Mi 05.11.2014
Ein Vierteljahrhundert ist es her, dass die Deutsche Mauer fiel. Ein Vierteljahrhundert kapitalistischer Ausbeutung, des Sozialabbau und der Unterdrückung – auch in Ostdeutschland. Seit dem historischen Ereignis am 9.11.1989 versuchen bürgerliche PolitikerInnen und Eliten krampfhaft, die Unausweichlichkeit der Wiedererrichtung des Kapitalismus zu betonen. Doch während der Massenbewegungen 89/90 stellte sich für viele Menschen eine ganz andere Frage: Wie erreichen wir echten Sozialismus?
Die Ausgangssituation? 40 Jahre lang, seit 1945, lebten die Menschen in Ostdeutschland in stalinistischer Umklammerung. Demokratische Mitbestimmungsrechte , Reise- oder Pressefreiheit, Meinungsfreiheit oder gar ArbeiterInnendemokratie – Fehlanzeige! Dafür wuchs die Korruption wie ein Geschwür und die abgehobene Bürokratie war ein Hindernis für die Entwicklung im Rahmen der geplanten Wirtschaft Ostdeutschlands. Was MarxistInnen schon seit langem betonen, hatte sich bewahrheitet: Sozialismus funktioniert nur international, nicht in einem Block und erst recht nicht in einem Land. Als Folge dieser Entwicklung stagnierte die Produktion und die Versuche des Staatsapparates, die aufkeimenden sozialen und gesellschaftlichen Probleme zu unterdrücken, scheiterten zunehmend.
Während viele Jahre lang (noch bis zum Sommer 1989) die Menschen versuchten, aus der DDR zu fliehen, änderte sich dieser Wunsch auf den Leipziger Montagsdemonstrationen am 25. September schlagartig. „Wir bleiben hier!“ war die neue Losung. Die Proteste weiteten sich aus, am 4. November ging in Ost-Berlin eine Million Menschen auf die Straße. Sie stellten nicht die Unterscheidungsmerkmale zu kapitalistischen Staaten – wie z.B. die Planwirtschaft – in Frage, sondern die Privilegien der FunktionärInnen der Sozialistischen Einheitspartei (SED).
Im Zuge der Proteste bildeten sich eine Vielzahl von oppositionellen Organisationen. Ein großer Teil von ihnen strebte offen einen echten, demokratischen Sozialismus an. Vom Rostocker „Klinikrat“ und den Räten im Tierpark Berlin über Ansätze von Lehrlingsräten in Betrieben bis hin zu Studentenräten (welche diesen Namen in Leipzig und Rostock nach wie vor tragen) bildeten sich von den Betroffenen organisierte Strukturen an Schulen, Universitäten und in den Betrieben. Sogar die MitarbeiterInnen des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) wählten eine eigene Interessensvertretung. Durch diese neuen und demokratischen Strukturen der ArbeiterInnenklasse wurden Verbesserungen wie der schulfreie Samstag erkämpft, die Protestierenden schöpften Mut. Es kam zu einer regelrechten „Neuverstaatlichung“ der bereits verstaatlichten Betriebe – nur eben demokratisch und unter Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung.
Die Revolution in der DDR war der Beginn einer politische Revolution, wie sie der Kommunist Leo Trotzki für die stalinistischen Staaten als notwendig erkannt hatte. Im Gegensatz zur sozialen Revolution (wie z.B. in Russland 1917) war der Kapitalismus bereits abgeschafft, es galt also keine kapitalistische Klasse zu enteignen. Nur herrschte in den „realsozialistischen“ Staaten nicht die ArbeiterInnenklasse, sondern eine abgehobene bürokratischen Kaste. „Jedenfalls ist die Bürokratie nur durch eine revolutionäre Kraft zu entheben,…“ (Trotzki), und diese fehlte in der DDR. In den neugebildeten, freien Gewerkschaften wurde die Entstalinisierung vorangetrieben. Die SED stand dieser Entwicklung hilflos gegenüber, da ihre FunktionärInnen anders als politische „Führungskräfte“ z.B. im kapitalistischen Westdeutschland ihre Macht alleine aus ihren Ämtern, und nicht etwa aus dem Besitz von Privateigentum zogen. Doch es gab keinen „subjektiven Faktor“, keine revolutionäre Partei, welche die einzelnen Strukturen zusammengebracht hätte.
Hinzu kam noch die internationale Isolation, welcher sich die Bewegung in der DDR ausgesetzt sah und der Wirtschaftsaufschwung in der BRD. Diese Kombination ermöglichte es dem Kapitalismus, sich als tragfähige Alternative zu präsentieren. Gruppen wie die „Marxisten für die Rätedemokratie“, die diese Entwicklung erkannten, waren zu klein, um einen relevanten Einfluss auf die Geschehnisse zu nehmen.
Mit scheinheiligen Versprechungen nach „blühenden Landschaften“ gelang es dem damaligen Bundeskanzler der BRD, Helmut Kohl, die Revolution in Richtung Kapitalismus und Wiedervereinigung zu manövrieren. Die Massen wurden um ihre Zukunft geprellt.
Die heute weit verbreitete „Ostalgie“ hat eine reale Basis: Die Armut in Deutschland steigt ständig, besonders krass ist das Ost/West-Gefälle. Menschen in Ostdeutschland sind ärmer. Die Bruttolöhne sind im Osten um 17% niedriger als im Westen. Was früher die Stasi war, sind heute NSA und Bundesnachrichtendienst. Deutsche Waffen morden weltweit, der versprochene Wohlstand ist nicht eingetreten.
Wäre die Revolution vor 25 Jahren erfolgreich gewesen, unsere Welt wäre heute eine andere. Ein auf internationalen Sozialismus orientiertes Ostdeutschland hätte ein Vorbild für die Menschen in den anderen stalinistischen Staaten und auch im Rest der Welt sein können, die Barbarei der vergangenen 25 Jahre hätte verhindert werden können.