsäulen der Wirtschaftsstrategie des Bush-Regimes. Dieser Ansatz beinhaltete unausweichlich eine wachsende Abhängigkeit vom Kapitalzufluss aus dem Ausland.
Von Januar 2001 bis Juni 2003 senkte die US-Bundesbank ihre Leitzinsen von 6,5 Prozent auf ein Prozent, die niedrigsten seit 40 Jahren.
Begrenztes Wachstum
Das Wachstum war aber nicht sehr beeindruckend, außer im Vergleich zur Eurozone und Japan. Das vielgefeierte Emporschnellen auf ein Wachstum des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) auf 7,4 Prozent im dritten Quartal 2003 (in dem sich hauptsächlich Bushs Steuernachlässe ausdrückten) setzte sich nicht fort. Das Wachstum im vierten Quartal 2003 war 3,7 Prozent. 2004 war das Quartalswachstum 4,5 Prozent, 3,3 Prozent und 3,7 Prozent. Während Bushs erster Amtsperiode, war das BIP-Wachstum im Durchschnitt 2,7 Prozent, besser als die Bilanz seines Vaters (2,1 Prozent) aber weniger als unter Clinton (3,7 Prozent), Carter (3,3 Prozent) und Reagan (3,4 Prozent). Die gegenwärtige Erholung nach der Rezession von 2001 ist schwächer als in den sechs vorangegangenen Konjunkturzyklen. Das Wachstum der Zahl der Arbeitsplätze ist schwächer als jemals seit der Großen Depression der dreißiger Jahre.
Die Gesamtinvestitionen im Unternehmenssektor (besonders Ausrüstungsinvestitionen) erholten sich 2000 bis 2004, bleiben aber immer noch unter dem Niveau von 2000. Nettoinvestitionen (Kapitalinvestitionen über den Ersatz verschlissener Ausrüstungsgüter hinaus) aber sind deutliche 60 Prozent niedriger als 2000. Und die verarbeitende Industrie baut weiterhin Arbeitsplätze ab: mehr als 2,7 Millionen verschwanden seit Januar 2001. Der Informationssektor, der vom Platzen der dot.com-Blase getroffen wurde, hat auch über 500.000 Arbeitsplätze verloren. Unter Bush entstanden die meisten neuen Arbeitsplätze in den Bereichen Regierung, Gesundheitswesen und im Gaststättengewerbe.
Reallöhne und -gehälter stiegen im Durchschnitt nur um ein Prozent pro Jahr, im Vergleich zu einem Durchschnitt von vier Prozent im Jahr in früheren Erholungen. Die typische Arbeiterfamilie hat einen Rückgang der Realeinkommen von 1.500 Dollar unter Bush erlitten. Löhne machen den niedrigsten Anteil am BIP seit 1929 aus.
Laut dem Statistischen Büro der USA stieg 2003 die Zahl der AmerikanerInnen in Armut oder ohne Krankenversicherung das dritte Jahr in Folge. (Washington Post, 27. August) 2003 fielen zusätzliche 1,3 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze. Das brachte die Summe auf 35,9 Millionen (12,5 Prozent), einschließlich 12,9 Millionen Kinder. Fünfundvierzig Millionen Menschen haben keine Krankenversicherung. Gleichzeitig haben Bushs Steuersenkungen, Peanuts für die Armen und Milliarden für die Milliardäre, zur Vergrößerung der Ungleichheit beigetragen, die jetzt extremer ist als jemals seit der Großen Depression.
Aufrüstung und Profite
Die einzige boomende Industriebranche unter Bush war die Rüstungs- und Flugzeugbranche. Dies spiegelt die riesige Erhöhung der Militärausgaben wieder. Der Pentagon-Haushalt für das Haushaltsjahr 2004 beträgt 400 Milliarden Dollar, wobei weitere 40 Milliarden Dollar im Jahr für die Innere Sicherheit ausgegeben werden. Die Bush-Regierung plant, weitere 2,7 Billionen Dollar fürs Militär während der nächsten sechs Jahre auszugeben, trotz des riesigen Haushaltsdefizits. Diese Haushaltstitel umfassen nicht die Kosten für die Kriege in Afghanistan und Irak (etwa 200 Milliarden Dollar bisher) die durch zusätzliche Bewilligungen vom Kongress finanziert wurden. Diese Militärausgaben sind zwar gut für die Waffenproduzenten und -händler, werden sich aber als eine massive Last für den US-Kapitalismus während der kommenden Jahre erweisen.
