Fr 31.05.2024
In Österreich wurden innerhalb der letzten Wochen zahlreiche schockierende Fälle von häuslicher bzw. sexualisierter Gewalt an Frauen bekannt. Insbesondere die fünf Femzidfälle vom 24.02 (an einem Tag!) in Wien sind ein drastischer Weckruf für das große Ausmaß der geschlechterspezifischer Gewalt in Österreich. Ebenso das kürzliche Bekanntwerden von schweren Missbrauchsfälle an Jugendlichen in Wien und Salzburg zeigt die Dimension der etablierten Gewalt an Frauen bzw. queeren Menschen in Österreich auf.
Die FPÖ nutzte diese Morde und Missbrauchsfälle für ihre rassistische Hetze vor "unkontrollierter" und vermeintlich importierter Gewalt. Am 14.02.2024 veranstaltete die FPÖ in Wien die Kundgebung “Favoriten hat genug”. Diese Veranstaltung war ein aktiver Angriff gegen Menschen, die tagtäglich von Rassismus betroffen sind und in Favoriten leben. Die FPÖ missbrauchte hier klar den Kampf gegen geschlechtsspezifischen Gewalt für ihre rechte Propaganda. Eine solche Instrumentalisierung von Frauenrechten für rechte Propaganda und Hetze gegen Migrant(*innen) schützt weder Frauen noch queere Menschen. Sie trägt allerdings dazu bei, dass gerade junge Migrant*innen noch stärker zur Zielscheibe von rassistischen Polizeikontrollen und rechtsextremen Angriffen werden.
FPÖ und ÖVP sind Frauen und Favoriten egal!
Die FPÖ ist mehr als unglaubwürdig, wenn sie nur dann vorgibt, sich für Frauenrechte einsetzen zu wollen, wenn sie es rassistisch instrumentalisieren kann! Die FPÖ, aber auch ÖVP, verfügen über ein zutiefst sexistisches Parteiprogramm, das Frauen und queere Personen in schädliche, konservative Geschlechterrollen zwängen will und sie dabei systematisch entrechtet. Daher ist diese selektive Angst um “unsere Frauen” der FPÖ/ÖVP scheinheilig und voller Doppelmoral.
Statt Schutzräume für Frauen und queere Menschen aufzubauen und sich für eine dringend notwendige Aufstockung sozialpolitischer Mittel im 10. Wiener Gemeinde Bezirk einzusetzen, nutzte die FPÖ ihre Kundgebung allein dafür, gegen Migrant*innen zu hetzen. Gerade für migrantische Frauen ist diese rassistische Aufladungen der Debatte um häusliche Gewalt besonders gefährlich. Ein solches Klima führt dazu, dass sich migrantische Frauen potentiell aus Angst vor Abschiebung oder polizeilicher Verfolgung keine polizeiliche Hilfe holen. Das Hetzbild der FPÖ ignoriert zudem den Fakt, dass Gewalt an Frauen in allen Schichten der österreichischen Gesellschaft verbreitet ist und keineswegs “Importgut”.
Das Ausmaß der männlichen Gewalt in der österreichischen Gesellschaft ist auch nicht erst seit der besagten Femizide bekannt. Eindeutig ist, dass wir in Österreich mit einer Pandemie männlicher Gewalt konfrontiert sind. Diese kennt viele Facetten: Sexualisierte, physische und/oder psychische Gewalt finden in den eigenen vier Wänden, unter Jugendlichen, an Schulen, Unis oder auch am Arbeitsplatz statt. Sowohl sexistische Rollenbilder, wie auch die Normalisierung von Gewalt an Frauen nehmen derzeit in westlichen Ländern wieder zu. Wie verwurzelt patriarchale Strukturen in der heimischen “deutschen” bzw. “österreichischen” Leitkultur nach wie vor sind bzw. re-etabliert werden, zeigt beispielsweise die Studie von “Plan International” aus dem Jahr 2023. Ein Drittel der dort befragten 16-30 jährigen Männer in Deutschland Gewalt an Partner*innen für grundsätzlich “akzeptabel”. Von einem Importgut patriarchaler Einstellungen in den Westen kann angesichts dieser und ähnlicher Studien kaum die Rede sein. Derzeit findet ein rechter & konservativer Backlash bei insbesondere jungen Männern statt. Dieser geht mit einer Radikalisierung des konservativen Geschlechter- und Männlichkeitsbildes einher. Formen der Gewalt an Frauen und queeren Menschen werden unter diesem Backlash zunehmend normalisiert. Die Politik der FPÖ und ÖVP, ihre Hetze gegen Feminismus und queere Rechte sind an diesem Prozess maßgeblich beteiligt.
