Mit kleinen Schritten in den Abgrund
von Jan Millonig
Dass die Rechte heute so stark ist, liegt am Scheitern linker Versuche, den Kapitalismus zu reformieren.
Artikel in dieser Ausgabe:
von Jan Millonig
Dass die Rechte heute so stark ist, liegt am Scheitern linker Versuche, den Kapitalismus zu reformieren.
Immer öfter wird vor dem Anstieg des Antisemitismus in den letzten Jahren gewarnt. Dieser bedrohliche Trend wird aber von Seiten der großen Medien fast ausschließlich mit Migration in Verbindung gebracht. „Die Muslime“ wären für die Zunahme an Übergriffen, Schmierereien etc. verantwortlich. Parteien wie die FPÖ geben sich als pro-Israelisch und behaupten damit, sie seien plötzlich die Vorhut gegen Antisemitismus. Immer öfter wird auch Linken Antisemitismus vorgeworfen, vor allem wenn sie die Politik der israelischen Regierung kritisieren.
Das „Verursacherprinzip“ will die ÖVP Niederöstereich bei Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen anwenden - Rapid&Co sollen zahlen. Was im kommerziellen Bereich vielleicht erst mal einleuchtet kann die Vorbereitung auf einen ähnlichen Vorstoß im Versammlungsrecht sein: Wer eine Demo anmeldet könnten für den Polizeieinsatz belangt werden. Schon oft wurde Fußball als Testfeld für Verschärfungen der Repression genommen.
Die Zahl kranker Jugendlicher in Österreich nimmt zu! 23,93% (Stand 2017) leiden an psychischen Erkrankungen. Auch die Zahl körperlich Kranker steigt: 2018 war von den 18-jährigen jeder 4. bei der Bundesheerstellung untauglich.
Am schnellsten wächst die Zahl junger Menschen, die an Stoffwechselerkrankung oder Haltungsschäden erkranken. Immer mehr betreiben zu wenig Sport, leiden an Übergewicht und weisen eine geringe Konzentrationsfähigkeit auf. Dass zusätzlich auch die Frustrationstoleranz im auf Leistung getrimmten Kapitalismus schwindet, ist da wenig verwunderlich.
Der australische Senator Fraser Anning verteidigte den rechtsextremen Terroranschlag in Christchurch, bei dem 50 Menschen starben. Er gab sogar Muslimen die Schuld dafür, dass sie ermordet werden. Darauf zerschlug ein 17jähriger ein Ei auf Annings Kopf – und wird seither als „Egg boy“ gefeiert.
Seit 22. Februar protestieren, marschieren und streiken in Algerien Hunderttausende gegen Präsidenten Bouteflika und die Fortsetzung seiner Herrschaft. Bouteflika fungiert seit einem Schlaganfall 2013 nur als Marionette. Tatsächlich herrscht eine korrupte Elite aus Militär, Wirtschaft und seiner Partei (Nationale Befreiungsfront).
Ich komme aus einer kleinbürgerlichen konservativen Familie. Meine Eltern sind sehr unpolitisch und meine Großeltern sehr strenge katholische Menschen. Bei mir zu Hause wird nicht über Politik geredet, obwohl mich Politik und Geschichte immer sehr interessiert haben. Und mir ist es wichtig, mich mit anderen, die so denken wie ich, auszutauschen. Ich war 14, als ich erstmals über die Frauenbewegung gehört habe und ich war begeistert, dass da viele Menschen für ihre Rechte und für Selbstbestimmung kämpfen.
Sind Reformen, die die Auswirkungen des Kapitalismus abschwächen, möglich? Ganz klar: Ja, sind sie. Seit das Kapital die bestimmende Macht der modernen Gesellschaften geworden ist, haben die, die das Kapital schaffen, aber von ihm beherrscht werden, die Arbeiter*innenklasse, immer wieder gezeigt, dass sie fähig und willens sein können, ihre Interessen gegen das Kapital durchzusetzen. Abschaffung der Kinderarbeit, Begrenzung der Arbeitszeit, allgemeine Sozialversicherungen, und sogar das Frauenwahlrecht wurden durch Arbeiter*innen erkämpft, teilweise unter Einsatz ihres Lebens.
Die Auseinandersetzung zwischen Reformist*innen und Revolutionär*innen ist nicht neu – am deutlichsten lässt sie sich entlang der verschiedenen Einschätzungen über den Charakter des Staates verfolgen. Der Reformismus behandelte den bürgerlichen Staat meist als neutrale Institution, derer sich sowohl die herrschende als auch die unterdrückte Klasse bedienen kann.
Wer die Revolution zugunsten der Reform ablehnt, wird am Ende ohne beides dastehen.