So 01.07.2001
“Wir sind eine Kampforganisation“ sagte ÖGB-Vizevorsitzender Nürnberger bei der ÖGB-„Demo für Demokratie“ am 5. Juli. Ungewohnt scharfe Worte. Nur: Soll der Widerstand Wirkung zeigen, dann müssen den Worten endlich Taten folgen.
„Wann denn, wenn nicht jetzt, soll der ÖGB sagen, es reicht?“ – auch das ein Zitat von Nürnberger. Jetzt ist allerdings reichlich spät. Nach den Angriffen auf das Pensionssystem, zwei Belastungspaketen, der Einführung von Ambulanzgebühren und den Studiengebühren. Tatsächlich hätte der ÖGB schon längst aktiv werden müssen, hat aber über ein Jahr blauschwarze Regierung mit allen Verschlechterungen verstreichen lassen.
Demo als erster Schritt
Trotzdem ist die Großdemonstration vom 5. Juli mit 50.000 TeilnehmerInnen ein Schritt in die richtige Richtung. Erstmals mobilisierte der ÖGB auch Basismitglieder und „kleine“ FunktionärInnen. Die Stimmung auf der Demonstration macht deutlich, dass diese nur darauf gewartet hatten, endlich etwas zu „tun“. Unmut besteht schon länger, nur fehlt(e) es an Erfahrung und Ideen, was zu tun sei.
Denn der ÖGB hat in seiner Geschichte v.a. eines ausgeprägten Hang zur Stellvertreterpolitik entwickelt. Verhandlungen hinter verschlossenen Türen und faule Kompromisse sind die konkreten Auswirkungen der vielgerühmten Sozialpartnerschaft. Auch jetzt ist die Sozialpartnerschaft das hohe Gut, das verteidigt werden soll. Aber von jener „Partnerschaft“ profitierten v.a. die Unternehmer. Wurde sie ihnen lästig, wurde auch sozial-unpartnerschaftlich agiert.
Das Verständnis des ÖGB wurde in der Rede eines Funktionärs am Ballhausplatz deutlich, der in Verteidigung der Sozialversicherung meinte, nicht die Regierung solle das Sagen haben, sondern jene, die die Beiträge kassieren. Falsch, sagen wir, jene, die die Beiträge zahlen, sollen entscheiden. Aber das war kein „Versprecher“, sondern spiegelt die Position der ÖGB-Führung wieder, für die die eigene Basis nicht wirklich mündig ist. Damit der ÖGB kämpferischer wird, muss er auch demokratischer werden und die Mitglieder entscheiden. Gewählte VertreterInnen müssen jederzeit wieder abgewählt werden können und dürfen nicht mehr verdienen als jene, die sie vertreten sollen.
Und noch einmal Nürnberger, der rethorisch-schockiert feststellt, dass die „Proteste der Menschen ungehört bleiben“. Was hat die ÖGB-Führung geglaubt? Das die Regierung angesichts einer Demonstration, die noch dazu erst am Tag vor der Beschlussfassung im Parlament abgehalten wurde, auf ihre Pläne verzichten würde? Warum sollte sie, da die bisherigen Drohungen des ÖGB sich doch nur als Papiertiger herausgestellt haben. „Streik“ oder gar „Generalstreik“ ist als Begriff in das Vokabular der Gewerkschaftsspitzen zurückgekehrt. Aber eine Drohung wird wirkungslos, wenn der Ankündigung keine Taten folgen.
Urabstimmung – worüber?
Der ÖGB plant für Herbst eine Urabstimmung. Aber worüber? Und wird sie so ernstgenommen werden, wie jene der LehrerInnen in der GÖD, die für Streik stimmten? Eine Forderung, die von der ÖGB-Spitze ignoriert wurde. Die Angriffe der Regierung haben mit dem Angriff auf die Sozialversicherungen nur einen neuen Höhepunkt, aber keinesfalls einen Schlußpunkt gefunden.
Sie werden immer frecher, weil echte Gegenwehr bisher fehlt. Die nächsten Schritte: Das Arbeitsmarktservice in eine GmbH umzuwandeln und unter die alleinige Macht des Arbeitsministers zu stellen; die Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose weiter abzusenken; weiterer Sozialabbau zur Erreichung des Nulldefizites und um die Wünsche der Wirtschaft finanzieren zu können...
Es reicht – Jetzt handeln!
„Streik“ ist kein Allheilmittel und v.a. kein beliebig Abrufbares. Aber es ist letztlich das einzige, das verstanden wird.
„Wir kommen wieder“ als Ausfluss der ÖGB-Demo ist daher zuwenig. Den Verkehr in Wien lahmzulegen reicht nicht. Offensichtlich ist der Regierung klarer als der Gewerkschaftsspitze, dass Streik eine ernste Waffe ist. Nicht zufällig denkt Riess-Passer über ein Streikverbot im Öffentlichen Dienst nach.
Die SLP war am 5.7. auf der Demonstration vertreten. Unsere zentrale Losung war „Streik jetzt“. Als Vertreter der Plattform “Keine Zerschlagung der Sozialversicherung” erklärte Wilfried Leisch: „Das Gebot der Stunde sei daher handeln, und nicht mehr verhandeln.“ Dem können wir uns nur anschließen. Eine Urabstimmung kann nicht der Höhepunkt sondern nur der Startschuß für echten Widerstand sein. Die Gewerkschaftsführung muss jetzt sofort an die Organisierung eines österreichweiten Streiktages als erste Warnung gehen. Und wir alle müssen in den Gewerkschaften für eine solche Politik eintreten!