Die Missbrauchsfälle in Wien und Salzburg zeigen auch auf, dass es ein gezieltes antisexistisches Gewaltschutzprogramm und feministische Mobilisierung gegen Gewalt an Minderjährige braucht. Nehammers Ruf nach der Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre sind rassistisch beeinflusst und haben nichts mit dem Schutz von Mädchen oder Frauen zu tun. Dieselbe ÖVP, die sich jetzt groß aufspielt, weigert sich seit Jahren, die notwendigen finanziellen Mittel für Gewaltschutz zur Verfügung zu stellen. Auch nach 5 Femiziden in nur 24 Stunden sah die derzeitige ÖVP-“Frauenministerin” immer noch keinen zusätzlichen Handlungsbedarf in Sachen Frauenschutz! Diese Politik der Konservativen spielt sexualisierter Gewalt in die Hände. Sowohl die rassistische Asylpolitik wie auch die rassistische Ausgrenzung im Bildungssystem und am Arbeits- und Wohnungsmarkt drängen Geflüchtete und Migrant*innen systematisch aus der Gesellschaft. Der Ruf nach der Abschiebung von straffällig gewordenen Asylbewerbern ignoriert zudem die prekären gesellschaftlichen Umstände, aus denen diese geflüchtet sind und in Österreich leben müssen. Diese Debatte schürt hier bewusst auch das Bild des “frauenfeindlichen Asylbewerbers”. Jene Asylwerber, die sexualisierte Gewalt begehen, einfach abschieben zu wollen, ist überdies ein sehr ignorantes, westliches Verständnis einer vermeintlichen Lösung für patriarchaler Gewalt. Diese soll dann ungehindert in den Herkunftsländern an migrantischen Frauen stattfinden, solang es eben nicht um „ihre österreichischen Frauen” geht, ist das scheinbar für etablierte Konservativen in Österreich vertretbar!
Feministische und antirassistische Solidarität gegen Femizide und rechte Hetze!
Wir stellen uns als antirassistische, sozialistische Feminist*innen gegen diese Hetze. Wir sind aktiv, um die notwendigen finanziellen Mittel für Gewaltpräventionen und Schutz vor Gewalt zu erkämpfen, Femizide als systematisches Problem anzukreiden und gegen jede Form von Rassismus, Diskriminierung und Unterdrückung zu kämpfen. Wir brauchen einen gemeinsamen Kampf GEGEN Ausbeutung und FÜR ein ausfinanziertes Sozialsystem, leistbaren Wohnraum sowie für gute Arbeit für ALLE! - Eine Gesellschaft, in dem Menschen und nicht Profite zählen. Gesicherte Lebensverhältnisse und finanzielle Unabhängigkeit sind eine wesentliche Voraussetzung für Frauen und queere Menschen häuslichen Gewaltsituationen entkommen zu können. Sie sind auch wichtiger Bestandteil dafür, Geflüchtete und Menschen mit Migrationsgeschichte vor Ausgrenzung, Armut, Gewalt und Kriminalität zu schützen und eine wesentliche Grundlage dafür, ein gutes Leben für alle Menschen in Österreich zu schaffen.
Wir fordern daher unter anderem folgende Punkte:
→ Einen massiven Ausbau der Buben- und Männerarbeit an Schulen, Nachmittagsbetreuungsstätten, Jugendzentren und anderen Betreuungsstätten
→ Eine umfassend feministisch orientierte und altersgerechte Sexualerziehung an Kindergärten und Schulen, die insbesondere einen Fokus auf eigene persönliche Grenzen/Konsens setzt und sich kritisch mit konservativen Geschlechterrollen befasst
→ Den Ausbau von niederschwelligen Beratungszentren für Opfer sexualisierter Gewalt und Frauenhäusern.
→ Den massiven Ausbau der Betreuung sowie psychosozialen Unterstützung von Asylwerber*innen
→ Gezielte Schulungen für Lehr- und Betreuungspersonal an Kindergärten, Schulen und anderen Betreuungseinrichtungen von Jugendlichen im Umgang mit sexualisierter Übergriffen und der kritischen Arbeit mit gesellschaftlichen Geschlechterrollen
→ Gezielte Schutzmaßnahmen für gesellschaftlich besonders gefährdete Frauen und queere Menschen: insbesondere migrantische Frauen, Frauen mit Asylstatus, Frauen ohne offiziellen Aufenthaltsstatus in Österreich, aber auch queere Personen oder Frauen mit Beeinträchtigung - gerade sie sind häufig von jeglicher Form genderbasierter Gewalt betroffen.
→ Jobs, Wohnen, Sozialleistungen für alle Menschen, die hier leben, um die Grundlage für ein Leben frei von Gewalt und Ausgrenzung zu schaffen.
→ Schluss mit kapitalistischen Sachzwängen, wenn es um das Leben von Menschen geht - für eine Gesellschaft, wo alle Ressourcen zum Wohle der Menschen eingesetzt werden und nicht alles den Profitinteressen einer kleinen Elite untergeordnet wird!
→ Bauen wir dafür gemeinsam eine antirassistische, feministische, sozialistische Bewegung, in Schulen, Unis, Nachbarschaften, Betrieben und auf der Straße auf!