Back to black?

Der Sturz von Kurz ist nicht Ursache, sondern Symptom der Krise der ÖVP und des gesamten Systems
Christoph Glanninger

Der Absturz der ÖVP ist tief. Doch die zumindest teilweise Rückkehr zur alten, schwarzen, Bünde-ÖVP ist Grundlage für weitere Zerwürfnisse. Kurz wollte die Partei modernisieren, zentralisieren und damit zur Umsetzung von Kapitalinteressen effektiver machen. Doch das entspricht weder der österreichischen Kapitalstruktur noch der ÖVP-Basis, die kleinteiliger und widersprüchlicher ist und sich auch unter Kurz laufend durchsetzte (Ischgl!). 

Die korrupten Netzwerke haben den Sturz ausgelöst - doch sie sind weder Alleinstellungsmerkmal noch Ursache. Kurz positionierte Österreich zunehmend in einer pro-Visegrád, EU-distanzierten Ecke. Noch wichtiger aus Sicht des Großkapitals ist der zunehmend chaotische Umgang mit Corona und die zunehmende Diskreditierung “der Politik”. Beides ein Problem für die Interessen der Industrie, die eine rasche und hohe Durchimpfung und v.a. politische Stabilität wünscht. 

Mit dem Ende von Kurz ist keines der Probleme der ÖVP gelöst, aber neue hinzugekommen. Partei, Regierungsmannschaft und Obmann wackeln permanent.

Die Schwäche der ÖVP ist auch eine Chance für die Linke und die Arbeiter*innenbewegung, Erfolge zu erkämpfen (wie z.B. die Besetzung der Lobau zeigt). 

Aber gleichzeitig ist diese Schwäche auch eine Gefahr: In die Ecke getrieben wird die ÖVP auch gefährlicher und früher oder später versuchen, durch populistischen Rassismus Einfluss zu gewinnen bzw. mit Repression die Kapitalinteressen durchzudrücken. Denn die Krise der ÖVP ist nur Symptom der Krise des gesamten bürgerlichen Systems, das keine Lösungen für die großen Probleme wie Klima, Migration, Corona und Wirtschaftskrise hat. Eine mögliche Rot-Grün-Neos-Koalition würde daran auch nichts grundlegend ändern. Umso wichtiger ist es, auf Basis der Klassenkämpfe im Gesundheits- und Sozialbereich, aber auch der feministischen und Klimaproteste eine politische Alternative zu allen etablierten Parteien aufzubauen. 

 

Make Volkspartei great again?

Um zu verstehen, wo die ÖVP heute steht, muss man das Phänomen Sebastian Kurz verstehen. Der schnelle Aufstieg und schnelle Fall offenbaren die grundlegenden Probleme der österreichischen Herrschenden. Durch gute Öffentlichkeitsarbeit kombiniert mit einer großen Dosis Rassismus gelang es Kurz, sich als “neu” darzustellen. Aber es war unmöglich, die Corona-Krise mit oberflächlichem Populismus zu meistern.

Die Länder sind nun wieder zentrale Machtfaktoren in der Bundespartei, das zeigte sich auch bei der Besetzung des Regierungsteams. Aber die Rolle der Länder bringt langfristig Probleme: Die ÖVP wird jetzt wieder stärker durch die Einzelinteressen von Ländern, Bünden und Co. zerrissen werden - Obmanndebatten und Richtungsstreitereien sind da vorprogrammiert. 

Weltweit driften konservative Partei scharf nach rechts: Orbán und Trump, aber auch die Konservativen in Spanien und Großbritannien haben in den letzten Jahren Schritte Richtung Rechtspopulismus gemacht. Zuletzt konnte sich der konservative Hardliner Merz in der CDU durchsetzen. Das Ende von Kurz beendet den Rechtsruck der ÖVP nicht - ein Dollfuß-Fan als Innenminister ist ein Zeichen dafür. 

Vorgezogene Neuwahlen sind nur eine Frage der Zeit. Aktuell will die ÖVP Neuwahlen verhindern. Die Grünen hoffen, die Schwäche der ÖVP für ein paar symbolische Zugeständnisse nutzen zu können. Auch will niemand für Neuwahlen in der Pandemie verantwortlich sein. Aber beide Parteien müssen vermehrt Konflikte eingehen, um ihr Klientel zufriedenzustellen - die schnell zum Ende der Koalition führen. 

 

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