Die Konzernprofite stiegen 2003 auf ein Rekordniveau. Profite nach Steuern und Zinseinkünfte stiegen auf 14,8 Prozent, höher als der frühere Spitzenwert 1965 (allerdings waren 1965 die Profite vor Steuer höher, denn Konzernsteuern waren damals höher). Dieser Anstieg war hauptsächlich das Ergebnis der rücksichtslosen „Kostensenkung“ durch die Konzerne: Abbau von Beschäftigten, Senkung von Arbeitsstunden und Löhnen. Aber dies scheint dieses Jahr an seine Grenzen gestoßen zu sein und die Profite sind wieder gefallen.
Diese Erholung der Profite half zusammen mit niedrigen Zinsen bei einer Erholung der Aktienkurse, die die Börsenindizes wieder steigen ließ. Anfang März 2004 machte zum Beispiel der New Yorker S&P-500-Index etwa die Hälfte seines vorherigen Rückgangs von dem Allzeithoch im März 2000 – dem Höhepunkt der Spekulationsblase — bis zum Tiefpunkt im Oktober 2002 wieder wett. Seit März sind die Aktienkurse in gewissem Umfang wieder gefallen, was das langsamere Wachstum der Konzernprofite wiederspiegelte. „Das Muster des Rückgangs”, kommentiert Vince Hastings, „stimmt weiter mit einer Bären-Sicht überein [der Erwartung mittelfristig sinkender Kurse]. Jeder neue kurzfristige Tief- und Hochpunkt des Index war niedriger als der letzte, eines der Merkmale eines Bären-Markts”. (Cycles and their Patterns, Financial Times Money Guide, 30. Oktober 2004)
Trotz des scharfen Falls zwischen 2000 und 2002 bleiben Aktienkurse wesentlich überbewertet im Vergleich zu Konzernprofiten, was einen weiteren Fall in den kommenden Monaten wahrscheinlich macht.
Schuldenberg
Auf der Grundlage des tatsächlichen Wachstums der US-Einkommen, ob private Löhne und Gehälter oder staatliche Steuereinkünfte, hätte es bestenfalls sehr schwächliches Wachstum zwischen dem Beginn der Rezession 2000 und heute gegeben. Die US-Sparquote (die die Menge der im Inland für Investitionen verfügbaren Mittel bestimmt), die Ende der achtziger Jahre zehn Prozent betrug, fiel auf fünf Prozent Mitte der neunziger Jahre und während der letzten fünf Jahre durchschnittlich auf nur zwei Prozent (und fiel in einigen der jüngsten Quartale praktisch auf Null). Abgesehen von manchen Verbesserungen zwischen 1996 und 2001 stagnierten die Reallöhne der Mehrheit der ArbeiterInnen über zwei Jahrzehnte und gingen seit 2001 zurück. Deshalb wuchs die Verbrauchernachfrage, die etwa neunzig Prozent des US-Wachstums ausmacht, auf der Grundlage des Schuldenbergs.
Das Verhältnis der Haushaltsschulden zu den verfügbaren Einkommen stieg auf die Rekordhöhe von 108 Prozent der verfügbaren Einkommen Ende 2003 (16 Prozentpunkte über dem Niveau von 2000). Dies lag hauptsächlich an Hypothekenschulden, aber Verbraucherkredite (Autokredite, Kreditkartenschulden) waren auch auf Rekordniveaus. Wenn die Haushaltsschulden mit der der Rate Jahre 2000 bis 2003 weiter wüchsen, würde das Verhältnis bis zum Ende von Bushs zweiter Amtszeit auf 152 Prozent der verfügbaren Einkommen steigen. Aber ein weiterer Zinsanstieg wird die bestehende Schuldenlast für viele Haushalte nicht durchhaltbar machen.
Während der letzten acht Jahre stiegen die durchschnittlichen Immobilienpreise 35 Prozent schneller als die allgemeine Preissteigerung (im geschichtlichen Durchschnitt stiegen sie parallel zur Inflation) – angetrieben durch die Verfügbarkeit billiger Hypotheken. In Gebieten mit einer besonders ausgeprägten Spekulationsblase wie San Francisco und Boston stiegen sie sechzig Prozent schneller als die Inflation. Eigenheimbesitzer haben ihre vergrößerten Vermögen durch Aufnahme neuer Hypotheken in riesigem Umfang in zusätzliche Verbraucherkaufkraft verwandelt. Hypothekenschulden stiegen zwischen 2000 und 2003 um atemberaubende 2,3 Billionen Dollar (wobei 750 Milliarden Dollar allein 2003 geliehen wurden). Tatsächlich erzeugte die Immobilienblase einen größeren „Reichtumseffekt“ (eine schuldenfinanzierte Verwandlung von Kapitalzuwachs in Verbraucherausgaben) als die Börsenblase der späten neunziger Jahre, weil ein größerer Bevölkerungsanteil beteiligt war. Im September 2004 warnte der IWF, dass eine wahrscheinliche „Korrektur“ auf den Immobilienmärkten (die, wie er sagt, wahrscheinlich international synchronisiert sein wird wegen dem parallelen Aufwärtstrend der Zinsen) „ernste Folgen für die realwirtschaftliche Tätigkeit” haben könnte.
Das Bundeshaushaltsdefizit, das weitgehend durch Auslandskapital finanziert wird, ist ein Schlüsselfaktor, der dem US-Kapitalismus erlaubt, mehr zu verbrauchen als er erzeugt. Dieses Jahr wird ein Defizit von 422 Milliarden Dollar oder 3,7 Prozent des BIP erwartet. Dies stellt eine 4,9-prozentige Verschlechterung gegenüber dem Haushaltüberschuss von 2,4 Prozent des BIP 2000 dar. Dies ist noch drastischer als die bisher schlimmste Verschlechterung, die 4,4-prozentige Verschlechterung während der tiefen Krise 1979 bis 1983.
„Laut der „Halbzeitbilanz“ der Regierung machen die Steuerkürzungen der Jahre 2001 bis 2003 mehr als die Hälfte des Haushaltsdefizits 2004 aus und haben mehr zum wachsenden Defizit beigetragen als die Kosten der Inneren Sicherheit, des Krieges gegen den Terrorismus in Irak und Afghanistan und das Wachstum der innenpolitischen Ausgabenprogramme zusammen”. (Laura D’Andrea Tyson, There’s Nothing Macho About Soaring Deficits, Business Week, 27. September 2004)
Der weltgrößte Schuldner
Ende 2003 betrug das Zahlungsbilanzdefizit 4,5 Prozent des BIP, Mitte 2004 war es auf 5,7 Prozent gestiegen, etwa 600 Milliarden Dollar. Seine Finanzierung erfordert, dass die USA Vermögenswerte (Aktien, Konzernanleihen, Staatsanleihen) mit der Rate von 600 Milliarden Dollar im Jahr verkaufen. Selbst eine so reiche und mächtige Wirtschaft wie die USA kann das nicht unbegrenzt weitermachen. Vizepräsident Cheney tätigte den berüchtigten Ausspruch: „Defizite machen nichts aus”. Aber Jahr für Jahr wiederholte Zahlungsbilanzdefizite summieren sich zu einem Defizit gegenüber dem Rest der Welt. Dies drückt sich aus in der internationalen Investitionsposition der USA, dem Verhältnis zwischen Vermögenswerten in US-Eigentum im Ausland und Vermögenswerten in ausländischem Eigentum in den USA. Dies ist das allgemeinste Maß der Verschuldung der USA beim Rest der Welt.
1980 waren die USA international noch ein Gläubiger mit einer positiven Investitionsbilanz von 360 Milliarden Dollar (die Welt schuldete 360 Milliarden Dollar mehr den USA als die USA der Welt schuldeten). Aber Ende der achtziger Jahre wurde die Bilanz negativ. Jetzt haben die USA eine Nettoverschuldung von 2,4 Billionen Dollar oder 24 Prozent des BIP, und es werden wahrscheinlich Ende dieses Jahres 28 Prozent sein. Dies sind etwa 300 Prozent der US-Exporte (nicht weit von der Rate von 400 Prozent von Brasilien und Argentinien, die laut Wall-Street-Investoren „Sorgenkinder“ sind). Wenn der gegenwärtige Trend während Bushs zweiter Amtszeit weitergeht, werden die summierten Auslandsschulden auf 40 oder 50 Prozent des BIP bis 2008 ansteigen. Dies ist ein nicht durchhaltbarer Prozess. Irgendwoher muss das Geld kommen.
Lawrence Summers, früher unter Clinton Finanzminister, kommentierte diese Lage mit den Worten: „Man hat sich viel um die US-Abhängigkeit von ausländischer Energie gesorgt, aber die Abhängigkeit des Landes von ausländischem Bargeld ist noch viel besorgniserregender. Auf sehr reale Weise halten die Länder, die US-Devisen und Anleihen in ihren Banken haben, auch den US-Wohlstand in ihren Händen…”
Obendrein „ändert sich auch der Charakter der Investoren in US-Schulden – zum schlechteren. Kurzfristige Investoren, die weniger vorhersagbar sind und ungewissere Motive haben, finanzieren einen wachsenden Anteil des US-Zahlungsbilanzdefizits. Diese Änderungen sind Warnzeichen, dass die US-Ausgaben sich einer kritischen Stufe nähern”.
