Mo 23.09.2019
Die nach dem 2. Weltkrieg geschaffene staatliche OMV (bis 1995 ÖMV) sollte angesichts eines schwachen nationalen Bürgertums und somit Privatkapitals die Energieversorgung sichern. Unter anderem dadurch festigte sich in Folge der instabile Kapitalismus in Österreich. (Mehr zu diesem Thema: https://www.slp.at/artikel/verstaatlichung-nach-1945-zur-rettung-des-kapitalismus-nicht-zur-errichtung-des-sozialismus). Weit davon entfernt, eine „Insel des Sozialismus“ darzustellen, diente die österreichische Verstaatlichte den kapitalistischen Sachzwängen. Diese änderten sich mit dem Ende des Nachkriegsaufschwungs. Ausgehend von relativ guten Beschäftigungsverhältnissen wurden die Weichen auf Stellenabbau und Ausgliederung gestellt. Gerade hierbei stand die OMV innerhalb der staatlichen Industrie-Verwaltung ÖIAG (heute ÖBAG) an der Spitze der neoliberalen Ära: Die erste Teil-Privatisierung ging 1987 über die Bühne. Heute hält die Republik nur mehr 31,5% der Anteile.
Privatisierung und Neuausrichtung der OMV
Ab den 1990er Jahren sollte den verschobenen Eigentumsverhältnissen eine Neuausrichtung der Strategie folgen. Die OMV baute den Upstream-Bereich (Förderung und Exploration) massiv aus, insbesondere in Risikomärkten bzw. Krisenregionen. Von der bloßen Verwaltung der Energieressourcen im Inland, trieben Markt- und Profitlogik Unternehmen wie die OMV hin zur Kooperation mit diktatorischen und anti-demokratischen Regimes. Ein Durchbruch auf dem Weg zum regional-imperialistischen Konzern gelang 2004 mit dem Kauf der rumänischen Petrom.
Ein weiteres wichtiges Merkmal innerhalb der europäischen Energieriesen ist die Extremposition bezüglich des russischen Imperialismus. Die Festlegung auf das Nord-Stream-2-Projekt 2010 und ein bedeutender Deal mit der direkt dem Putin-Regime unterstehenden Gazprom fixierte die Ausrichtung der OMV: maximale Profitchancen bei hohen Gefahren und geopolitischen Widersprüchen.
In jüngerer Vergangenheit belegten dies schwere Turbulenzen v.a. im Nahen Osten inkl. erzwungener Rückzüge. Selbst 'Die Presse', Zentralorgan des österreichischen Kapitals, musste im August 2018 seinem Unmut diesbezüglich Luft machen. Auslöser war jedoch der Wert-Verfall der Aktie, nicht etwa ethische oder klimapolitische Fragen.
Klimaschädliche Profit-Interessen
Bezüglich Klimawandel erscheint die OMV in einem noch kläglicheren Licht, was mit ihren eigenen aktuellen Berichten belegt werden kann. Im 'Strategiepapier 2025' wird klar das Ziel des Ausbaus der Förderkapazitäten formuliert. Die Produktion soll bis 2025 auf 600.000 Barrel Öl-Äquivalent pro Tag ansteigen (derzeit: 427.000 boe/d).
Im Geschäftsbericht 2018 wird man ebenso verhöhnt: „Für eine CO2-ärmere Zukunft wird die OMV bis 2025 bis zu EUR 500 Mio in innovative Energielösungen wie ReOil® und Co-Processing investieren und Maßnahmen zur CO2-Effizienz umsetzen.“ Was versteckt sich hinter diesem ReOil® eigentlich? Es handelt sich dabei um einen Vorgang, mit dem man Kunststoff in Erdöl umwandeln kann. Das hat an sich nichts mit Klimaschutz zu tun, da genau dadurch fossile Rohstoffe ja zum Verbrennen und somit zur Emission fossilen CO2 bereitgestellt werden!
Diese Technik macht durchaus Sinn, aber nur in einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft, die den Komplett-Ausstieg aus der Förderung fossiler Ressourcen durchführt. Dadurch könnten Kunststoff-Recycling und die Bereitstellung geringer Mengen fossiler Brennstoffe für weiterhin unvermeidbare Anwendungen verfügbar werden. Aber nicht als Ergänzung zur bzw. Ablenkung von einem Ausbau der Auffindung und Ausbeutung fossiler Quellen auf vier Kontinenten! (Ja, die OMV ist auch in Afrika und Australien/Neuseeland vertreten.)
Demokratische Verstaatlichung und Planung
Unser Standpunkt ist der Härte der Situation angemessen: Um die dringend nötige Klimawende umsetzen zu können, ist die vollständige und demokratische Verstaatlichung der OMV unabdingbar. Alle Beschäftigte und alle Energie-Kund*innen müssen bedeutenden Einfluss auf wichtige Entscheidungen haben. Funktionär*innen müssen jederzeit wähl- und abwählbar sein. Ihr Einkommen darf jenes von Facharbeiter*innen nicht übersteigen.
Alle Arbeitsbereiche einer 'OMV neu' müssen in eine gesamt-wirtschaftliche Planung eingebettet sein, die von lokalem Level bis kontinent-weiten Netzen reicht. Auf dieser Grundlage könnte eine solche sozialistische Gesellschaft Unglaubliches leisten, um die Folgen des Klimawandels abzumildern, Jobverluste zu verhindern und allen Menschen auf diesem Planeten ein Leben ohne Krieg, Ausbeutung und Hunger zu ermöglichen. