Mi 03.10.2012
Der Milliardär Frank Stronach hat das Institut für sozialökonomische Gerechtigkeit gegründet. Die FPÖ präsentiert sich als „soziale Heimatpartei“. Beide argumentieren für eine nationalistische Lösung der Wirtschaftskrise. Stronach ist für den Austritt aus dem Euro. Strache will einen Rauswurf der „Schwachen“ und einen starken Euro um Deutschland herum. Das gewünschte Ergebnis ist ähnlich: Österreichs Wirtschaft soll durch die wiedergewonnene Eigenständigkeit florieren. Soweit die populistische Propaganda.
Die aktuelle Wirtschaftskrise ist eine strukturelle Krise des Kapitalismus. Der „Wahnwitz“ der Finanzmärkte oder die „Fehler“ von Regierungen oder einzelnen Unternehmen sind nur Symptom, nicht Ursache der Probleme. Die österreichische Wirtschaft ist mittendrin. Sie profitiert von den Angriffen auf die Rechte der Beschäftigten, die jetzt in der Krise von der EU gefordert und durchgeführt werden. Sie ist aber auch abhängig von internationalen Entwicklungen. Tatsächlich sind die Fundamente der österreichischen Wirtschaft schwach: Exportabhängigkeit, hohes Engagement der Banken in Osteuropa, schwache Inlandsnachfrage.
Das schwache Wachstum der letzten Periode fand v.a. im Schlepptau der deutschen Wirtschaft statt. Aktuelle Untersuchungen gehen für 2012 von einem Wachstum von unter einem Prozent aus. Die Wirtschaftsforschungsinstitute benennen zwar die Risiken, verbreiten aber auch die Illusion, dass diese nicht schlagend würden. Also „eh alles gut“. Doch danach sieht es nicht aus. Die EU kracht an allen Ecken. Weitere „Rettungspakete“ sind in den kommenden Monaten wahrscheinlich. Natürlich auf unsere Kosten.
Rund 70% aller heimischen Exporte gehen in EU-Staaten, 12% der Nachfrage nach Deutschland. Dortige Probleme werden also schnell zu Österreichischen. Sinkt die Nachfrage in Deutschland, bricht in Österreich die Wirtschaft ein. Den Unternehmen sind diese Gefahren bewusst. Das zeigt sich an den niedrigen Investitionen.
Die heimische Wirtschaft bunkert Milliarden und behauptet, kein Geld für Lohnerhöhungen zu haben!
Wie reagieren die heimische Politik und die Wirtschaft auf diese Zukunftsaussichten? Sie versuchen, die „Wettbewerbsfähigkeit“ zu steigern. Das bedeutet, österreichische Waren auf ausländischen Märkten billiger zu machen. Da die Rohstoffpreise steigen und die meisten auch importiert werden, kann eigentlich nur beim „Kostenfaktor“ Arbeit gespart werden. Für uns heißt das dann weniger Geld für mehr Arbeit und höherer Arbeitsdruck.
Das ist kein neuer Trend: Die realen Lohnstückkosten (also wie viel die Produktion eines „Stücks“ kostet) sind seit 1980 um fast ein Fünftel gesunken. Dass ist mehr als in Deutschland oder im EU-Durchschnitt. In der Krise hat sich dieser Trend fortgesetzt. Die Unternehmen erhalten Steuergeschenke, Subventionen oder erpressen mit dem Verweis auf die Krise niedrige Lohnabschlüsse. Der Grund dafür ist aber nicht, dass die Unternehmen kein Geld hätten. Das behaupten sie zwar immer gerade vor Lohnverhandlungen, die Realität sieht aber anders aus. Das beweist auch eine PwC-Studie: „Die österreichischen Leitbetriebe setzen lieber auf Bargeldreserven als auf Investitionen.“
Auch das ist nicht neu. Seit Ende der 1970er Jahre steigt die Gewinnquote regelmäßig. Auch in Krisenperioden. Die Investitionsquote dagegen bleibt stabil bzw. sinkt sogar (Quelle: WIFO, Statistik Austria). Das bedeutet, dass die Wirtschaft selbst nicht an Aufschwung und „alles wird gut“ glaubt. Es bedeutet aber auch, dass genug Geld da wäre, um in neue Jobs, ordentliche Löhne und Gehälter, in unser Gesundheits-, Bildungs- oder Pensionssystem, in neue Maschinen etc. zu investieren. Sie wollen es nur nicht, weil sie sich davon keine Gewinne erwarten. Trotzdem wird ständig erklärt, dass „die Wirtschaft“ bei Lohnkosten, Steuern und Abgaben sparen müsse.
