Fr 01.10.1999
1997 wurde der Nationale Aktionsplan für Beschäftigung, kurz NAP, beschlossen. Könnte man der Zwischenbilanz der Sozialministerin Glauben schenken, so müßte man einstimmen in den Lobgesang vom österreichischen „Job-Wunder“ – ein Großteil des Rückgangs in der Arbeitslosenstatistik geht jedoch auf Schulungsmaßnahmen zurück, während deren Dauer die Arbeitslosen aus der Statistik herausfallen.
Wenn diese Menschen nach einem Kurs dann tatsächlich vermittelt werden, dann stellt sich die Frage nach der Qualität des Arbeitsplatzes. Im Dienstleistungsbereich, wo die Hälfte des Beschäftigungswachstums stattgefunden hat, wurden drei Viertel der Arbeitsplätze von Frauen besetzt. Ein Großteil dieser neuen Jobs sind nur Teilzeitjobs. Dabei zeichnet sich der deutliche Trend zu schlecht bezahlten und ungesicherten Arbeitsverhältnissen ab, der vor allem Frauen betrifft.
Eine, die auch nicht ans Job-Wunder glaubt, ist Melitta Nicponsky, von „Amandas Matz”, einer Beratungsstelle für erwerbslose und von Erwerbslosigkeit bedrohte Mädchen und junge Frauen. Sie hat uns von ihrer Erfahrung berichtet.
V: Was macht Amandas Matz?
M.N.: Zu uns kommen Mädchen und Frauen dann, wenn Entscheidungen anstehen oder auch bei Konflikten. Viele Mädchen und Frauen kommen auch, weil beim AMS kaum mehr Zeit ist, näher auf ihre Situation einzugehen.
V: Man hört immer öfter, daß die Beratungssituation im AMS (Arbeitsmarktservice) viel schlechter geworden ist. Was sind Deine Erfahrungen damit?
M.N.: Im AMS wird eine Massenabfertigung betrieben und dabei wird über die Existenzsicherung der Leute entschieden, zum Beispiel wenn es ihnen die Notstandshilfe streicht. Früher ist uns das eher begegnet bei erwachsenen Frauen und jetzt hab ich das auch schon vom AMS für Jugendliche mitbekommen.
V: Welche Konflikte gibt es hauptsächlich mit dem AMS?
M.N.: Ein wichtiger Konflikt ist, daß sich Mädchen oder Frauen arbeitssuchend melden wollen und dann sehr oft, sehr schnell abgewiesen werden oder sich abgewiesen vorkommen. Das heißt, sie kommen nicht einmal mehr zu einer dreiminütigen Beratung, um abklären zu können, ob das AMS für sie etwas anbietet oder nicht. Es passiert, daß bestimmte Unterlagen, die die Frau jedesmal mitschleppt nie wirklich angesehen werden und ihr dann aber zu einem späteren Zeitpunkt vorgeworfen wird, diese Unterlagen nie vorgelegt zu haben und sie dadurch zum Beispiel verdonnert wird, Zahlungen zurückzuerstatten.
Besonders schwierig ist es, wenn man eine geringe Berufsausbildung hat, zum Beispiel einen Lehrabschluß im Verkauf. Und das ist das, was mich an der Arbeitsmarktpolitik insgesamt ärgert, daß je geringer deine Qualifikation ist, desto weniger Unterstützung bekommst du, um in eine höhere Qualifikation zu kommen.
V: Was sagst Du zum NAP?
M.N.: Was die Maßnahmen des NAP anbelangt, so wurde nur eines erreicht: nämlich aus dem Boden gestampfte Massenversorgungsbildungsbetriebe, ob das WIFI oder BFI ist. Die Erfahrungen der Mädchen sind unterschiedlich. Manche sind froh, daß sie irgendwo einen Platz haben. Aber, ob sie nach dem Jahr einen Lehrplatz finden, ist völlig offen. Die Jugendlichen werden oft von einem Betrieb zum anderen geschickt und die Betriebe nutzen das beinhart aus, um Hilfsarbeiter zu haben, für die sie nichts zahlen müssen.
Und von Qualitätssicherung kann da keine Rede sein. Denn aufgrund der großen Anzahl der Leute, die sie da unterbringen müssen, mußten sie in kürzester Zeit Trainer für die Kurse finden, die oft überfordert sind. Und so ähnlich ist es beim Job-Coaching, beim sechs wöchigen Bewerbungstraining, im Frühjahr waren das 18.000 Arbeitslose, die da hineingeschickt wurden.
V: Der NAP ist vor zwei Jahren beschlossen worden. Wie siehst du die Auswirkungen auf die Arbeitslosenrate?
M.N.: Ja, also erstens sind die Leute in den Kursen und daher nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik. Es gibt auch Leute, die danach eine Arbeit gefunden haben. Die Frage ist nur, welche Art von Arbeit das ist. Ich bekomme hier im Matz mit, daß immer mehr Frauen von Arbeitsplätzen kommen, wo sie Werkverträge hatten, Honorare, befristete Dienstverhältnisse, solche Dinge. Also, wenn die meisten in schlechter qualifizierten und ungesicherten Jobs unterkommen, dann ist die ganze Aktion in Frage zu stellen.
V: Wie schätzt du die weitere Entwicklung ein, was müßte getan werden?
M.N.: Wenn die Politik die Verantwortung zum Thema Erwerbslosigkeit weiter nur auf die Arbeitslosen abwälzt, dann heißt das eine weitere Verschärfung der Maßnahmen. Es muß diskutiert werden über die ökonomische Situation. Und es muß diskutiert werden über Arbeitszeitverkürzung und Verteilung der Arbeit, auch der Aufteilung der Familienarbeit auf Männer. Es müßte politisches Ziel sein, die Unternehmer zu zwingen, für die Arbeitsplätze ordentliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die ungesicherten Beschäftigungsverhältnisse müssen gestrichen werden