Di 02.02.2010
Schon bei der Ankunft auf dem Platz der Auftaktkundgebung erzeugte die Polizei durch ihre massive Präsenz ein Klima der Einschüchterung. Der ganze Platz war bereits Stunden vor dem angekündigten Beginn der Kundgebung weiträumig mit Tretgittern und schwer gerüsteten PolizistInnen abgesperrt worden. So waren alle DemoteilnehmerInnen gleich zu Beginn dazu gezwungen sich in die Hand der Polizei zu begeben.
Hinzu kam die allgemeine Verwirrung über den rechtlichen Status der Versammlung: Gab es noch eine genehmigte Demo, wurden wir auf eine Standkundgebung begrenzt oder hatte die Polizei alles verboten?
Auch der Lautsprecherwagen der Demoleitung wurde kaum für Durchsagen genutzt, die hier Klärung gebracht hätten. Von einem Mitarbeiter der Grünen erfuhren wir, dass die Demo untersagt, die Standkundegebung am Christian Broda Platz aber vorläufig erlaubt sei.
Schließlich schlossen wir aus Infos, die wir von allen Seiten zusammenkramten und dem Genuschel aus den Polizeilautsprechern, dass sogar unsere Standkundgebung endgültig untersagt wurde.
Viele DemoteilnehmerInnen waren, wie wir, nicht bereit, das Demoverbot hinzunehmen. Die Stimmung drückte allgemein Unverständnis über die Entscheidung aus, dass rechtsextreme Burschenschaftler ungestört in Einrichtungen des Bundes feiern durften, während der Protest dagegen aus nicht nachvollziehbaren Gründen untersagt wurde. Die Einschüchterungsversuche der Polizei schürten noch die Wut über diese Entscheidung.
So kam es zu einem Versuch von ca. 1000 DemonstrantInnen die Polizeibarrikaden in Richtung Mariahilferstraße zu durchbrechen. In dem entstehenden Chaos kam es auch zu vereinzelten Würfen von Böllern auf die Polizeilinie. Nach ca. einer Stunde schloss die Polizei den Kessel um die DemonstrantInnen endgültig zu und brachte (bei Minusgraden!) zwei Wasserwerfer in Stellung, die zwar nicht zum Einsatz kamen, aber doch genügten, um weitere Ausbruchsversuche zu verhindern.
In den nächsten Stunden zog die Polizei den Kessel immer mehr zusammen, wobei sie zum Teil Knüppel und Pfefferspray gegen friedliche DemonstrantInnen einsetzte. Deutlich waren Aufforderungen der verantwortlichen PolizistInnen an die BeamtInnen zu hören, den Pfefferspray einfach in die Menge zu schießen. Auch wurden diejenigen, die sich einzeln zu nah an die Polizeilinien wagten festgenommen. Unser SLP-Block versuchte dabei durch unterhaken auch Umstehende vor dem völlig willkürlichen Zugriff der Polizei zu schützen.
Den Kessel konnte zu der Zeit nur verlassen, wer ihre/seine Personalien angab und sich fotografieren (!) lies. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wurde wieder aufs fotografieren verzichtet.
Das lange Herumstehen in der nassen Kälte, ohne Zugang zu Toiletten oder irgendeiner Art von Verpflegung und die ständige Bedrohung durch die Wasserwerfer und die hoch gerüsteten Polizeieinheiten frustrierte, wohl ganz im Sinne der politisch Verantwortlichen viele DemonstrantInnen. Die SLP hielt mit kämpferischen Parolen dagegen und hielt so die Stimmung einigermasen oben. Unser Auftreten als demokratisch organisierter Block brachte auch viele, die als Einzelne unterwegs waren dazu, sich uns anzuschließen.
Wie sich später herausstellte, wurden die PolizistInnen derweil durch die AUF (FPÖ-Gewerkschaftsfraktion im öffentlich Dienst) mit Essen und warmen Getränken versorgt; immerhin durften die FPÖ und ihre Burschenschaftler-Freunde ja auch, dank dem Vorgehen der Polizei in Ruhe feiern....
Ca. ab zehn Uhr, öffnete die Polizei dann den Kessel in Richtung Kaiserstraße. Allerdings nur für diejenigen, die ihre Personalien angaben, und das zuerst nur an einer Stelle, wobei nur ein Beamter die Personalien entgegen nahm, was den Abzug extrem verlängerte. Erst später wurden zwei weitere Beamte mit der Aufnahme der Personalien betraut. Auf diese Weise machte die Polizei noch einmal klar, dass sie uns alle in ihrer Gewalt hatte, und das sichtlich genoss.
Wir von der SLP verließen den Kessel gegen halb elf, der Kessel blieb aber noch bis Mitternacht aufrecht, bis die letzten Verbliebenen von der Polizei geräumt wurden. Diese waren also insgesamt ca. fünf Stunden von der Polizei eingeschlossen, während rechtsextreme Burschis ungestört in der Hofburg ihren "Ball" abhielten.