Wir Beschäftigte haben diese Geldreserven erwirtschaftet und haben deswegen auch Anspruch darauf. Das CWI fordert daher, dass diese Reserven mit mind. 50% besteuert und für dringend notwendige Investitionen in Bildung, Gesundheit, Wohnen oder ein ökologisches Transportwesen verwendet werden.
Wo sind aber die rechten PopulistInnen, wenn es um den Ausbau des Sozialstaates, um bessere Arbeitsbedingungen oder höhere Löhne geht? Stronach fordert eine Flat Tax, die unsozialste Steuerform überhaupt. Dass das dem Unternehmer und Milliardär gefällt, ist nachvollziehbar. Und die FPÖ? In ihrem Leitantrag „Österreich zuerst“ finden sich hauptsächlich Angriffe auf MigrantInnen. Doch wenn die Wirtschaft „wenig Lust auf eine Aufstockung des Mitarbeiterstandes hat“ (Zitat: Wiener Wirtschaft), dann sind nicht MigrantInnen dafür verantwortlich, sondern eben Leute wie Stronach.
Unternehmen sind heute eng verflochten mit Banken und Versicherungen. Sie alle investieren seit Langem in der Hoffnung auf riesige Gewinne in riskante Finanzkonstrukte. Als diese krachen gingen, wurden die Verluste seit 2007 der Öffentlichen Hand umgehängt. Bis heute haben österreichische Banken geschätzte 240 Milliarden Euro in wackeligen Krediten in Osteuropa stecken. Das Ausfallrisiko liegt zwischen einer Milliarde (österreichische Schätzung) und 10 Milliarden Euro (EU-Schätzung). Damit es für die Banken keine harte Bruchlandung gibt, haben wir schon viel bezahlt. Das Bankenrettungspaket wurde gleich einmal mit 100 Milliarden ausgestattet. Für Kommunalkredit, Hypo-Alpe-Adria und Volksbanken AG wurden bereits Milliarden an Steuergeldern verwendet. Von den riesigen Gewinnen aber, die diese Institute in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hatten, haben wir nichts gesehen. Die haben die InhaberInnen und AktionärInnen eingestreift.
Die internationale Verflechtung der österreichischen Wirtschaft macht deutlich, dass alle nationalistischen Lösungen eine Illusion sind und Schiffbruch erleiden werden. Herr Stronach will keine Steuern zahlen, das steckt letztlich hinter seinem ganzen Konzept. Und dass er das auch jetzt schon nicht tut, zeigt sich daran, dass er steuertechnisch in die Schweiz geflüchtet ist. Die FPÖ und Strache helfen ihm dabei, wenn sie eine Vermögens- oder Erbschaftssteuer strikt ablehnen.
Weder ein Austritt aus der EU noch die Wiedereinführung des Schilling oder ähnliche Modelle würden an der Verstrickung der österreichischen Wirtschaft mit der EU irgendetwas ändern. Betriebe in Österreich werden - egal in welcher Währung - im Versuch, international konkurrenzfähig zu bleiben, die Löhne weiter reduzieren und noch mehr Steuergeld verlangen. Doch weil gerade auch die Gewerkschaftsbürokratie auf die „Österreich zuerst“ Standortlogik setzt, haben nationalistische Kräfte es leicht, ihre Propaganda zu verbreiten.
Eine Verteidigung des eigenen Lebensstandards kann nur gemeinsam mit KollegInnen aus und in anderen Ländern auf Dauer möglich sein. Wir wollen nicht nur eine verbesserte EU. Denn solange sich die EU nach den kapitalistischen Spielregeln und Notwendigkeiten orientiert, wird sich an ihrer Politik nichts ändern. Wir wollen eine andere europäische Vereinigung und zwar auf sozialistischer Grundlage. Nicht Profite, sondern die Bedürfnisse der Menschen stehen dann im Zentrum der Gesellschaft.