So 01.10.2000
Im Jänner weigerte sich die FSG-Spitze, dem Koalitionsabkommen zwischen SPÖ und ÖVP zuzustimmen. Sie stand vor dem Problem, dass sie nicht mehr wußte, wie sie die geplanten Verschlechterungen ihren Mitgliedern verkaufen sollte. Trotzdem wurden mit diesem Schritt große Hoffnungen für viele Beschäftigte in die künftige Rolle des ÖGB gesetzt.
Sehr bald aber befand sich die Gewerkschaft in einem Dilemma. Sie war mit einer sehr konsequenten Regierung konfrontiert und ließ dem ersten Schritt keine weiteren folgen. Während sich die Rechtsregierung am Motto „speed kills“ orientiert hat, ihre Vorgangsweise selbst einen crash-Kurs nannte (A. Khol) und die Sozialpartnerschaft „aufgekündigt“ hat, setzte der ÖGB nach wie vor nur auf Verhandlungen und ließ permanenten Drohungen keine Aktivitäten folgen.
Knackpunkt Pensionsreform
Als Knackpunkt erwies sich die Pensionsreform. Die Bundesregierung plante massive und überfallsartige Verschlechterungen im Pensionsrecht, obwohl die Altersarbeitslosigkeit in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist und viele ältere ArbeitnehmerInnen durch die Anhebung des Pensionsalters in die Langzeitarbeitslosigkeit gedrängt werden. Die von der FSG dominierten Gewerkschaften beteuerten immer wieder, sie werde die geplanten Pensionskürzungen nicht akzeptieren und drohte mit Protestmaßnahmen.
Allerdings erschöpfte sich der Protest in Aktionen, die niemandem wirklich weh taten. Ein erster Aktionstag Mitte Mai, bestand bloß im Verteilen von Flugzetteln. Bald wurde offensichtlich, dass man damit die Regierung nicht in die Knie gezwungen hatte. Doch statt gemeinsamen Mobilisierungen, ließ der ÖGB am folgenden Aktionstag am 28.6. die Eisen- und StraßenbahnerInnen alleine Kurzstreiks abhalten, die von der Bevölkerung zudem kaum wahrgenommen wurden.
Letztlich wurden die Pensionsverschlechterungen, Anfang Juli, in verschärfter Form angenommen. Dies stellt eine weitere Niederlage für die Gewerkschaftsbewegung dar. Das Durchpeitschen der Pensionsreform ohne nennenswerten Widerstand ermunterte die Regierung und dass Kapital, die Sozialdemontage zu beschleunigen. Im Sommer lächelte die Vizekanzlerin in einer Plakatserie von den Wänden und kündigte an: „Wir lassen uns nicht bremsen“. Eine gefährliche Drohung.
ÖGB: Kurswechsel notwendig
Die sozialpartnerschaftliche Orientierung der FSG- und ÖGB-Spitze hat wieder in eine Niederlage geführt und muss daher aufgegeben werden. Die Regierung ist an Verhandlungen mit der Gewerkschaft nicht interessiert und die Unternehmer verfügen nun über eine Regierung, die ihre Forderungen noch radikaler, und nicht schaumgebremst, umsetzt. Es ist daher unerläßlich, dass die Gewerkschaften ihre langjährige Stellvertreterpolitik aufgeben und endlich ihre Mitglieder mobilisieren! Gewerkschaftspolitik kann sich nicht auf Verhandlungen am „grünen Tisch“ beschränken. Nur wenn die Mitglieder mobilisiert werden, kann dem Angriff von Unternehmern und Regierung auf die Rechte der ArbeitnehmerInnen wirksam entgegengetreten werden.
Tabu Streik muss gebrochen werden
Mit dem bisherigen Selbstverständnis der Gewerkschaften, die ihren Erfolg daran messen, wie wenig gestreikt wird, kann die Demontage des Sozialstaats und des Arbeitsrechts nicht erfolgreich bekämpft werden. Der Regierungswechsel bedeutet sicherlich einen Bruch und den Übergang von der zweiten zur dritten Republik. Dem muss auch von Seite der Gewerkschaft Rechnung getragen werden.
Lohnverhandlungen
Gewerkschaftsfunktionäre, u.a. GPA-Vorsitzender Hans Sallmutter, haben angekündigt, dass die Belastungen der ArbeitnehmerInnen in den Lohnrunden berücksichtigt werden müssen. Nach dem Motto „wir holen uns von den Unternehmern, was uns die Regierung wegnimmt“ (Pensionskürzungen, Selbstbehalte, Abgaben- und Gebührenerhöhungen) soll ein hoher Lohnabschluss erzielt werden. Das ist einerseits eine durchaus berechtigte Herangehensweise, weil ja parallel zu den Belastungen der ArbeitnehmerInnen die Wirtschaft entlastet wird (Urlaubsaliquotierung, Reduktion des Arbeitgeberbeitrages zur Unfallversicherung). Kritisch anzumerken ist dabei aber, dass alle ArbeitnehmerInnen in schwach organisierten Branchen davon nichts haben werden, weil die Verhandlunsgmacht der Gewerkschaft dort dementsprechend gering ist. Besser wäre es daher, wenn man gleich kämpferische Mobilisierungen durchgeführt hätte, um die Verschlechterungen überhaupt zu verhindern.
Aber selbst diese Ankündigung darf jetzt nicht ohne Folgen bleiben! Es muss eine konsequente Mobilisierung durchgeführt werden, um Verschlechterungen zu verhindern und hohe Lohnabschlüsse zu erhalten. Der Kapitalseite muss deutlich gemacht werden, dass die ArbeitnehmerInnen bereit sind, für die Erhaltung ihres Lebensstandards und gegen einen niedrigen Lohnabschluss, der eine Reallohnsenkung bedeutet, zu kämpfen.