Sa 01.05.1999
In den letzten Jahren ist es in Mode gekommen, jedes Jahr vermarktungsgerecht unter ein Motto zu stellen. Dazu mußte wir 1998 ein „Sissyjahr“ über uns ergehen lassen und 1999 werden wir mit einem „Straußjahr“ beglückt. Schön, daß es aber auch noch andere Gründe zu gedenken oder feiern gibt - sportliche.
Heuer feiert einer der größten österreichischen Traditionsvereine - RAPID Wien - seinen 100. Geburtstag. Grund genug, um sich ein paar der besten Anekdoten und Mythen genauer anzuschauen.
Die Vereinsfarben
Als sich im Jänner 1899 der „1. Wiener Arbeiter-Fußball-Club“ seinen neuen Namen „Rapid-Wien“ gab, diente als Vorlage der deutsche Verein „Rapid-Berlin“. Doch während die Wiener Rapid zur Traditions- und Erfolgsmannschaft avancierte, verschwand der damals bekannte und bewunderte Berliner Namensvetter in der Versenkung und Vergessenheit.
Nicht so leicht ist die Frage zu beantworten, wie es zur Farbenwahl Rapids kam: Eine Theorie besagt, daß dieser mit den alten Farben und deren „Verliere-Image“ zusammenhänge. Nicht umsonst wurden von der Presse hohe Niederlagen in Anlehnung an den alten Namen „1. Wiener Arbeiter...“ als „Arbeiterresultat“ bezeichnet. Im offiziellen Buch zum 100. Geburtstag Rapids (Döcker-Verlag) heißt es wiederum, daß einer der Hauptgründe der gewesen sei, daß sich durchs Waschen die blau-roten Dressen schließlich in Violette verfärbten. So habe man die Farben der Straßenbahnen des 14. und 15. Wiener Gemeindebezirks ausgewählt.
Trotzki und Rapid
Auf den ersten Blick erscheint die Verbindung von Leo Trotzki und Rapid ein wenig suspekt (sie bleibt es auch) - das offizielle Rapid-Buch schafft diese mühelos in einem eigenen (!) Kapitel. Der russische Revolutionär Trotzki wohnte während seines Wiener Exils im 15. Bezirk, indem auch Rapid beheimatet war. Rapid war der „1. Arbeiter-Fußball-Club“ - eine Bezeichnung, der Trotzki wahrscheinlich nicht abgeneigt war. Aber trotzdem weit gefehlt. Nähere Auskunft gibt auch hier das „Rapid-Buch“: Es erzähltdie fiktive Geschichte über einen Rapidspieler - Franz Schediwy - in einem „russischen“ Kriegsgefangenenlager, der auf den damaligen Kriegskommissar Leo Trotzki trifft. Nachdem Trotzki ein Spiel der Gefangenmannschaft beobachtete, will er den Rapidspieler dazu bewegen, Sportkommissar zu werden. Doch dieser lehnt schließlich ab und so wettet der Trotzki mit dem Kriegsgefangenen, daß der eine Rußland zur blühenden Sowjetunion und der andere Rapid zum Rekordmeister machen werde. Nun, Trotzki wurde 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen und schließlich von einem Schergen Stalins ermordet - Rapid hingegen wurde Rekordmeister. Ein wenig erinnert dieses „Kriegsmärchen“ an die Anekdote von Julius Deutsch, in der er von einem Gespräch über die Aussichten einer russischen Revolution mit einem österreichischen Minister sprach. Der soll damals witzelnd gefragt haben, wer denn die Revolution machen solle:.vielleicht „der Herr Trotzki aus dem Cafe Central?“
Wie wir sehen können, blickt Rapid auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Aber ein Kapitel ist bis jetzt noch nicht aufgeschlagen worden - das der Zeit von 1938-45. Während andere, ebenfalls mit der ArbeiterInnengeschichte verbundene Traditionsvereine, wie die Wiener Austria, in dieser Zeit verboten waren, erlangte Rapid zwei Titel: 1939 deutscher Pokalsieger und 1941 deutscher Meister - nichts, worauf ein echter Rapid-Fan stolz sein könnte!