Mo 01.06.1998
Am 18. Mai fanden beim Österreichischen Hilfswerk für Taubblinde (ÖHTB), einem gemeinnützigen Verein zur Betreuung behinderter Menschen, Betriebsratswahlen statt.
Michael Gehmacher, Behindertenbetreuer und SOV-Gewerkschaftssprecher, wurde in den Betriebsrat gewählt. Bei der Betriebsratswahl kandidierte der jetzige - aus 5 Aktiven und 5 Ersatzmitgliedern bestehende - Betriebsrat gemeinsam auf einer unabhängigen Liste.
Vorwärts: Wieso hast Du für den Betriebsrat kandidiert?
MG: Das pädagogische Personal des ÖHTB war früher auf 2 Vereine aufgeteilt - ÖHTB und ÖHTB-Fachwerk. Ich habe ´95 beim Fachwerk als Betreuer in einer Wohngemeinschaft begonnen. Dort arbeiteten Fachwerkangestellte gemeinsam mit ÖHTB-Angestellten. Der einzige Unterschied bestand de facto darin, daß wir Fachwerkangestellten rechtlich etwas schlechter gestellt waren.
In beiden Vereinen gab es damals Betriebsratsmitglieder, die dem GLB nahe standen. Einer z.B. war Gerhard Hauptmann vom GLB, der damals Betriebsratsvorsitzender des ÖHTB war und sich aktiv an der SOV-Aktion „Guten Morgen ÖGB" beteiligte.
Ich war als „Vorwärtsler" bekannt. Dazu kam noch, daß vieles im Betrieb einfach nicht o.k. war und ist. Es gibt Belastungen, die einer/m erst so richtig auffallen, wenn man hier längere Zeit arbeitet.
Mit der Zeit wurde mir klar, daß es nicht ausreicht, von BetriebsrätInnen linke Politik zu verlangen. Als mich dann der damalige Fachwerk-Betriebsrat auf konkrete Mitarbeit ansprach, war meine Antwort klar: Ich wurde vorerst in den Fachwerk-Betriebsrat kooptiert. Mit 1.1.98 wechselten dann alle BetreuerInnen vom Fachwerk zum ÖHTB, weil das Fachwerk mit Ende ´98 aufgelöst werden soll. Fachwerk-Betriebsrat und ÖHTB-Betriebsrat bildeten dann eine gemeinsame Betriebsratskörperschaft und hielten nun im Mai Wahlen ab.
Vorwärts: Wie interpretierst Du Betriebsratswahl und Ergebnis?
MG: Ich glaube, daß meine Situation nicht ganz die Gleiche ist, wie bei den Wahlen in einem Großbetrieb. Wenn FSG und FCG den Betriebsrat beherrschen und man als LinkeR dazu eine Oppositionsliste auf die Beine stellt, dann sind Zustimmung oder Ablehnung bei Wahlen eindeutige politische Aussagen. In unserem Fall hat sich ein Team zur Wahl gestellt und die KollegInnen erwarten sich gute Betriebsratsarbeit - nicht mehr oder weniger. Ob ich irgendwo dabei bin und wo, ist eher egal, obwohl ich glaube, daß ein rechter Betriebsrat nicht akzeptiert werden würde. Die Stimmung innerhalb der Belegschaft ist etwas kämpferischer geworden, wir hatten eine super Betriebsversammlung.
Vorwärts: Was sind Eure nächsten Ziele?
MG: In erster Linie, brauchen wir eine gute Informationsstruktur. Etwas weniger als 200 Beschäftigte sind auf unzählige Einrichtung verstreut. Eine Betriebs(rats)zeitung ist in Arbeit. Außerdem gibt es im Bereich der Bezahlung, Arbeitszeit... einiges zu verbessern. Erschwert wird das ganze noch dadurch, daß es für BehindertenbetreuerInnen noch keinen Kollektivvertrag gibt. Klar ist für mich darüber hinaus, daß mein Mandat auch eine Stärkung für linke Positionen in GPA und ÖGB bedeuten wird.