Mi 01.09.2004
“Der IV. Hartzinfarkt ist tödlich“oder “Rambo I, Rocky II, Terminator III, Hartz IV – Gegen Gewalt!“ steht auf den Plakaten der MontagsdemonstrantInnen geschrieben. Seit Anfang August gehen jeden Montag Zehntausende Menschen gegen “Hartz IV” besonders in Ostdeutschland auf die Straße. Hartz IV steht für die die restlose Streichung der Arbeitslosenhilfe. Menschen, die ab dem 1.1.2005 arbeitslos werden, erhalten nur noch für ein Jahr Arbeitslosengeld und anschließend entweder gar keine Leistungen mehr oder das Arbeitslosengeld II. Das bedeutet für zwei Millionen Menschen massive Einschnitte in ihre soziale Absicherung, ihre Lebensgewohnheiten und ihre Würde. Das Arbeitslosengeld II beträgt in Westdeutschland 345 und in Ostdeutschland 331 Euro. 565.000 Menschen, die bisher Arbeitslosenhilfe erhalten haben, bekommen ab Januar keinen einzigen Cent mehr. Hartz IV macht dadurch viele Frauen von ihren Ehemännern ökonomisch abhängig.
Brechstange zur Lohnsenkung
Doch Hartz IV treibt nicht nur Hunderttausende von Erwerbslosen in die Armut. Hartz IV ist auch die Brechstange, um Löhne auf breiter Front zu senken. Die EmpfängerInnen des Arbeitslosengelds II werden gezwungen, jede “zumutbare Arbeit” anzunehmen. Zumutbar sind Ein- bis Zwei-Euro-Jobs oder auch Jobs, die bis zu 30 % unter Tariflohn bezahlt werden. Das passt zur Strategie der Arbeitgeber und der Regierung: Auf breiter Front sollen Arbeitszeiten verlängert und Löhne gekürzt werden. Nachdem die Beschäftigten von Daimler-Chrysler und Siemens mit horrenden Kürzungspaketen erpresst wurden, geht VW-Personalchef Hartz (der auch für Hartz IV verantwortlich ist) jetzt auch bei VW zum Angriff über und fordert die Absenkung der Personalkosten um 30 Prozent.
Doch während bei Beschäftigten und Erwerbslosen durch Hartz IV, Agenda 2010 und Lohnraub Milliarden geklaut werden, bekommt ein Einkommensmillionär durch die deutsche Steuerreform jährlich 108.000 Euro geschenkt. Gegen diese offensichtliche Ungerechtigkeit hat sich eine - in erster Linie ostdeutsche - Massenbewegung entwickelt. Die Stimmung ist kämpferisch und explosiv. Neben Erwerbslosen demonstrieren auch Beschäftigte, die Angst haben, dass es ihnen bald genauso ergeht.
Wie kann Hartz IV gestoppt werden?
Die Montagsdemonstrationen sind ein großartiger Anfang, um die Wut der Menschen auf die Straße zu tragen und den Betroffenen das Gefühl zu geben, sich gemeinsam wehren zu können. Doch Demonstrationen werden nicht ausreichen, um das Gesetz oder gar die Regierung zu Fall zu bringen. Hartz IV ist ein zentrales Projekt der Banken und Konzerne und ihrer Regierung und soll die Kosten der wirtschaftlichen Krise (wie die Massenarbeitslosigkleit), in der sich der Kapitalismus befindet, auf die Erwerbslosen und Beschäftigten abwälzen. Deshalb wird die Regierung Hartz IV nicht aufgeben, ohne von einer politisch starken Massenbewegung herausgefordert zu werden. So waren die bisherigen Gesetzesänderungen nur kosmetisch und sollten dazu dienen, die Bewegung abzuwürgen.
Für einen eintägigen Generalstreik
Nötig sind deshalb Streiks bis hin zu einem bundesweiten eintägigen Generalstreik von Beschäftigten und Erwerbslosen. Organisiert werden könnte das aber nur durch die Gewerkschaften. Diese nutzen jedoch aus Rücksicht auf ihre Parteifreunde in der Regierung ihr Mobilisierungspotential und ihre Kampfkraft nicht, um die Proteste auszuweiten und in die Betriebe zu tragen. Statt offensiv zu mobilisieren und sich ggf. Nazis auf den Demos in den Weg zu stellen, legt DGB-Chef Sommer den Menschen nahe, im Zweifelsfall (= wenn Nazis auf den Demos auftreten sollten) zu Hause zu bleiben. Die Herrschenden können so die Präsenz von Nazis auf den Demos nutzen, um die Proteste zu diskreditieren. Aufgrund der Stillhaltepolitik der Gewerkschaftsführung setzt sich die SAV, deutsche Schwesterpartei der SLP, dafür ein, dass Streiks auf örtlicher und regionaler Ebene die Gewerkschaftsführung zum Handeln zu zwingen. Doch die Bewegung muss auch politische Antworten auf Hartz IV, Lohnraub und die gesamte kapitalistische Krise geben. Forderungen wie drastische Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich und ein öffentliches milliardenschweres Investitionsprogramm sind nötig, um Arbeitsplätze zu schaffen. Die SAV spricht sich dafür aus, dass dies durch die Profite der Banken und Konzerne finanziert wird.