Di 01.12.1998
Neben den Diskussionen über die „objektive Situation“ - über die Entwicklung der Weltwirtschaft und den Stand des Klassenkampfes - bildete der Erfahrungsaustausch über die Arbeit der verschiedenen Sektionen und Gruppen des CWI einen zentralen Punkt der Diskussion. Es ist nicht möglich, einen vollständigen Bericht zu geben, aber wir versuchen hier einige Beispiele für unsere Arbeit zu geben.
Die politische Arbeit der Sektionen und Gruppen des CWI ist vielfältig und an die unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten angepaßt. Überall sind die GenossInnen des CWI in Klassenkämpfen und Jugendbewegungen aktiv, teilweise führen sie diese Bewegungen an. In vielen, wenn auch nicht in allen Ländern treten die zum CWI gehörenden Parteien bei Wahlen an. Wo sie das tun unterscheiden sie sich von allen anderen Parteien. Eine Reihe von Schwesterorganisationen muß unter besonders schwierigen Bedingungen arbeiten, in Diktaturen und Bürgerkrieg, mit äußerst beschränkten finanziellen Mitteln und in Bereichen, in denen für Frauen politische Arbeit mit massiven Problemen verbunden ist.
GUS und Ukraine
In den Staaten der ehemaligen Sowjetunion konnten die GenossInnen der „Linken Avantgarde" unter äußerst schwierigen Bedingungen in den letzten Jahren enorme Erfolge erzielen. Neben den „üblichen“ Problemen kommt hier noch der Faktor geheimdienstliche Überwachung und Verfolgung durch den Staat hinzu. Genossen des CWI wurden für ihre politische Arbeit bereits hinter Gitter gebracht, Genosse Sergej Kolokov starb an den Folgen der Mißhandlungen in kasachstanischen Gefängnissen. Unser Schwerpunkt war Jugendarbeit und hier v.a. antirassistische Arbeit, was angesichts erstarkender faschistischer Organisationen und einer antisemitischen „kommunistischen“ Partei dringend notwendig ist. In den letzten Monaten stellten die Berarbeiterproteste vor dem Weißen Haus einen Kernpunkt unserer Arbeit dar.
Die erst im April dieses Jahres als Sektion anerkannte Gruppe, hat bereits Orts/Regionalgruppen in Moskau (Russland), Voronezh (Russland), Sankt Petersburg (Russland), Kiew (Ukraine), Moldawien, und kleine Gruppen von GenossInnen und SymphatisantInnen in zahlreichen weiteren Städten Russlands, der Ukraine und Kasachstans, wie zum Beispiel in Vorkuta, Jakutsien, wo wir an den Protesten der Minenarbeiter beteiligt sind. Unserer Organisation sind vor kurzem Bergarbeiter aus dieser Stadt beigetreten; jenem Ort, an dem zig-tausende (=TrotzkistInnen) von den Stalinisten in den (Zwangsarbeits-)Tod geschickt wurden.
Die extremen Distanzen erschweren die Arbeit - um an einem Ortsgruppentreffen teilnehmen zu können, müssen Reisen von mehreren Stunden oder sogar Tagen zurückgelegt werden. Die näheste Ortsgruppe ist von jener in Moskau 8 Stunden entfernt, die weiteste fast zwei Tagesreisen! Trotzdem wird unsere Zeitung in über dreißig Städten verkauft.
Wir sind die einzige internationale sozialistische Organisation, der es gelungen ist in diesem Gebiet dauerhaft, effektive Arbeit zu machen.
Indischer Subkontinent
Um mehr als das Vierfache gestiegen sind die Mitgliedszahlen von Dudiyora Horata (Arbeiterkampf) der Sektion in Indien, wo wir hauptsächlich gewerkschaftliche Arbeit machen. Wir waren an eine Reihe von Streiks beteiligt (Vorwärts berichtete), wie jenem der Busfahrer in Bangalore. Dieser richtet sich, wie eine Reihe von anderen sozialen Kämpfen, gegen Privatisierungsmaßnahmen. Darüberhinaus haben sich die GenossInnen an Kampagnen gegen die Atomtests, die 1998 von Indien und Pakistan durchgeführt wurden, und am Anti-Imperialistischen Forum führend beteiligt.
Die indische Sektion arbeitet eng mit den GenossInnen in Sri Lanka und Pakistan, die beide unter dem Namen United Socialist Party (USP) agieren, zusammen. In allen drei Ländern ist die nationale Frage von zentraler Bedeutung, in Sri Lanka sind wir die einzige Gruppe, die sowohl tamilische als auch singalesische ArbeiterInnen organisiert. Wir arbeiten eng mit der National Awami Party im pakistanisch besetzten Teil Kaschmirs zusammen, von der zwei Vertreter auf dem Weltkongress anwesend waren. Die GenossInnen in Sri Lanka unterstützen die (illegalen) Gewerkschaften in den Sonderwirtschaftszonen und die ArbeiterInnen auf den Teefeldern. Außerdem ist in Indien Frauenarbeit von zentraler Bedeutung.
Infrastrukturelle und logistische, sowie materielle und existentielle Probleme erschweren die Arbeit der GenossInnen enorm. Plakate müssen mit der Hand gemalt werden, ein eigenes Büro, Computer und Telefonanschluß sind keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen unter härtesten Bedingungen erarbeitet werden.
Japan
Kokusai Rentai, ist die derzeit noch kleine Gruppe des CWI in Japan mit Schwerpunkt Osaka, die v.a. Gewerkschaftsarbeit macht. Momentan beteiligen sich die GenossInnen am Kampf um die Erhaltung eines Betriebes am Hafen, der vor zwanzig Jahren kurz davor war, in Konkurs zu gehen und seitdem über die Gewerkschaft von den Beschäftigten selbst verwaltet wird. Wir haben uns an einer Kampagne gegen ein steuergeldverschlingendes Prestigeprojekt in der Erdbebenstadt Kobe beteiligt, wo 300.000 Unterschriften gesammelt wurden. Weiters arbeiten wir unter den SprachschullehrerInnen, die von der Aufweichung der ArbeiterInnenrechte in Folge der tiefen Rezession besonders stark betroffen sind. Die Hauptforderung ist hier „Gegen Deregulierung und Aufweichung des Arbeitsrechts“.
Lateinamerika
Ein kleiner Sprung über den stillen Ozean führt uns nach Brasilien, wo die GenossInnen von Socialismo Revolucinario als Strömung innerhalb der Partei der ArbeiterInnen (PT) aktiv sind. Ein Hauptteil unserer Arbeit liegt hier bei GymnasiastInnen und LehrerInnen. Vor allem die technischen Schulen waren von Kürzungsmaßnahmen von Cardoso und der Stadtverwaltung von Sao Paulo betroffen. In der Bewegung, die sich dagegen entwickelte spielten unsere GenossInnen eine zentrale Rolle und haben sich auch bei der SchülerInnengewerkschaft (UPES) eingebracht. Als Vorbereitung auf eine intensivere künftige Gewerkschaftsarbeit, intervenierten wir in Bewegungen in der Post, Metall- und Maschinenbauindustrie.
In Chile tritt unsere Genossin Vilma Alvarez, Sekretärin und Vorsitzende einer lokalen TextilarbeiterInnengewerkschaft, im Dezember als einzige unabhängige Kandidatin zu den Wahlen des momentan von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Stalinisten untereinander „paritätisch“ aufgeteilten Gewerkschaftsdachverbandes (CUT) an. Auch in der Koordination der im Süden des Landes stattfindenden Landbesetzungen der Mapuchi-Eingeborenen spielen wir eine Rolle, ebenso in den Streikbewegungen Anfang bis Mitte des Jahres, sowie bei den Protesten gegen Pinochet.
USA
In den Vereinigten Staaten liegen die Hauptschwerpunkte der GenossInnen von Justice einerseits in San Francisco, wo wir in der ImmigrantInnenbewegung eine wichtige Rolle spielen und vorwiegend in der lateinamerikanischen Gemeinde arbeiten. Hier lebt der überwiegende Teil nichtregistrierter - und somit nicht wahlberechtigter - ArbeiterInnen. Wir haben hier bei den letzten Wahlen sehr erfolgreich selbst kandidiert und waren die einzigen, die das Thema „Wahlrecht" überhaupt angesprochen haben - wir gingen damit in die lokalen ArbeiterInnenvierteln und die Fabriken. Darüberhinaus arbeiten wir in den Gewerkschaften - z.B. den Teamsters - und in der neugegründeten Labor Party.
Afrika
Mit dem (vermeintlichen) Übergang der Diktatur in die Demokratie und den sich damit öffnenden Möglichkeiten wagten die nigerianischen GenossInnen den Schritt aus der Illegalität und riefen am 21. Juli auf einer öffentlichen Gründungsveranstaltung mit Medienpräsenz die Demokratische Sozialistische Bewegung (DSM) ins Leben. Darüber hinaus sind die GenossInnen aktiv in der Demokratiebewegung und haben neun VertreterInnen im Exekutivkomitee der Nationalen Bewusstseinspartei (NCP), einer radikal-bürgerlichen Partei, in der sie seit 1994 tätig sind, inklusive dem Vorsitzenden des Stadtkreises der Hauptstadt Lagos.
Ayodele Akele, Vorsitzender der Kampagne für eine unabhängige Gewerkschaft (CIU) und des Zusammenschlusses von 13 Industriegewerkschaften im öffentlichen Dienst von Lagos (42.000 Beschäftigte) wurde auf Grund seiner führenden Rolle im Kampf um die Einführung eines Mindestlohn aus dem öffentlichen Dienst entlassen, was zu einem immensen Medienecho geführt hat: in den Editorials von fünf bürgerlichen Tageszeitungen wurde seine Wiedereinstellung gefordert und im beliebtesten Fernsehkanal von Lagos gab Akele ein einstündiges frühmorgendliches Interview, in dem er unsere Ansichten zu seiner Kündigung, dem Mindestlohn und des Rechtes der ArbeiterInnen, politischen Parteien anzugehören, mitteilte.