Di 07.06.2016
Am 3. und 4. Juni hat in Wien die erste Konferenz von Aufbruch getagt. Gekommen sind rund 1.000 Personen: das mit Abstand größte linke Treffen hierzulande seit langem. Ein großer Erfolg für ein Projekt, hinter dem keine Organisation, keine GeldgeberInnen, kaum eine Struktur steht. Eine große Leistung, so etwas logistisch über die Bühne zu bekommen. Die SLP war mit Mitgliedern aus allen Bundesländern, in denen wir aktiv sind, vertreten – aus Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und der Steiermark. Wir haben uns an der Bewerbung und im Rahmen der Möglichkeiten auch an der Vorbereitung und Durchführung beteiligt. SLP-Mitglieder haben unzählige Diskussionen mit TeilnehmerInnen geführt und wir haben in einer speziellen Sondernummer Punkte eingebracht, die wir für zentral halten. Denn für die SLP ist seit langem klar: wir unterstützen jeden Schritt, der in die Richtung einer Neuformierung der Linken gehen kann.
Seit der völligen Verbürgerlichung der SPÖ steht die ArbeiterInnenklasse in Österreich ohne eine politische Vertretung da. Die Reichen und Unternehmen haben viele Parteien, die ArbeiterInnenklasse keine. Eine Partei von und für ArbeiterInnen, Jugendliche, Arbeitslose, PensionistInnen... ist dringend nötig. Denn die Krise des Kapitalismus führt zu Kürzungen, Arbeitslosigkeit und Armut und einzig die FPÖ scheint vielen die Antwort auf diese Probleme zu sein (auch wenn sie das genaue Gegenteil ist!). Dringend braucht es daher eine Organisation, die die Wut und den Wunsch nach Veränderung vereint, soziale Bewegungen und Klassenkämpfe gegen Betriebsschließungen und Sozialabbau bündelt, unterstützt und organisiert und auch bereit ist, auf der Wahlebene eine Alternative anzubieten. Dass Aufbruch das mit dieser Konferenz nicht ist, war von Anfang an klar. Doch könnte das Projekt ein Schritt in Richtung einer Linkspartei sein?
Die Entwicklung einer starken linken neue Formation benötigt mehrere Faktoren: die Einsicht in die Notwendigkeit, den Wunsch und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Notwendigkeit ist offensichtlich. Der Wunsch hat sich in der starken Teilnahme bei der Aufbruch-Konferenz (und den vielen weiteren Menschen, die an lokalen Treffen bereits teilgenommen haben) deutlich gezeigt. Doch was fehlt ist ein politisches Umfeld von Klassenkämpfen und starken sozialen Bewegungen, die ein solches Projekt beeinflussen und formen. Soziale Bewegungen und Klassenkämpfe können Programm und Methode in der Praxis erproben. Eine linke Bewegungen muss aktiv und konkret reagieren, d.h. sie muss sich – um zu wachsen und zu verankern - an die kämpferischsten Teile der Bevölkerung richten.
Auch das hat sich bei der Aufbruch-Konferenz gezeigt: die TeilnehmerInnen waren zu einem sehr großen Teil Menschen, die früher oder auch jetzt noch irgendwie zu „der Linken“ gehören. Darunter nicht nur (Ex-)Mitglieder von verschiedenen Organisationen, sondern auch Mitglieder und FunktionärInnen aus den Jugendorganisationen von SPÖ und Grünen. GewerkschafterInnen haben – zumindest sichtbar – weitgehend gefehlt. Bei den Anwesenden (nicht zuletzt zwei BetriebsrätInnen der SLP wie auch AktivistInnen von Care Revolution Wien) wäre ein stärkeres „Sichtbar machen“ dieser TeilnehmerInnen wohl ein zusätzlich Bekenntniss gewesen. Denn: die Reden der AktivistInnen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich, die sehr konkret über die Probleme, die Stimmung aber auch die Notwendigkeit für Kämpfe berichtet haben gehörten zu den Besten.
Das Publikum war nicht homogen: neben den bereits erwähnten Beschäftigten aus dem Gesundheits- und Sozialbereich nahmen auch IndustriearbeiterInnen und BäuerInnen teil. Wien war überrepräsentiert, aber es waren BesucherInnen aus allen Bundesländern da.
