Di 11.03.2014
Hunderttausende protestierten in Madrid gegen den Gesetzesentwurf der konservativen Rajoy-Regierung zur Verschärfung des Abtreibungsrechts in Spanien. Einer Umfrage der Zeitung „El Periódico de Catalunya“ zufolge sind 80 Prozent der SpanierInnen gegen das neue Abtreibungsgesetz.
Erst 2010 wurde das Abtreibungsgesetz in Spanien gelockert – der Schwangerschaftsabbruch bis zur 14. Woche wurde legalisiert. Das soll nun wieder zurückgenommen werden, ersetzt durch eine sogenannte „Indikationslösung“. Das bedeutet, dass künftig nur noch Abtreibungen nach Vergewaltigungen oder bei besonders gravierenden gesundheitlichen Risiken erlaubt sein sollen. Das bedeutet auch, dass selbst das Recht von Minderjährigen ohne elterliche Einwilligung, das 2010 eingeführt wurde, nun nicht mehr Recht sein soll, sondern „Delikt“. Auch die rezeptfreie „Pille danach“ könnte durch das neue Gesetz nicht mehr so einfach in Apotheken erhältlich sein.
Was bedeutet ein Abtreibungsverbot in Krisenzeiten?
Seit dem Einbruch der Krise musste die südeuropäische Bevölkerung fatale Angriffe auf ihren Lebensstandard hinnehmen. Frauen und Familien mit Kindern wurden von den Kürzungen besonders hart getroffen. In Spanien ist die Arbeitslosigkeit von Frauen in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt, 2013 lag sie bei etwa 50 Prozent. Erst 2012 wurden die Gelder für Gesundheit und Bildung um zehn Milliarden gekürzt. Das Kindergeld liegt in Spanien bei 25,24 Euro im Monat, viele Familien können sich die Kita-Gebühren nicht mehr leisten. „Rettungspakete“ gab es viele – aber Rettung ist nicht in Sicht. Vor diesem Hintergrund ist das geplante Abtreibungsverbot besonders fatal. Denn leider hängt in der kapitalistischen Gesellschaft die Frage, ob man ein Kind bekommen will, nicht nur von Wollen, sondern auch von Können ab. Kann ich meine Miete noch zahlen, wenn ich nebenbei meine Tochter ernähren muss? Kann ich trotz der hohen Arbeitslosigkeit einen Job finden, bei dem ich mich nebenbei um meinen Sohn kümmern kann, wenn die Kita nebenan dichtmacht? Erst letztes Jahr sind in Folge der Krise die Geburtenraten in Südeuropa stark zurückgegangen, denn für viele Frauen bedeutet die Geburt eines Kindes in dieser sozialen Situation den letzten Stoß in Verarmung und Elend.
Abtreibungsverbot – Eine Frage von Leben und Tod
Im Oktober 2012 starb in einem irischen Krankenhaus die 31-jährige Savita Halappanavars. Sie war in der 17. Woche schwanger, und obwohl es Komplikationen gab, wurde ihr eine Abtreibung verweigert, solange der Fötus am Leben war, was – wahrscheinlich aufgrund einer Infektion – letztlich zu ihrem Tod führte. „Das ist ein katholisches Land“, sagte ihr Arzt. Als Folge von Abtreibungsverboten fanden den Vereinten Nationen (UN) zufolge im Jahr 2000 rund 42 Millionen „unsichere“ Abtreibungen statt, von denen etwa 30.000 zum Tod der Frauen führten. Die Frage, ob Abtreibung legal ist, ist vor allem in Krisenzeiten für viele Frauen eine Frage von Leben und Tod.
Unsere Gesundheit darf nicht von Rettungspaketen abhängen!
Erst kürzlich wurden in Griechenland alle Polikliniken geschlossen, rund 8.500 Stellen für ÄrztInnen wurden weggekürzt. Die Begründung: Vor der Europa-Wahl ist kein Platz für neue Rettungspakete. Unsere Gesundheit darf nicht von Rettungspaketen abhängen! In ganz Europa wurden in den letzten Jahren Schulen und Kitas geschlossen und Sozialhilfe weggekürzt. Frauen, Männer und Familien werden in unserer Gesellschaft bei der Erziehung von Kindern alleingelassen – alle Gefahren und Ängste müssen sie allein meistern, während um sie herum die Wirtschaft den Bach runtergeht. Gerade in einer solchen Gesellschaft kann es nicht auch noch die Entscheidung der Herrschenden sein, ob wir Kinder bekommen oder nicht. Profite sind im Kapitalismus wichtiger als Menschenleben. Die Entscheidung, was mit unserer Gesundheit passiert, ob wir soziale Hilfe beanspruchen können und was mit unserem Körper geschieht, soll uns abgenommen werden – wir müssen sie uns zurückholen!