Antisemitische Anschläge und Demonstrationseinheit gegen Nazis vor dem Hintergrund des Nah-Ost-Kriegs

Stellungnahme der Bundesleitung der Sozialistischen LinksPartei SLP

Ein Welle von Anschlägen auf jüdische Einrichtungen erschüttert Europa. Diese antisemitischen Attacken haben - egal wer sie ausführt - nichts mit einer 'legitimen Antwort' auf Sharons Krieg gegen die PalästinenserInnen zu tun. Sie richten sich gegen Unschuldige und sind mehr als ein Warnsignal - nicht umsonst unterstützen rechtsextreme Kräfte in Europa diese Vorgänge klammheimlich oder offen. Dieser feige Terror gegen JüdInnen muß energisch von der gesamten ArbeiterInnenbewegung und Linken mit allen Mitteln bekämpft werden. Er schadet auch dem Freiheitskampf der PalästinenserInnen.

Spaltung der Anti-Nazi-Demo: Ein fatales Zeichen

Via 'Standard' wurde die Öffentlichkeit am 6./7. April über die Spaltung der Bündnisdemonstration gegen den geplanten Nazi-Aufmasch anlässlich der Wehrmachtsaustellung informiert. Es stellte sich zwar heraus, dass der Großteil der sich 'abgespaltenen' Gruppen und Einzelpersonen sich vorher weder an dieser, noch an ähnlichen antifaschistischen Aktionseinheiten beteiligt hatte. Nichts desto trotz: Zur Begründung dieser Spaltung heißt es im Gegenaufruf, dass es ein fatales Zeichen sei, 'wenn selbst Antifaschisten und Antifaschistinnnen gemeinsam mit Leuten auf die Strasse gehen, die mit ihrem Antizionismus dem Antisemitismus Vorschub leisten.' Was ist mit diesem schweren Vorwurf gemeint? Das 'Forum gegen Antisemitismus' - ein zentraler Proponent des Gegenaufrufs - gibt Aufschluss darüber, wie dieser 'Kampf gegen Antisemtismus und Antizionismus' geführt werden soll. Laut Eigendefinition verfolgt das Forum 'die Aktivitäten von extrem rechten und extrem linken Organisationen'. Diesen 'linksradikalen Gruppen', die sich gegen die Politik Israels aussprechen, wird unter anderem pauschal unterstellt, an 'radikalen Angriffen auf jüdische Einrichtungen' in Europa 'aktiv' (!) beteiligt zu sein.

Links = Rechts?

Wer links- und rechtsradikal gleichsetzt, bewegt sich nicht nur in schlechter Gesellschaft verschiedener 'Historiker' und Politiker, die z.B. ein antikommunistisches Verbotsgesetz fordern (copyright Jörg Haider). Gleichzeitig erinnert der pauschale Verdacht des 'versteckten Antisemitismus' bei jeder Kritik an Isreal stark an die Tradition stalinistischer Betonköpfe, die meinen, die reine Lehre für sich gepachtet zu haben. Es ist wohl kein Zufall, dass ein Teil der FührerInnen der 'Antinationalen' in diesem Milieu sozialisiert wurde.

Zur Orientierung:

'Antinationale' gegen antifaschistische Aktionseinheit

Beim Aktionseinheits-Plenum am 22. März zur Vorbereitung der antifaschistischen Demo anlässlich der angekündigten Nazi-Mobilisierung gegen die Wehrmachtausstellung, forderte die 'Ökologische Linke (Ökoli)', die RKL und Komak/ML aus dem Bündnis rauszuschmeißen, da sie ihrer Meinung nach 'antisemitisch' seien. Dieser Antisemitismus-Vorwurf ist absurd.

Für die SLP ist ein Grundpfeiler für demokratische Bündnisse, die Freiheit der daran beteiligten Gruppen, ihre politischen Positionen frei äußern zu können. Ziel ist in der konkreten Angelegenheit des Bündnisses die größtmögliche Effektivität. Den Rausschmiß einer Gruppe zu fordern, kann durchaus richtig sein. Im gegebenen Fall allerdings leistet die 'Ökoli' rechten Kräften einen Bärendienst, da sie letztlich nicht nur RKL und Komak/ML, sondern - mit Abstufungen - vielen anderen Organisationen der (O-Ton) 'dogmatischen Bewegungslinken' das Etikett des Antisemitismus anklebt.

Die 'Ökoli' bildet den gemäßigten Flügel des 'Antinationalismus', einer im universitären Bereich angesiedelten pseudolinken Strömung. Ihre Vor- und Mit'denker' zeichnen sich durch anti-arabischen Rassismus undUnterstützung für Sharons und Bushs Kriegspolitik aus. Der Zusammenbruch des Stalinismus hat unter dem Eindruck der folgenden bürgerlichen Offensive das Denken und Bewußtsein breiter Teile der Menschheit zurückgeworfen. Mit dem Rechtsruck und der endgültigen Verbürgerlichung sozialdemokratischer und stalinistischer Organisationen ging politische Verwirrung einher, in der sich u.a. auch 'antinationale' Positionen im akademischen Milieu einnisten konnten. In Österrreich formieren sich VertreterInnen aus der 'Basisgruppe Politikwissenschaft' rund um das 'Cafe critique' zur 'antinationalen' Speerspitze.