Es ist gelungen, bei vielen eine „Aufbruchstimmung“ zu erzeugen und den Wunsch, gemeinsam etwas zu tun, zu wecken. Über 25 Bezirks- und Regionalgruppen haben sich gegründet und nächste Treffen, teilweise auch Aktionen geplant. Kritisch muss aber auch angemerkt werden, dass es wenig konkrete Ergebnisse gibt bezüglich der vorgestellten „Organisierungs“-Kampagne. So entstand für manche TeilnehmerInnen das Gefühl, mit weitgehend leeren Händen nach Hause zu fahren. Es wurde viel Raum fürs Kennenlernen gegeben, aber wenig inhaltlich gearbeitet. Die vielen Erfahrungen, die AktivistInnen aus der Flüchtlingsbewegung und den Gewerkschaften haben, wären eine wichtige Bereicherung gewesen, da sie helfen, konkrete Ideen für Aktionen und Kämpfe zu sammeln und letztendlich auch umzusetzen. Es wurde viel darüber geredet wie diskutiert und agiert werden soll, aber es gibt wenig Beschlüsse über konkrete Aktionen.
Der Wunsch, nicht über die TeilnehmerInnen „drüber zu fahren“ ist gut und verständlich, doch wären mehr konkrete Ansätze wichtig gewesen, um mit der Arbeit los starten zu können: einige Forderungen, eine Großdemonstration zu der man mobilisieren kann, ein Musterflyer um „raus gehen“ zu können. Der Slogan „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“ wurde fixiert. Ein sehr guter Slogan rund um den es dringend in den nächsten Tagen (und nicht erst Wochen oder Monaten) Material, kleinere Aktionen und die Mobilisierung zu einer baldigen Großaktion braucht.
Viele politische Punkte kamen immer wieder und es ist verständlich, dass diese nicht „ausdiskutiert“ werden konnten (z.B. die Frage des Wahlantritts). Hier wird es in den kommenden Wochen und Monaten wichtig sein, die Diskussionen rund um die zentralen Punkte zu organisieren und mit Aktivitäten zu verbinden. Knackpunkte sind hier die von der KPÖ eingebrachte Aktionsform des Volksbegehrens (zum Thema Wohnen), die Organisierung einer Großdemonstration, die Frage des Antretens bei Wahlen und die Frage demokratischer Strukturen. Relativ bald soll eine Koordination aus Delegierten der verschiedenen Gruppen entstehen, bis dahin wurde eine Übergangskoordination präsentiert. Da diese nicht gewählt wurde ist hier besonders starke Transparenz nötig. Ein Aktivist der SLP ist in dieser Übergangskoordination – er setzt sich für größtmögliche Rechenschaft und Information ein.
Als Reaktion auf die Schwäche der Linken und dem Wunsch, diese (Grabenkämpfe) zu überwinden wird viel Wert auf kennenlernen und gemeinsames Agieren gelegt. Niemand soll zurück gelassen werden, ein weitgehender Konsens wird angestrebt. Das gemeinsame Agieren z.B. gegen die neofaschistischen Identitären oder die Kürzungspolitik sind extrem wichtig. Gemeinsam sind wir stärker. Dennoch sind Debatten über das „warum“ und „wie“ sehr wichtig, um erfolgreich Kämpfe führen zu können. Wir wollen nicht nur aufzeigen, was schlecht ist, sondern Kämpfe gegen Spitalsschließungen, für einen Mindestlohn oder gegen Obergrenzen führen und gewinnen. Dafür brauchen wir inhaltliche und strategische Debatten, diese werden auch kontrovers geführt werden. Der Wunsch nach Konsens ist verständlich doch darf er nicht zu einem kleinsten gemeinsamen Nenner werden der so minimal ist, dass er nichts mehr bewegt. Die Qualität und Beständigkeit des Projektes wird sich darin zeigen, wie wir auf die existierenden und kommenden Bewegungen und Klassenkämpfe reagieren, ob wir Teil davon sind oder am Rand stehen, ob wir Vorschläge bezüglich Programm und Strategie machen die erfolgreich sind, oder ob wir nur im Nachhinein kommentieren. Eine wichtige Frage wird auch sein, wie sich Aufbruch bei kommenden Wahlen positioniert. Auch hier gibt es – was angesichts der bunten Zusammensetzung der TeilnehmerInnen der Konferenz logisch ist – sehr unterschiedliche Vorstellungen: Manche sind Teil von Parteien die kandidieren und haben eher kein Interesse an einer „Konkurrenz“, andere wie die SLPlerInnen treten auch für einen Wahlantritt von Aufbruch ein. Viele haben sich in ihren Beiträgen positiv auch für eine solche Wahlalternative ausgesprochen. Eine solche ist dann sinnvoll, wenn sie Ergebnis und Teil der Gesamtarbeit von Aufbruch ist.
