Di 28.03.2006
Im aktuellen Statut stellt die SLP in Artikel 2, Absatz 7 fest: "Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus, hier vor allem gegen die FPÖ und die politischen und sozialen Ursachen ihres Aufstiegs, ist eine entscheidende Aufgabe für die österreichische ArbeiterInnenbewegung geworden." Um in dieser Auseinandersetzung bestehen zu können, ist es von entscheidender Bedeutung, den Gegner richtig einzuschätzen.
Nach der Abspaltung des BZÖ von der FPÖ vor rund einem Jahr, war die SLP die einzige politische Kraft, die die FPÖ nicht voreilig für tot erklärte. Wir betonten, dass die Gefahr keineswegs gebannt sei. Denn schließlich waren weder die sozialen Probleme, die den Boden für rechten Populismus bereitet hatten, gelöst, noch die Menschen verschwunden, die teils seit Jahren die rassistischen Parolen verbreitet, bzw. diesen Parolen gefolgt waren.
Wir haben daher eine breite, interne Diskussion über den Charakter der "neuen" FPÖ organisiert. Wie weit ist der Rechtsruck gegangen? Was bedeutet es, dass das Trio Strache, Mölzer, Stadler vom Rand der Partei in ihr Zentrum gerückt ist? Wie ist der Erfolg der FPÖ in Wien zu werten? Und am Wichtigsten: Welche Perspektiven hat die FPÖ neu, welche Art der Gefahr geht von ihr aus? Diesen Fragen wurde auf der Konferenz der SLP breiter Raum gewidmet.
Auch wenn die Debatte - v.a. wegen der laufenden Entwicklung - noch nicht vollständig abgeschlossen ist, können folgende Punkte als gemeinsame Einschätzung der KonferenzteilnehmerInnen festgehalten werden:
- Wir haben die FPÖ immer als rechtsextreme Partei charakterisiert, aber vereinfachende Gleichsetzungen wie "Haider=Hitler" abgelehnt. Vor allem gegen Ende der 1990er wurde das rechtsextreme Element zugunsten eines immer beliebigeren Populismus in den Hintergrund gedrängt. Heute steht aggressiver Rechtsextremismus im Mittelpunkt der FPÖ. Das manifestiert sich auch darin, dass mit Strache, Mölzer und Stadler Personen ins Zentrum der FPÖ gerückt sind, die zumindest kaum Berührungsängste zu Methoden und Propaganda haben, wie sie sonst nur Neofaschisten in Europa anwenden.
- Während die FPÖ in den 1990ern noch als Prellbock zur Durchsetzung des Neoliberalismus gegen die ArbeiterInnenbewegung agierte, wendet sie sich heute verbal massiv vom Neoliberalismus ab und entwickelt eine "nationale, protektionistische" Wirtschaftspolitik (vgl. Mölzer in ZurZeit, 10/2006), die den "kleinen Mann" als Teil der (Volks-)Gemeinschaft ins Boot zu holen versucht. Dies ist ein klarer Anhaltspunkt für die rechtsextreme Re-Ideologisierung der FPÖ, drückt aber auch ein Stück die geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aus. Die ArbeiterInnenklasse hat mit dem Neoliberalismus ihre Erfahrungen gemacht und lehnt diesen heute klar ab.
- Die konkrete Gefahr die von der FPÖ heute ausgeht hat sich verändert. Bestand in den 1990ern noch die Gefahr, dass die FPÖ ihren angedrohten Neoliberalismus an der Macht umsetzen könnte, so ist dies heute - aufgrund fehlender Optionen zur Regierungsbeteiligung - eher unwahrscheinlich geworden. Konkret bedeutet der Rechtsruck der FPÖ aber ein aggressiveres Klima, das zum Beispiel am Rande von Wahlveranstaltungen in Wien bereits zu Übergriffen von rechtem Mob auf MigrantInnen und Linke führte. Ebenso könnte ein solcher Mob - wenn dieser organisiert wird - künftig auch als Streikbrecher gegen kämpfende ArbeiterInnen eingesetzt werden. Es wäre nicht überraschend, würde die FPÖ in Zukunft verstärkt darauf setzen, mittels "Bürgerinitiativen" gegen Migrantinnen, Kulturprojekte, Jugendliche,... zu mobilisieren. Ein erstes Anzeichen dafür ist der Vorschlag der FPÖ Villach, eine Bürgerwehr gegen Jugendliche einzusetzen. Wenn solche Projekte Erfolg haben, könnten nächste Schritte "Bürgerwehren" gegen jene "bösen" Gewerkschaften bilden, die angeblich "anständige" Bürger durch ihre "linken" Methoden in "Geiselhaft" z.B. während Arbeitskämpfen nehmen.
- Auch wenn es ernste Anzeichen dafür gibt, dass die Partei einen solchen neuen Kurs einschlägt, der sich an Vorbildern wie den italienischen Neofaschisten, der extremen und zum Teil militanten belgischen und französischen Rechten (Vlaams Blok/Belang, Front National) orientiert, so steht es in den Sternen, ob ihr das auch gelingen kann. Die heutige FPÖ ist äußerst instabil. Noch ist nicht einmal klar, welche Landesorganisationen ihr angehören. Das "klassische" Klientel faschistischer Parteien, das vor Deklassierung zitternde Kleinbürgertum, ist heute wesentlich kleiner als in den 1930ern. Doch es existierten nicht zuletzt in der ArbeiterInnenklasse, bzw. unter Arbeitslosen Schichten, die extrem feindlich gegenüber MigrantInnen aber auch den Gewerkschaften sind. Die FPÖ wird hier hauptsächlich wegen ihres "Anti-Establishment-Rufs" von jenen gewählt, die sich (nicht zu Unrecht) von ihren traditionellen Organisationen in Stich gelassen fühlen. Dies bietet für sich genommen zumindest noch keine stabile Basis für eine neofaschistische Partei. Der - momentane - Nährboden der FPÖ ist die Enttäuschung über die etablierte Politik und das Fehlen einer linken Kraft, die dieses Vakuum füllen könnte.
- Die zukünftige Entwicklung der FPÖ wird aber nicht (nur) von ihr selbst , sondern von mehreren Faktoren bestimmt. Einerseits hängt viel von ihrem Abschneiden bei den nächsten Wahlen ab. Das "Experiment Strache" könnte vorbei sein, ehe es richtig begonnen hat. Außerdem ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein Teil des - gescheiterten - BZÖ wieder zurück in die FPÖ drängt. Dies würde großen Druck auf die neue Führung ausüben, auch dem "gemäßigterem", vor allem in die öffentlichen Ämter strebenden "Flügel", wieder mehr Platz zu geben. Andererseits ist die wichtigste Frage für die Entwicklungschancen der FPÖ, ob es der Linken gelingt, zumindest einen Teil des Vakuums zu füllen, das die offizielle Politik hinterlässt. Die Entwicklung von Streiks und deren Ausgang, sowie die Formierung einer neuen sozialistischen Partei für ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen sind entscheidend dafür, ob es gelingen kann, die FPÖ und ihre rechtsextreme Führung zu stoppen.