„Etwas stimmt nicht”, fährt Summers fort, „wenn die größte Weltmacht der größte Schuldner der Welt ist”. Wenn ausländische Regierungen und Investoren ihre Dollarreserven auf den Kopf hauen und die US-Wirtschaft in den Bankrott treiben würden, würde die daraus folgende Krise ihre eigenen Wirtschaften auch hart treffen. „Aber nachdem die USA schließlich aus dem militärischen Gleichgewicht des Schreckens übrigblieben, sollten sie nicht leichtfertig ein neue Version der „gegenseitig gesicherten Zerstörung“ akzeptieren, wenn sie es vermeiden können”. (America Overdrawn, Foreign Policy, Juli-August 2004)
Laut Summers läuft die US-Wirtschaft „mit stockendem Motor”, aber er bietet keine Lösung abgesehen vom dem „Anerkennen der US-Sparkrise”. Die Realität ist aber, dass die USA schon in einer symbiotischen Beziehung mit China und Japan (und anderen südostasiatischen Exporteuren) gefangen sind, aus der sich keine Seite leicht befreien kann.
Verschiebung in den Investitionen
Während der schwachen Erholung seit 2001 begann der private Kapitalinvestitionszufluss in die USA zu versiegen. Bis vor kurzem bot der Zufluss der Portfolio-Investitionen (in Aktien, Firmenanleihen, Regierungsanleihen) einen Puffer beziehungsweise einen Überschuss der Portfolio-Investitionen über das Handelsbilanzdefizit. Aber die gehen zurück. Im ersten Quartal 2004 war der monatliche Durchschnitt 36 Milliarden Dollar, im dritten Quartal nur 8,7 Milliarden Dollar pro Monat.
Reiche ausländische Investoren kaufen nicht länger Aktien wie in den neunziger Jahren, als sie durch die Aussicht auf die Superprofite in den USA angezogen wurden. Auf dem Höhepunkt kauften Ausländer Aktien im Wert von 14,6 Milliarden Dollar pro Monat. Bis 2003 kauften sie nur für 5,7 Milliarden Dollar im Monat, während der Durchschnitt für 2004 (erste sieben Monate) bloße 0,6 Milliarden Dollar sind.
Gleichzeitig gingen ausländische Direktinvestitionen (FDI), die weitgehend mit der Gründung oder dem Kauf von Firmen verbunden sind, seit dem Ende des Übernahmebooms (Fusions- und Aufkaufbooms) der neunziger Jahre zurück. Tatsächlich gingen mehr FDI aus den USA hinaus als hinein (das drückte den Investitionsboom in China und anderswo aus), was zu einer negativen Bilanz von 134 Milliarden Dollar 2003 (im Unterschied zu einer positiven Bilanz von 160 Milliarden Dollar 2000) führte. Zwischen Ende 2003 und Anfang 2004 machte das FDI-Defizit (das in der US-Kapitalbilanz erscheint) den kleinen Überschuss der Portfolioinvestitionen mehr als wett, mit dem Ergebnis, dass das Zahlungsbilanzdefizit nicht durch den Kapitalzufluss gedeckt wurde. Wenn man obendrein Kapital- und Zahlungsbilanz zusammennimmt, bezahlten die USA schlicht und einfach ihre Rechnungen nicht. Es scheint, dass diese Zahlungsbilanzlücke durch „Reservevermögenswerte“, Banktransfers und kreative Buchführung (sogenannte „Bilanzposten“) gedeckt wurde. Wenn diese Lage in irgendeinem anderen Land aufträte würden IWF und Wall Street über Zahlungsunfähigkeit und die Gefahr, dass die Schuldnernation ihre internationalen Schulden nicht mehr bedienen kann, schreien. Aber selbst im Fall der USA, die durch ihre Macht und eine Verschwörung des Schweigens gedeckt werden, muss bald etwas geschehen.
Der Kapitalzufluss in die USA hat sich verlagert von reichen Privat-/Konzerninvestoren zu den Zentralbanken von China, Japan und anderen südostasiatischen Wirtschaften, die in massivem Umfang US-Regierungsanleihen kauften. Zwischen September 2003 und Juli 2004, machten Zentralbankkäufe von US-Schatzanleihen 35 Prozent des Nettozuflusses in Dollar aus. Dies war doppelt so hoch wie der langfristige Trend, und das viereinhalbfache ihres 7,5-prozentigen zwischen den Jahren 2000 und 2003. Den letzten vergleichbaren Anstieg von Käufen von US-Regierungsanleihen durch Zentralbanken gab es in den Monaten vor dem Börsenkrach vom Oktober 1987.
