Brexit: Revolte der ArbeiterInnenklasse

Brexit ist v.a. eine Niederlage der herrschende Klasse in Britannien und Europa.
Roger Bannister, Socialist Party und Mitglied des Bundesleitungsgremiums NEC der Gewerkschaft UNISON (dient zur Kenntlichmachung der Person)

Ein Heulen der Ungläubigkeit erhob sich angesichts von 52% für Leave (Austritt aus der EU) im Brexit-Referendum. Behauptungen, dass das Wahlvolk, zum Hauptteil ArbeiterInnenklasse, nicht intelligent genug wäre, um die Folgen abschätzen zu können und Rufe nach einem neuen Referendum füllten die kapitalistischen Medien. Leider schlossen sich viele Linke, die die Remain (in der EU bleiben)-Position unterstützt hatten, dem Chor an. Sie befürchteten eine reaktionäre Welle und dass Boris Johnson, der in der Leave-Kampagne eine prominente Rolle gespielt hatte, die Führung der konservativen Tories und die Position des Premierministers übernehmen würde.

Das Brexit-Votum war in Wirklichkeit eine Niederlage der herrschenden Klasse in Britannien und Europa. Sie hat die in der Gesellschaft bereits existierenden Widersprüche zugespitzt. Sie hat die Tories und die Labour Party tief gespalten. Cameron trat zurück, UKIP-Chef Farage trat zurück, Boris Johnson nahm von einer Kandidatur für die Parteiführung Abstand.

Labour und Corbyn führen die Umfragen an. Der rechte Flügel in Labour inszenierte aus Angst vor Neuwahlen und einem Labour-Wahlsieg unter Corbyn einen Putsch gegen diesen. In Labour herrscht Bürgerkrieg. Es sind zwei Parteien in einer. Tausende AktivistInnen sind in den letzten Wochen in die Labour-Party eingetreten und drohen, die Partei wieder zu verlassen, wenn sich der rechte Flügel durchsetzt. International gesehen stärkt der Brexit die GegnerInnen der Politik der Troika - für Griechenland z.B. ist die Drohung bezüglich dramatischer Folgen eines Grexit nun wesentlich entschärft, denn die Welt steht auch nach dem Brexit-Votum noch und die Börsen sind weltweit nicht zusammengebrochen.

Das Brexit-Votum war kein Sieg des Rassismus, sondern v.a. eine Revolte der ArbeiterInnenklasse gegen das Establishment. Die Rolle von UKIP und den rechten Kräften innerhalb der Tories und ihre rassistische Kampagne, die die Sorge über Migration nutzte, wurde von den Medien hochgespielt. Es gibt eine Zunahme von Rassismus, dem wir von links durch die Verteidigung sozialer Rechte kontern müssen. Aber selbst die Sorge über Migration war nicht die Hauptmotivation für die Leave-Stimmen. Eine Umfrage nach dem Referendum nannte als Hauptgrund “Kontrollverlust”. Bei fallenden Löhnen, steigenden Hauspreisen, Kürzungen im Öffentlichen Dienst usw., war das Referendum für viele eine Möglichkeit, ihre Wut auf die Regierung und die EU-Sparpolitik auszudrücken. Ebenso sollte man Ängste aufgrund einer sich verschlechternden sozialen Situation nicht mit Rassismus verwechseln. 77% jener, die für einen Austritt gestimmt haben, denken, dass jedeR der/die im Land lebt ein Bleiberecht haben sollte.

Im Unterschied zu Österreich liegt UKIP als rechtspopulistische Partei bei nur 16%, während Labour die Umfragen anführt. Am Tag vor dem Referendum hatten LehrerInnen für Streikaktionen am 5. Juli gestimmt, und eine kleine Streikwelle bei Eisenbahnen und BäckerInnen hatte begonnen. Diese Entwicklungen zeigen, dass das Referendum keine reaktionäre Stimmung innerhalb der ArbeiterInnenklasse ausdrückt. In Wirklichkeit sahen viele ArbeiterInnen das Referendum als Chance, um der verhassten Tory-Regierung eins auszuwischen.

Leider war Labour trotz ihres linken Vorsitzenden Corbyn für einen Verbleib in der EU, obwohl Corbyn selbst lange als Gegner der EU bekannt ist. Die Position von Labour war mit jener der Tory-Regierung quasi ident. Hätte Corbyn eine klare sozialistische und internationalistische Position eingebracht, hätte er seine Unterstützung innerhalb und außerhalb von Labour ausbauen können. Es war ein Fehler und eine vergebene Möglichkeit Labour an die Spitze der Austrittsbewegung zu setzen und das Thema von links zu besetzen.

So waren beide Seiten der Debatte von den Rechten dominiert. ArbeiterInnen reagierten aber positiv auf die Argumente der linken „Leave“-Kampagne der Trade Union and Socialist Coalition (TUSC) und der Socialist Party (CWI in England&Wales). Wir erklärten, dass die EU für die Interessen der großen Konzerne steht. Sie ist eine kapitalistische Institution und steht als Teil der Troika an der Spitze des internationalen Neoliberalismus. Wenn eine Labour-Regierung unter Corbyn an die Macht käme und Politik gegen die Interessen der KapitalistInnen umsetzen würde (z.B. durch Verstaatlichungen), würde sich die Troika querlegen. Griechenland hat das gezeigt. Unsere Alternative muss internationale Solidarität der ArbeiterInnenklasse in Europa sein sowie ein Brexit auf sozialistischer Basis, der gleichzeitig mit dem Kapitalismus bricht, als erster Schritt hin zu einer sozialistischen Föderation Europas.

http://www.socialistparty.org.uk

Erscheint in Zeitungsausgabe: