Di 24.12.2019
1989-91 erlebte die Welt eine Serie dramatischer Umbrüche in Osteuropa mit dem reihenweisen Sturz stalinistischer Diktaturen. Die Auswirkungen sind bis heute von enormer Bedeutung. Blicken wir zurück: Am 13. September 1989 bildete die Gewerkschaft „Solidarnosc“ in Polen aufgrund einer überwältigenden Mehrheit bei der Wahl die erste „nicht-kommunistische“ Regierung im „Ostblock“ seit 1948. Zwei Monate später wurde die Berliner Mauer niedergerissen. Die spektakulären Ereignisse von 1989 inspirierten, zumindest damals, Arbeiter*innen und arme Menschen auf der ganzen Welt, während Diktator*innen überall vor Angst zitterten. Doch die großen Hoffnungen zerfielen zu Illusionen, große Versprechungen und Zuversicht endeten in sozialem Desaster, Instabilität und Kriegen.
Innerhalb von nur zwei Jahren wurde die ehemalige DDR vom kapitalistischen Westen übernommen. Ursprünglich lauteten die Forderungen der Demonstrant*innen allerdings "freie Wahlen, freie Medien, Reisefreiheit und demokratischer Sozialismus". Aufgrund des Fehlens einer organisierten politischen Kraft für den Aufbau einer echten sozialistischen Arbeiter*innen-Demokratie konnte jedoch der westdeutsche Kapitalismus das ganze Land unter seiner Kontrolle wiedervereinigen. In weiterer Folge begann Jugoslawien zu zerfallen. Nach dem gescheiterten Staatsstreich im August 1991 brach die Sowjetunion zusammen, in der Folge auch die Tschechoslowakei.
Der Kapitalismus wurde in der gesamten Region wiederhergestellt. Der Kalte Krieg endete mit der Auflösung des Militärblocks Warschauer Pakt, der gegen den US-Imperialismus gerichtet war. Francis Fukuyama kündigte 1992 mit vollem Triumphgehabe das "Ende der Geschichte" an. Damit meinte er, dass von nun an keine sozialen Revolutionen mehr stattfinden bräuchten bzw. würden, da der Kapitalismus die höchste Entwicklungsstufe der Menschheit darstelle. Dieser Standpunkt ist mittlerweile genauso Geschichte wie die Herrschaft der stalinistischen Bürokratien.
Die Massenbewegungen wurden damals von der Hoffnung angetrieben, dass durch die Abschaffung der abscheulichen bürokratischen Diktaturen das Leben dramatisch verbessert werden würde. Demokratie sollte sich mit sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt verbinden. Doch die Region verbrachte das folgende Jahrzehnt in einer schrecklichen wirtschaftlichen Depression, die schlimmer war als in den 1930er Jahren. Die ehemals zentral geplanten Volkswirtschaften wurden durch das Chaos des „freien Marktes“ ersetzt. Während der deutsche Kanzler Kohl „blühende Landschaften“ versprach, zeigten sich immer stärker Merkmale von „Entwicklungsländern“ bzw. der neo-kolonialen Welt. Selbst die Weltbank als einer der Hauptarchitekten des Übergangs musste offenlegen, dass das Brutto-Inlands-Produkt in Mittel- und Osteuropa bis zum Jahr 2000 um 15% und in der ehemaligen UdSSR um 40% zurückgegangen war. Die Zahl der in absoluter Armut lebenden Menschen stieg von 4% auf 20%.
Zum ersten Mal seit 1945 brachen in Europa und Zentralasien Kriege zwischen Staaten aus. Brutale ethnische Konflikte forderten unmittelbar hunderttausende Menschenleben. Etwa vier Millionen Menschen wurden vertrieben, als die imperialistischen Mächte und die neuen nationalen kapitalistischen Eliten um das Wrack des ehemaligen Jugoslawiens kämpften. Mindestens 150.000 Menschen starben in den beiden russisch-tschetschenischen Kriegen und weitere 60.000 im tadschikischen Bürger*innen-Krieg. Die Konflikte in Moldawien, Georgien, zwischen Armenien und Aserbaidschan sowie in der Ostukraine sind nach wie vor ungelöst. Ein Blick zurück, um vorbereitet zu sein auf die kommenden Bewegungen.