Das Vorgehen der Polizei kann nur politisch gesehen werden, und zwar als Vorgehen gegen AntifaschistInnen und das in der Nacht vor dem 73. Jahrestag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler!
Neben der Polizeigewalt ging es am 29.1. um eine massive Einschränkung der politischen Rechte durch Regierung und Polizei. Auch wenn die zwei Wasserwerfer nicht aktiv wurden, war der 29.1.2010 ein Probelauf der Mächtigen um gegen künftige soziale und politische Protestbewegungen vor zugehen (in Zeiten von Wirtschafskrise und 400.000 offiziellen Arbeitslosen kein Wunder). Vielleicht werden ja schon die Proteste gegen die EU-BildungsministerInnen Treffen zu „10 Jahre Bologna“ in der Wiener Hofburg ein nächster Höhepunkt der Auseinandersetzung sein, für den die Polizei am 29.1.2010 probte. Viele Menschen, etwa Jugendliche die mit einer Konfrontation mit den Eltern rechnen müssen wenn eine Polizeistrafe ins Haus flattert, MigrantInnen, PensionistInnen, oder manche öffentlich Bedienstete, werden sich in Zukunft viel eher überlegen ob sie auf eine solche Demo gehen. Demonstrationen müssen daher künftig besser, und v.a. demokratischer organisiert werden, damit die TeilnehmerInnen besser vor Polizeiwillkür und -gewalt geschützt werden können.
Die Wiener SPÖ ist bei der Repression voll mit dabei. Sie ist kein Bollwerk gegen Strache sondern erfüllt seine Wünsche. Burschenschafter in der Hofburg während die Demo dagegen verboten ist. Immerhin ist die Wiener Polizei nach wie vor stark SPÖ dominiert. Der Verweis auf die politischen Umfärbungen unter blauschwarz stimmt nur zum Teil, außerdem wurde seit 2006 auch wieder viel „zurückgefärbt“. Typisch auch, dass es im „roten Wien“ keinerlei Proteste gegen das Demoverbot und den rechtsextremen WKR-Ball seitens der SPÖ gab. Die Hofburg in Wien untersteht zum Teil der Burghauptmannschaft - d.h. dem Wirtschaftsministerium, und der Präsidentschaftskanzlei. Warum gab keinen politischen Druck der SP-MinisterInnen, gemeinsam mit SP-Präsident Fischer auf den VP-Wirtschaftsminister, den WKR-Ball aus der Hofburg zu werfen?
Keine Öffentlichen Gebäude für Rechtsextreme! Das sollte eine wichtige Forderung für zukünftige antifaschistische Mobilisierungen sein. Die Wiener SPÖ hat auch in keinster Weise gegen den WKR-Ball mobilisiert. Auch Sozialistische Jugend und SPÖ-Linke waren kaum bis gar nicht vertreten. Wo waren Leute wie Buchinger, Flecker, Fussi usw. an diesem Tag. Warum gab es am bei den großen SP-Linken Veranstaltungen in Wien und Linz am 27.1. keinen Aufschrei gegen das Demonstrationsverbot? Bis heute ist auf der HP der SPÖ-Linken kein Protest gegen das Demoverbot zu finden.
Fünf grüne Nationalratsabgeordnete hatten die letzte Demo zwar angemeldet, die Grünen waren aber weder als Partei auf der Demo präsent noch gab es Versuche, die Standkundgebung am Westbahnhof zu organisieren. Für viele – vor allem für politisch Nicht organisierte - war der die Situation am Westbahnhof chaotisch, verwirrend und einschüchtern. Es gab Aktionen einzelner Gruppen, aber keine Versuche mit einer gemeinsamen Strategie Druck auf Polizei und Behörden auf zu bauen. Es gab kein gemeinsames Vorgehen und keine Information über den Lautsprecherwagen. Obwohl viele aus der lokalen Bevölkerung extrem wütend waren, gab es keine Versuche diese Leute in den Protest einzubeziehen. Mit einer Demoorganisation hätten wir versuchen können die Solidarität von außen zu organisieren, KrankenpflegerInnen und ÄrztInnen die auf der Demo waren, zu einem, Sanitätsteam zusammen zu fassen, politische Solidaritätserklärungen zu bekommen, uvm.
Das Chaos und die politische Passivität der großen Masse der Kundgebung erleichterte der Polizei das Vorgehen. Fürs nächste Jahr braucht es ein breites linkes Bündnis dass die Demo organisiert und von Anfang an versuchen MigrantInnenorganisationen, Gewerkschaften, SP-Linke , Grüne und viele andere mit ein zu beziehen und auch zu verhindern, dass die Burschis überhaupt in die Hofburg dürfen.