Als ein Ergebnis ihrer Käufe von Dollar-Vermögenswerten (US-Regierungsanleihen) halten die asiatischen Zentralbanken gegenwärtig etwa 2,2 Billionen Dollar (80 Prozent der Weltdevisenreserven — 70 Prozent der Weltreserven sind in Dollar, obwohl die USA nur 30 Prozent der Weltwirtschaft bilden). Japan hat jetzt Devisenreserven von 825 Milliarden Dollar, China von 480 Milliarden Dollar.
Warum haben die Regierungen von Japan und China Dollaranleihen in so riesigem Umfang gekauft? In beiden Fällen hängt ihr Wirtschaftswachstum entscheidend von Exporten ab, vor allem in den riesigen US-Markt. Die Binnennachfrage in Japan hat seit mehr als einem Jahrzehnt praktisch stagniert, während in China riesige Reichtumsungleichheiten, weitverbreitete Armut und niedrige Löhne ein massives Hindernis für das Wachstum seines Binnenmarktes sind. Das US-Handelsbilanzdefizit als Ausdruck der US-Abhängigkeit von Importgütern ist unverzichtbar für Chinas Exporte. Dasselbe gilt für andere industrielle oder halbindustrielle südostasiatische Länder.
Der fallende Dollar
Der US-Dollar ist weiterhin die Haupthandelswährung der Welt und spielt eine entscheidende Rolle in den Beziehungen zwischen dem US-Markt und den südostasiatischen Produzenten. Der starke Dollar der neunziger Jahre erlaubte US-Verbrauchern praktisch, Importgüter verhältnismäßig billig zu kaufen und gab südostasiatischen Produzenten einen Wettbewerbsvorteil auf dem US-Markt. Diese Lage führte zum US-Handelsbilanzdefizit, weil US-Importe viel schneller wuchsen als US-Exporte. Normerweise würde ein Zahlungsbilanzdefizit (Handel in Waren und Dienstleistungen plus Flüsse von Profiten, Zinsen etc.) auf die Dauer dazu führen, dass die Währung eines Landes fällt, um das Ungleichgewicht auszugleichen. Der Dollar aber wurde trotz des Defizits, durch den riesigen Kapitalzufluss aus dem Ausland hochgetrieben. Reiche Investoren waren international begierig, ein Stück vom Profitkuchen abzubekommen, der in den USA während des Boom der späten neunziger Jahre verfügbar war. Der Dollar fiel zwar seit 2001 (25 Prozent gegenüber einem breiten Währungskorb), bleibt aber überbewertet, wie das fortgesetzte Zahlungsbilanzdefizit bezeugt. Der Dollar wird immer noch unterstützt durch einen Zufluss an Kapital, aber der Zufluss kommt immer mehr von asiatischen Zentralbanken statt von privaten Investoren. An einem bestimmten Punkt wird verlangsamtes US-Wachstum und die Furcht vor einem beschleunigten Fall im Dollar zu einer Flucht aus Dollarwerten durch private Investoren und zum allermindesten einem verringerten Zufluss von den asiatischen Zentralbanken führen.
Ein Fall des Dollars (der asiatische Waren in den USA teurer macht) wäre begleitet (da Gelder aus Dollarwerten in asiatische Vermögenswerte fließen würden) von einem Anstieg der asiatischen Währungen (was ihre Waren überall teurer machen würde). Obendrein wäre der Markt für Asiens Exporte verheerend beschränkt, wenn das US-Handelsbilanzdefizit drastisch verringert oder beseitigt würde. Deshalb ist es im wirtschaftlichen Interesse von Japan, China etc., den Dollar zu unterstützen (durch den Kauf von Dollarwerten) und die Aufwertung ihrer eigenen Währungen zu verhindern. Ihre Handelsbilanzüberschüsse mit den USA über einen längeren Zeitraum ermöglichten ihnen, die Ressourcen aufzuhäufen, um riesige Dollarreserven zu kaufen. Praktisch ist ihr Kauf von US-Regierungsanleihen ein Recycling ihrer Handelsbilanzüberschüsse, damit die Beziehung US-Nachfrage zu asiatischem Angebot weitergehen kann.
