Bildungsreform: getarnte Kürzungen

Wegen Sparzwang verstärkt die Bildungsreform die sozialen Unterschiede noch weiter.
Nikita Tarasov

Durch die Bildungsreform sollen Gesamt- bzw. Ganztagsschule eingeführt werden. Zumindest ein bisschen. Denn maximal 15% aller Schulen eines Bundeslandes dürfen in der Modellregion sein. Darüber freuen sich ÖVP und SPÖ. Erstere, weil die Zwei-Klassen-Bildung nicht angriffen wird. Zweitere, weil sie die Reform, die real Verschlechterungen bedeutet, zum Image-Aufpolieren als Fortschritt verkauft. Ist sie aber nicht! Was sind die Probleme? In erster Linie die fehlenden Finanzmittel – Stichwort „kostenneutral“. Verschärft wird das durch die Schulautonomie. Den Modellschulen stellt der Bund keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung. Die sind aber für eine pädagogisch gute Umsetzung notwendig. Schulautonomie bedeutet also, dass die Schulleitung die knappen Gelder verwalten und erweitern muss. Ankündigungen wie „Digitalisierung der Bildung“ klingen hohl, wenn gleichzeitig klar ist, dass kein Geld fürs Bildungswesen in die Hand genommen wird.

Der Einfluss von Bund, Ländern und PolitikerInnen auf die Schule wurde nicht reduziert, LehrerInnen und SchülerInnen haben immer noch nichts mitzureden. Die Direktion darf künftig darüber entscheiden, wer LehrerInnen an der Schule ist und wer nicht: die Auswahl wird von persönlichen Ansichten der Leitung geprägt sein wird. Wenn diese Ansichten reaktionär sind, werden auch reaktionäre LehrerInnen angestellt. Diese Reform bewirkt das Gegenteil ihrer angeblichen Absicht und wird die ohnehin starke soziale Differenzierung, in der das Bildungslevel von Eltern auf Kinder weitergeben wird, noch verstärken.

 

Diese Bildungsreform wird die sozialen Unterschiede noch verstärken!

Schulautonomie und knappes Bildungsbudget verlageren die finanzielle Verantwortung auf die Schulleitung. Externe Sponsoren und v.a. Eltern springen als Geldquelle ein. Laut „Verband der Elternvereine“ belaufen sich „versteckte“ Schulkosten (z.B. Spind, Ausflüge, Taschenrechner, teilweise Laptop, Kopier- oder Bastelkostenbeitrag...) für eine 2-Kindfamilie auf ca. 3.000 € im Jahr. Kinder der Vermögenderen werden in teure Privatschulen oder die „besseren“ Schulen gehen, wo auch dieses versteckte Schulgeld höher ist. Doch für immer mehr sind solche Finanzhürden unüberwindbar. Die Vererbung von (Bildungs)armut wird also fortgesetzt und einzementiert. Die soziale Durchmischung wird verhindert, die reiche Elite bleibt noch stärker unter sich. Das Ziel der Reform - "bessere Bildung für alle" -ist weit verfehlt: Nichtgenügend.

 

Her mit Gesamt- und Ganztagsschulen – aber richtig!

Gesamt- und Ganztagsschule sind seit rund 100 Jahren das Ziel fortschrittlicher Pädagogik. Wenn ALLE SchülerInnen von 6-18 gemeinsam in kostenlosen öffentlichen Schulen lernen und auch einen Flächenberuf erlernen, dann nehmen soziale Durchmischung, Integration und Förderung für sozial benachteiligte SchülerInnen zu. Statt alle über einen Kamm zu scheren, werden persönliche Stärken und Schwächen berücksichtigt. Der Unterricht selbst, nach dem neusten Stand der Pädagogik durchgeführt, ist kein hierarchisches Drillen, sondern Hilfe beim Selbst-Lernen in kleineren Gruppen mit ausreichender Betreuung. Davon profitieren alle SchülerInnen, „starke“ und „schwache“ und die Chancen werden gleicher. Dafür braucht es eine umfangreiche öffentliche Ausfinanzierung und Demokratisierung des Bildungssystems.

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