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Konkret: Historische Verantwortung?!

Für uns ergibt sich aus der Geschichte vor allem eine Verantwortung für die Zukunft: Beim Kampf gegen den Faschismus waren die Kommunistische und Sozialdemokratische Parteiführung unfähig und unwillig, gemeinsam vorzugehen. Dieser Fehler wurde teuer bezahlt. Wenn wir gegen Nazis demonstrieren, übernehmen wir für die Positionen anderer Gruppen keine Verantwortung. Gerade die Beteiligung der Israelitischen Kultusgemeinde an der grossen 13.4.-Mobilisierung wäre ein positives Zeichen und ein Schritt vorwärts gewesen. Die Interventionen von 'Ökoli' und Co. haben dazu beigetragen, dass verschiedene, von den Nazis Betroffene nicht gemeinsam demonstrieren. Das ist fatal und schwächt den Kampf gegen den Antisemitismus. Die Vorgangsweise von 'Ökoli' und Co. erschwert weiters eine seriöse Auseinandersetzung über Antisemitismus in der Linken und öffnet reaktionärer Politik Tür und Tor: Ihr 'Antinationalismus' schlägt konkret in plumpen Nationalismus und Unterstützung für bürgerliche Kriegspolitik um.

Antinationale Sackgasse

Die ausgrenzende dogmatische Politik der 'antinationalen' Gruppen gegenüber Linken und SozialistInnen hat zudem gleichzeitig einen seltsam 'offenen' Zugang in den eigenen Reihen. Die österreichische 'Ökoli' selbst musste kürzlich einen Artikel der in Berlin erscheinenden 'Bahamas' (eine Art Zentralorgan der 'Antinationalen') als 'rassistisch und NS-verharmlosend' bezeichnen. Das hindert Ökoli aber nicht weiter, mit AnhängerInnen dieser Strömung zusammen zu arbeiten. In der Praxis wird jeder 'linke Antinationalismus', der sich (primär) durch Unterstützung der reaktionären nationalistischen Politik der isrealischen herrschenden Klasse definiert, scheitern. Das jüngste Beispiel dafür ist die Demonstration vom 8. April zur Unterstützung des Terror-Feldzugs des israelischen Regimes in den besetzten Gebieten. Die einzige eigenständige politische Regung eines 'antinationalen' Demonstranten mittels rotem Stern auf schwarzer Fahne dauerte keine 60 Sekunden. Danach waren von dieser Manifestation nur mehr Fetzen am Boden übrig geblieben.

Internationalismus

Es gibt keinen Kapitalismus ohne Rassismus. Genaus gilt das für den 'modernen' Antisemitismus, der direkt mit der Herausbildung des kapitalistischen Systems verbunden war. Das CWI steht für die größtmögliche Einheit der ArbeiterInnenklasse und Jugend. Jede Form ethnischer Spaltung muss von der ArbeiterInnenbewegung bekämpft werden. Vor allem in den beiden Hauptsträngen der Bewegung im 20. Jahrhundert, Sozialdemokratie und Stalinismus, waren Chauvinismus und Antisemitismus immer wieder vorhanden. Unsere politische Tradition - die des Trotzkismus - war hier immer wieder Ziel von wüsten antisemitischen Kampagnen. Unser Internaionalismus und Anti-Stalinismus hat in punkto Kampf gegen Antisemitismus und Chauvinismus weder das Urteil der Geschichte noch der Gegenwart zu fürchten.

Nationalismus

Die RKL ordnet sich nationalistischen Strömungen kritiklos unter. Die RKL sieht die ArbeiterInnenklasse nicht mehr als das revolutionäre Subjekt und darüber hinaus Israel als einheitlichen klassenlosen Block. Die Aufgabe des eigenen Klassenstandpunkts führt zwangsläufig zum Nachgeben unter dem unausweichlich vorhandenen nationalistischen Druck. An den Demos gegen den NATO-Krieg gegen Serbien und Kosova/o nahm die damalige SOV (seit Februar 2002 SLP) mit einer Reihe von Losungen, darunter der Forderung auf Selbstbestimmungsrecht für Kosova/o, teil. In diesen Demos waren selbstverständlich nicht nur Linke zu finden. Nach einer uns übermittelten Drohung seitens serbischer Monarchisten, denen unser internationalistischer und sozialistischer Anspruch ein Dorn im Auge ist, hat die RKL es tunlichst unterlassen, gegen diese Einschüchterungsversuche Stellung zu beziehen. Unsere Kritik an der RKL ist, dass sie keinen unabhängigen Klassenstandpunkt vertritt. Nichts desto trotz beteiligt sich diese Gruppe an der Mobilisierung für den 13. April und unterstützt den Aufruf. Das ist konkret die deutlichste Scheidelinie zwischen einer politischen Auseinandersetzung und der Spaltung der Bewegung, wie sie Ökoli und Co. betreiben.