Aber diese Beziehung nähert sich jetzt dem Bruchpunkt. Die USA können das Wachstum ihres Zahlungsbilanzdefizits nicht aufrechterhalten und hoffen auf einen langsamen, kontrollierten Rückgang des Dollars. Unter Bush hat die US-Regierung eine Politik der „vornehmen Zurückhaltung“, stillschweigender Unterstützung für einen schrittweisen Fall des Dollars betrieben. Wenn sie sich offen für einen schwächeren Dollar aussprechen würden, könnte das selbst einen tieferen Fall auslösen. Trotz des 25-prozentigen Falls des Dollars (gegenüber einem breiten Währungskorb) während der letzten zweieinhalb Jahre ist aber das US-Zahlungsbilanzdefizit um fünfzig Prozent gestiegen. Das liegt daran, dass es keine nennenswerte Abwertung des Dollars gegen die Währungen der Länder gab, die die größten Handelsbilanzüberschüsse mit den USA haben. Die Top Ten unter den US-Handelsbilanzdefiziten sind mit Ländern, deren Währungen faktisch an den US-Dollar gekoppelt sind (zusammen machen sie vierzig Prozent des gesamten Zahlungsbilanzdefizits der USA aus). Die meisten dieser Handelspartner erzeugen mehr als die Hälfte ihres BIP-Wachstums durch Exporte, vor allem in die USA.
Dollarzone Asien
Praktisch bildet Südostasien eine Dollarzone, die zusammen mit den USA jetzt über die Hälfte des Welt-BIP ausmacht. China ist die vorherrschende Wirtschaft in dieser Zone und hat seit langem seine Währung, den Renminbi (RMB oder Yuan) an den Dollar gekoppelt. Wenn also der Dollar fällt, fällt der RMB auch – so gibt es keine Korrektur beim US-Handelsbilanzdefizit. Hong Kong und Malaysia haben auch eine offizielle Anbindung an den Dollar, während Japan, Indien, Südkorea, Taiwan, Thailand, Indonesien, Singapur und Russland alle einer Politik der engen Anlehnung an den Dollar folgen.
China hat sich seit langem dem Druck widersetzt, den RMB aufzuwerten, was den Wettbewerbsvorteil seiner Exporte teilweise untergraben würde. Jüngst hat die chinesische Regierung versprochen, über eine Neubewertung nachzudenken, wenn die Zeit reif ist. Sie fürchten aber, dass eine Neubewertung das Wachstum von Chinas Exporten verringern würde, was eine Verringerung der Wachstumsrate bedeuten würde. Gleichzeitig zögern andere asiatische Exporteure sehr, ihre Währungen einseitig neu zu bewerten, weil sie noch mehr an die billigen chinesischen Exporte verlieren würden.
Eine der Nebenwirkungen der Bildung dieser neuen Dollarzone ist, dass „heißes Geld“ aus Dollarwerten (wegen der Abwärtsbewegung des Dollars) abgezogen wurde und in den Euro floss, der einzigen größeren Währung, die groß genug ist, große Kapitalzuflüsse aufzunehmen. Dies hat den Euro gegen den Dollar und andere Währungen steigen lassen und die Exporte der Eurozone auf den Weltmärkten teurer gemacht. Dies ist ein Hauptfaktor bei dem niedrigen Niveau des Wirtschaftswachstum der Wirtschaften der Eurozone.
Manche Kommentatoren sind ewig optimistisch und haben die neue Dollarzone als ein „Bretton Woods II“ gepriesen, einen Ersatz für das verhältnismäßig stabile Weltwährungssystem, das es während des Nachkriegsaufschwungs gab. Wie immer haben manche in dieser Beziehung ein „neues Paradigma“ entdeckt, obwohl diese doch einen vorübergehenden Charakter hat. Die Idee, dass sie einen ständigen, stabilen Rahmen für einen größeren Teil des Welthandels darstellen kann, ist absurd. Realistischere Kommentatoren anerkennen, dass diese Dollarzone durch widersprüchliche Kräfte auseinandergerissen werden wird. Brian Redding von Lombard Street Research kommentiert: „Dieser neue Dollarraum muss wie Bretton Woods in Tränen enden. Der synchronisierte Boom, der ihn geschaffen hat, kann nicht weitergehen. Es kann keine weiche Landung für die USA oder China geben. Amerikaner sparen ganz einfach zu wenig und müssen mehr sparen, was heißt, dass Nachfrage und Einkommen schrumpfen müssen. Die Chinesen investieren zu viel und müssen weniger investieren, was heißt, dass Nachfrage und Einkommen schrumpfen werden. Dies ist das Rezept für einen synchronisierten Abschwung”. (There Can Be No Soft Landing, Guardian, 20.09.2004)
