Der grüne Selbstmord

Überraschung: Inhaltslose PR-Kampagnen und moralische Appelle kosten die Grünen Stimmen
Philipp Chmel

Die Grünen sind in der Krise und nicht im Parlament. Vor knapp einem Jahr waren sie noch mit Van der Bellen die “Rettung der österreichischen Demokratie”, nun schafften sie nicht einmal den Einzug in den Nationalrat.

Als Erklärung reicht das Argument der Partei-Spaltung (Liste Pilz & Junge Grüne) bei weitem nicht aus. Die Grünen hätten selbst mit der Liste Pilz 4,2% weniger als bei den Nationalratswahlen 2013 oder in Umfragen vom Dezember 2016 erreicht.

Sigrid Maurer, Abgeordnete und Wissenschaftssprecherin der Grünen, trifft mit ihrem Kommentar im Standard den Nagel ausnahmsweise mal auf den Kopf. Sie spricht u.a. von “inhaltlicher Leere”, “abgeschotteter Führungsspitze” und “Profilverlust”.

Die früher rebellischen Grünen verabschiedeten sich konsequent von ihren eigenen Grundsätzen: Basisdemokratie & Solidarität sind bloß mehr Worthülsen. Als ökologische und moralische Variante des neoliberalen “Weiter so” sind sie eine Partei für den hippen, jungen Mittelstand - bloß nicht anecken, Sicherheit durch Status quo.

Als einzige Existenzberechtigung der Grünen bleibt ihr Fokus auf den Klimawandel. Aber für was stehen sie hier? Die Grünen versuchen die Klimakrise im Rahmen des Kapitalismus zu lösen - grünes Wachstum, Ökostrom und Fahrradwege. Das funktioniert nicht. Unser Wirtschaftssystem stellt im Zweifelsfall Profite über alles, das schließt die Umwelt mit ein. An dieser Logik werden und wollen die handzahmen Grünen nichts ändern. Bezeichnend dafür sind die Debatte um die 3. Piste in Schwechat und der Diesel-Skandal in Deutschland, die Politik steht für die Interessen der Wirtschaft ein.

Die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels, die auch jetzt schon in Österreich spürbar sind, werden weiter zunehmen und erfordern radikale Veränderungen. Bewegungen wie “System Change, not Climate Change!” sind ein guter Ansatz. Es ist nötig, die Ursachen des Klimawandels nicht an individuellen Handlungen fest zu machen sondern auf gesellschaftlicher Ebene anzusetzen. Wir brauchen eine antikapitalistische Umweltbewegung.

 

Grüne Kürzungspolitik

In Tirol kürzen die Grünen in der Regierung (u.a. mit Ingrid Felipe) die Mindestsicherung, betroffen sind mehr als 1.000 Familien. Bei den Ärmsten sparen klingt nicht nach Solidarität, sondern nach Machthunger. Sie reden von notwendigem Kompromiss. Es werden fünf Millionen eingespart - aber gleichzeitig 25 Millionen für Olympiabewerbung und 5,1 Millionen fürs Kaiser- Maximilian-Gedenkjahr bereitgestellt. 

In Vorarlberg wurde unter schwarz-grün die Mindestsicherung um bis zu 20 % gekürzt. Kinderreiche Familien bekommen zum Teil plötzlich 500 € weniger. Die Wohnbeihilfe wird, bei einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 12 €, mit 7 € angesetzt, Geld soll zum Teil durch Sachleistungen ersetzt werden. Menschenwürdiges Leben ist so nicht möglich. In Wiener Neustadt kürzen die Grünen gemeinsam mit FPÖ&ÖVP.

Heumarkt: Die grüne Parteibasis stimmte gegen den Bau des Luxus-Hochhauses am Heumarkt. Vize-Bürgermeisterin Vassilakou muss aber den Koalitionsvertrag erfüllen und pochte auf das “freie” Mandat der Gemeinderäte, die dem Projekt am 1. Juni zustimmten. Gegen einen dieser Gemeinderäte, Christoph Chorherr, stehen nun Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Heumarkt-Projekt im Raum. 

Spitalsreform: In Wien sind die Grünen durch die Spitalsreform für die Schließung von fünf der 12 Gemeindekrankenhäuser verantwortlich, auch werden nicht mehr alle Leistungen überall angeboten. Diese “Spezialisierung” bedeutet längere Wege für viele PatientInnen. Schon jetzt gibt es Gangbetten, überarbeitetes Pflegepersonal und lange Wartezeiten auf Untersuchungen und Operationen. Die „Reform“ verschlechtert das noch.

 

 

 

 

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