Mo 26.06.2006
Am Wochenende 24/25. Juni gab es eine Klausur der ÖGB-Spitzen. Das Treffen fand im Wiener Hotel Renaissance statt. Warum - v.a. angesichts der tiefen Finanzkrise des ÖGB - nicht Gewerkschaftsräumlichkeiten für das Treffen verwendet wurden, ist nicht klar, aber wahrscheinlich meinen die Herren und Damen SpitzenfunktionärInnen, dass uns Mitglieder so eine Sitzung die paar tausend Euro (geschätzte Kosten: ca. 5300.-) schon wert sein müssen.
Vor dem Hotel fand eine Kundgebung von Gewerkschaftsmitgliedern statt - die Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften sowie eine Reihe junger Gewerkschaftsmitglieder aus verschiedenen Fachgewerkschaften und Bundesländern empfingen die SpitzenfunktionärInnen (von denen viele in teuren Autos einfach an uns vorbei fuhren). Wir machten deutlich, dass wir am Diskussionsprozess teilhaben wollen, das wir Ideen und Vorschläge für die "Reform" des ÖGB haben. Das wurde abgelehnt mit der Erklärung, "später werden wir die Mitglieder eh fragen". Ein Gewerkschaftsmitglied (seit 20 Jahren Mitglied) sagte zu GPA-Vorsitzendem Kazian "ich fühl mich von Dir aber nicht vertreten". Darauf O-Ton Kazian: "Dann hast Du ein Problem".
Es ist bezeichnend, das die Gewerkschaftsspitzen WIEDER unter Ausschluss der Mitglieder verhandeln, dass sie die Mitglieder teilweise sogar ignorieren und das ein Gewerkschaftsvorsitzender sich nicht fragt, was er falsch gemacht hat, wenn sich die Basis nicht von ihm vertreten fühlt.
Die "Ergebnisse" der Klausur zeigen eine Fortführung der bisherigen Politik. Die neue Einkommensobergrenze wird bei 140 Prozent eines Nationalratsabgeordnetengehalts liegen, rund 11.060 Euro. Wahrscheinlich halten sie das noch für ein großes Zugeständnis. Zum Vergleich: 90% der 5,9 Millionen Erwerbstätigen in Österreich verdienen weniger als 3500.- Euro brutto pro Monat.
Die angekündigte Stärkung der Einzelgewerkschaften weist darauf hin, dass es gewaltig brodelt und auf diese Art und Weise versucht wird, die Fachgewerkschaften im Boot zu halten. Diese stehen unter einem weit stärkerem Druck durch die Mitgliedschaft auch am politischen - bisher laschen - Kurs etwas zu ändern.
Insgesamt zeigen Vorgehensweise und Ergebnis, dass die ÖGB-Führung noch immer nicht kapiert hat, oder kapieren will, dass ein grundlegender Kurswechsel notwendig ist. Das Gewerkschaften sich von ihrem sozialpartnerschaftlichen Kuschelkurs verabschieden müssen und endlich die Mitglieder entscheiden müssen.