Druck auf die US-asiatische Verbindung
Die Erschütterungen, die einen Zusammenbruch der US-asiatischen Verbindung auslösen werden, können aus mehreren Richtungen kommen. Ein Anstieg der US-Zinsen (möglicherweise ein sehr schneller Anstieg auf einen Leitzins von etwa fünf oder sechs Prozent) würde die US-Immobilienblase und den Verbraucherboom platzen lassen, die US-Nachfrage nach Importen verringern. Es würde auch die USA als billige Quelle für internationalen Kredit entfernen, und die US- und internationalen Investitionen in China und anderswo verringern. Höhere Zinsen würden auch das bestehende Niveau der US-Bundesschulden nicht durchhaltbar machen. Das Gespenst eines Inflationstrends zur Entwertung der US-Schuldenlast (welche die Anpassung den Gläubigern aufhalst) würde entstehen. Internationale aufkommende Ängste vor einem Sturz des Dollars und einer sich beschleunigenden Inflation in den USA würden an einem bestimmten Punkt eine massive Flucht aus dem Dollar auslösen. Dies hat unter privaten kapitalistischen Investoren, Banken und Institutionen etc. in gewissem Umfang schon begonnen. Aber die asiatischen Zentralbanken, die in jüngster Zeit massive Dollarreserven aufgehäuft haben, stünden vor einer klaren Entscheidung: ihre Dollarwerte verkaufen oder eine riesige Abwertung der Vermögenswerte erleiden, wenn der Dollar sinkt. Obendrein würden sie angesichts von Wirtschaftskrisen im eigenen Land auf ihre Devisenreserven zur Stabilisierung ihrer eigenen Wirtschaften zurückgreifen müssen. Bei einem Abzug von Mitteln aus den USA durch die Zentralbanken im großen Stil wären die Zwillingsdefizite (Zahlungsbilanz und Bundeshaushalt) absolut nicht durchzuhalten. Die USA müssten entweder öffentliche Ausgaben zusammenstreichen, Steuern erhöhen und Verbraucherausgaben (durch weitere Zinserhöhungen) senken oder Geld drucken, um die Ausgaben zu decken, was zu beschleunigter Inflation führen würde.
Auf der anderen Seite kann die US-asiatische Verbindung durch einen Abschwung in China und seinen Nachbarn gebrochen werden. Die massive Investitionsblase, die durch den Zufluss von Investitionen und massive Kredite durch Staatsbanken angeheizt wird, hat ebenso wie die jüngere Immobilienblase in den Küstenstädten klar ihre Grenzen erreicht. Seit einiger Zeit hat jetzt die chinesische Regierung versucht, das Wachstum durch administrative Kreditbeschränkung zu verlangsamen, aber mit wenig Erfolg. Jetzt hat sie zögerlich versucht, „marktgestützte“ Mittel zu verwenden, nämlich Zinserhöhungen zur Begrenzung der Kredite und Abkühlung des Wachstums. Aber dies ist vielleicht keine ausreichende Maßnahme, die auch noch zu spät kommt. Um das Wachstum und die Inflation, besonders bei Rohstoff- und Energiepreisen, wirksam zu begrenzen, hätte man die Zinsen viel mehr erhöhen müssen. Natürlich hofft das chinesische Regime auf eine weiche Landung. Nach so einem rasenden Industrie- und Immobilienboom wird es aber sehr schwierig sein, eine sanfte Verlangsamung zu erreichen, besonders angesichts der internationalen Faktoren. Eine ernste Wachstumsverlangsamung in China erscheint unvermeidlich, die einzige Frage ist der Zeitpunkt und das Ausmaß.
Ein Abschwung in China würde Japans kürzliche, begrenzte Erholung durchkreuzen, die hauptsächlich auf seinen Exporten nach China beruhte. Das selbe gilt für andere südostasiatische Wirtschaften.
Wachsende Instabilität
Der jüngste schnelle Preisanstieg bei Erdöl und anderen wichtigen Massenwaren (z. B. Stahl), bei der erhöhte Nach-frage aus China ein großer Faktor war, wird das Wachstum in China und der Weltwirtschaft begrenzen und die Weltnachfrage nach asiatischen Exporten verringern. In einer Periode von robustem Wachstum könnte der Weltkapitalismus die gegenwärtige Ölpreiserhöhung abfedern. In ihrem gegenwärtigen Zustand macht aber eine ganze Reihe von Problemen die Weltwirtschaft durch einen neuen Öl“schock“ verwundbar.