Die Konferenz war ein starkes Zeichen. Wie sich das Projekt nun weiter entwickelt ist noch offen. Es kann zu einem Ansatzpunkt für eine neue linke Formation werden die so dringend nötig ist, für die kommenden Kämpfe und auch für kommende Wahlen, bei denen es sonst keine relevante linke Alternative auf dem Stimmzettel geben könnte. Jede Kampagne hat das Ziel, neue AktivistInnen zu gewinnen, das gilt auch für eventuelle Wahlkämpfe. Im direkten Vergleich mit den Parteien der Reichen können wir konkret zeigen, das und wie wir uns unterscheiden: Keine leeren Worte und teuren Inserate/Plakate sondern eine Kampagne gestützt auf hunderte AktivistInnen in regionalen Gruppen. Kein „Wählt uns und alles wird gut“ Ansatz, sondern eine Einladung an alle AktivistInnen im Widerstand gegen Rassismus & Sozialabbau aktiv zu werden. Keine abgehobenen KandidatInnen, sondern AktivistInnen aus den Bewegungen die absolut keine Privilegien haben.
Mit der Entwicklung der Regionalgruppen steht und fällt die Entwicklung von Aufbruch. Gelingt es Aufbruch-Gruppen, regionale Stimmungen, Proteste und Kämpfe aufzugreifen, zu initiieren, zu unterstützen und zu gewinnen, dann wird das auch das ganze Projekt vom Kopf auf die Füße stellen. SLP-lerInnen haben schon vor der Konferenz die Initiative zu Regionalgruppentreffen in Salzburg, Linz, Amstetten und Graz sowie in mehreren Wiener Bezirken gesetzt. Nun geht es darum, mit diesen Regionalgruppen los zu starten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Leute neu dazu stoßen, wissen wollen, wo sie hier eigentlich sind und viel diskutieren wollen. Hier ist es wichtig die Balance zu jenen zu finden, die „endlich was tun“ wollen.
Damit der Elan nicht über die Sommermonate verloren geht, braucht es dringend politische Diskussionen (und nicht nur Diskussionen übers diskutieren), demokratische Strukturen die die Regionalgruppen arbeitsfähig und reaktionsfähig machen und Aktivitäten um neue Leute anzusprechen. Wenn AufbruchlerInnen Aktionen vor Ort setzen, dann lernen wir neue Leute kennen und kommen viel stärker über „die Linke“ hinaus. Nur so können wir den vielen anderen, die auch finden dass es nicht „so weitergehen kann wie bisher“ konkrete Angebote zur Mitarbeit geben. Nur so können wir eine Verankerung schaffen, die den Aufbau einer neuen politischen Kraft und auch einen Wahlantritt möglich machen.
Der Aufbau von Aufbruch hat gerade erst begonnen. Eine erste Bilanz sowie eine Stärkung des Projektes sollten wir auf einer weiteren Konferenz im Herbst anstreben, bei dem dann auch viele von jenen kommen, die wir erst in den nächsten Wochen kennen lernen werden und die den Aufbruch raus aus den linken Kreisen führen. Auch brauchen wir eine weitere Konferenz um die vielen, laufenden Diskussionen zu Ergebnissen zu führen. Ein weiterer Schritt zum Erfolg kann es sein, wenn Aufbruch die Herbstlohnrunde mit einer starken Demonstration z.B. unter dem Motto „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten – für Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung“ begleitet und aktiv unterstützt um so einen Schulterschluss mit GewerkschafterInnen und Beschäftigten zu beginnen.
Machen wir uns jetzt daran, Aufbruch aufzubauen!