Wer die Gesellschaft nicht mit ihrer Klassenstrutkur begreift und wer nicht einen unabhängigen Standpunkt auf der Seite der jeweiligen ArbeiterInnenklasse, Jugend und anderer unterdrückter Schichten einnimmt, ist notdürftig gezwungen, in den sich zuspitzenden Konflikten einer der reaktionären nationalistischen Sackgassen zu folgen.

Unsere Haltung zum Nahostkrieg

Der Hintergrund der Debatte ist die Kriegs-Eskalation in Isreal/Palästina. Die 'Antinationalen' in Österreich sind mit ihrer Pro-Israel-Postion dort, wo nur mehr der reaktionäre Teil der israelischen Gesellschaft steht. Die israelische Gesellschaft und im speziellen ihr jüdischer Grossteil hat in den 90ern einen bedeutenden Wandel vollzogen: 70% sind heute mit Sharons Wirtschafts- und Sozialpolitik unzufrieden, 49% erkennen seine militärischen Schläge als wirkungslos, um Sicherheit zu bringen. Es gibt eine Grundlage für grundlegende Opposition in Israel selbst. Bereits über 1000 SoldatInnen haben den Einsatz in den besetzten Gebieten öffentlich verweigert!

Nationale Befreiung

Nationale Befreiungsbewegungen spielen im Prozeß der Weltrevolution eine große Rolle. Sie können nur siegreich sein, wenn die ArbeiterInnenklasse im Bündnis mit den bäuerlichen Massen und städtischen verarmten 'Mittelschichten' diese Bewegung mit der sozialen Befreiung verknüpft und die Führung übernimmt. Sowohl für die soziale als auch die nationale Befreiung ist letztlich der Sturz der kapitalistischen Herrschaft nötig.

Sozialismus

Die nationale und soziale Befreiung des palästinensischen Volkes ist bitter nötig. Auf kapitalistischer Grundlage gibt es keinen Frieden; Sozialismus ist notwendig. Auch die Bedürfnisse der israelisch/jüdischen Massen können nur in einem sozialistischen Israel erfüllt werden. Nur zwischen völlig neuen Staaten - einem sozialistischen Israel und einem sozialistischen Palästina - können ernsthafte Friedensverhandlungen und Problemlösungen für die 'unlösbaren Punkte' - u.a. Jerusalem, das Wasser und die Flüchtlingsfrage - gefunden werden. Die PalästinenserInnen haben das Recht, für ihre Freiheit zu kämpfen, auch wenn die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung das - noch - nicht akzeptiert. Für den Sieg der palästinensischen Bewegung ist es aber unerlässlich, ihren Kampf mit einer Absage an den individuellen Terror (Selbstmordanschläge) und einem Aufruf an die israelische Bevölkerung zu verbinden. Der Schlüssel zum Ausweg liegt in der Hand der ArbeiterInnenbewegung; sowohl in den besetzten Gebieten als auch in Israel. Die PalästinenserInnen müssen ihren bewaffneten Widerstand gegen die IDF (israelische Armee) mit Massenaktionen verbinden und die derzeitigen reaktionären Führer durch den Aufbau einer neuen demokratischen Führung durch Basis-Komitees ersetzen.

  • Für den unverzüglichen Abzug der IDF aus allen besetzten Gebieten! International gegen Sharons Krieg!
  • Für das Recht der PalästinenserInnen auf nationale Selbstbestimmung!
  • Für das Recht aller israelischen ReservistInnen, den Dienst in den Gebieten zu verweigern!
  • Für ein sozialistisches Palästina neben einem sozialistischen Israel als Teil einer freiwilligen sozialistischen Föderation im Nahen Osten mit garantierten Rechten für alle nationalen Minderheiten - die einzige realistische Lösung für Krieg, Unterdrückung und Armut!

Unsere israelische Schwesterpartei und Internationale kämpft mit diesem Programm (Auszüge) für die Überwindung des Systems, das für die Unterdrückung der PalästinenserInnen und die Geiselhaft der israelisch/jüdischen Massen verantwortlich ist. In ihrer Stellungnahme aus Jerusalem vom 3. April heißt es unter anderem: 'Wir erklären den jüdischen ArbeiterInnen und Jugendlichen, dass Scharons kapitalistische Regierung der 'nationalen Einheit' ihnen weder Sicherheit noch ordentliche Arbeitsplätze und Lebensbedingungen bieten kann' und weiter unten: 'Heute nahmen unsere Mitglieder an der gemeinsamen Demonstration von 3.500 JüdInnen und PalästinenserInnen gegen den Krieg und die Besetzung am A-Ram-Kontrollposten ausserhalb von Ramallah teil und waren Tränengas und Schlägen durch die israelische Polizei ausgesetzt.' Unsere GenossInnen sind Teil im Aufbau einer multiethnischen sozialistischen Kraft in Israel/Palästina. Anstatt auf die 'Bahamas' (deutsches Zentralorgan des dubiosen 'Antinationalismus') sollte man auf folgende Homepages jetten:

www.maavak.org.il (Israelische Schwesterpartei)

www.socialistworld.org (Komittee für eine ArbeiterInneninternationale)

www.slp.at (Sozialistische LinksPartei)

Wien im April 2002