Erhöhte Spekulation auf den Weltfinanzmärkten, immer ein Symptom der herannahenden Krise, verschärft die globale Instabilität. Die Spekulationstätigkeit nahm seit 2001 zu. Da Profite aus Aktien und Anleihen zurückgingen, betätigten sich Banken, Hedgefonds vorneweg, mit hochriskanter Spekulationstätigkeit auf Devisen- und Derivat-Märkten. Die Zahl der Hedgefonds hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt (auf jetzt ca. 8.000) und sie kontrollieren Fonds im Wert von etwa einer Billion Dollar. Diese geheimen, nicht regulierten Clubs der reichen Spekulanten machen nur etwa vier bis sechs Prozent der Investitionsfonds international aus. Aber wegen ihrer aktiven, hochriskanten Strategien haben sie eine unverhältnismäßig große Wirkung auf die Weltfinanzmärkte. 1998 drohte die Zahlungsunfähigkeit des US-Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM), das Weltfinanzsystem zum Einsturz zu bringen. Dies wurde nur verhindert, indem die US-Bundesbank ein Bankenkonsortium organisierte, um LTCM zu retten. Hedgefond-Investition beruht auf riesigen Krediten (insgesamt zwischen 1,5 und zwei Billionen Dollar). Derivatehandel hat sich seit 2001 verdoppelt (jetzt etwa 1,2 Billionen Dollar pro Tag), während der Welthandel um etwa ein Drittel in der selben Zeit wuchs. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ist der Handel auf den Weltdevisenmärkten jetzt auf den Rekord von 1,9 Billionen Dollar pro Tag angestiegen. Diese Tätigkeit soll angeblich Risiken „streuen“, aber sie ist eine der größten Quellen der Instabilität auf den Weltfinanzmärkten. Ein scharfer Fall im Dollar oder ein plötzliches Ende beim Investitionsboom in China könnte neue LTCM-artige Krisen in noch größerem Maßstab als 1998 hervorrufen.
Ein Abschwung in den USA und China würde einen Weltabschwung bedeuten. Die schwächliche Wachstumsrate in der Eurozone wäre Vergangenheit. Die Mehrheit der unterentwickelten Länder, die von der begrenzten Erholung in den USA und Asien in den letzten paar Jahren keinen Nutzen hatten, würde erneut in eine schreckliche wirtschaftliche, soziale und politische Krise gestürzt werden.
Während seiner ersten Amtszeit schaffte es Bush, die drohende Wirtschaftskrise in den USA zu verzögern. Greenspan und die US-Bundesbank machten bei dieser Politik völlig mit und schoben Probleme wie die Immobilienblase und den Schuldenberg beiseite. Greenspan hielt einen Leitzins von fast Null so lange wie möglich bis zur Wahl im November aufrecht. Dies ließ die neue Schuldenblase zu noch größeren Ausmaßen anwachsen. So besteht jetzt die Möglichkeit einer massiven „Korrektur“ in den nächsten paar Monaten. Teile der herrschenden Klasse der USA glauben, dass das Niedrigsteuer-, Billigkredit-Nirwana ewig dauern wird. Unter Bushs schicksalsgläubiger Wirtschaftspolitik werde die wirtschaftliche Erlösung für den US-Kapitalismus durch einen neuen Schub von hohem Wachstum vergleichbar mit 1995-2000 kommen, der durch weitere Steuerkürzungen für Konzerne und die Superreichen angeheizt wird. Aber ernsthafte bürgerliche Strategen fürchten, dass sie einen hohen Preis für Bushs unverantwortliche Politik zahlen werden. Es ist vor allem die Arbeiterklasse der USA und international, die unter den verheerenden Folgen eines US-Abschwungs leiden wird. Bush schaffte es, die herannahende Krise zu vermeiden und eine zweite Amtszeit zu gewinnen. Durch die Ausbeutung von Unsicherheitsgefühlen und Appellen an „moralische Werte“ konnte Bush die Aufmerksamkeit von wirtschaftlichen und sozialen Problemen bei einer Schicht der WählerInnen ablenken, die gerade groß genug war, um das Stimmergebnis zu seinen Gunsten zu verschieben. Aber das „politische Kapital“, das Bush während der Wahl angeblich gewonnen hat, wird nicht die Entfaltung der Widersprüche im US- und Weltkapitalismus verhindern. Der genaue Verlauf der Krise und ihr Zeitpunkt kann nicht exakt vorhergesagt werden. Aber Bush und andere Führer des Weltkapitalismus stehen vor einer äußerst turbulenten Periode. Bush hat die Wiederwahl gewonnen und ist auf dem Gipfelpunkt der Achterbahn angelangt. Er wird eine tiefe Talfahrt, Loopings und andere Erschütterungen erleben.
Übersetzung: Wolfram Klein und Rebecca Göhrt (SAV)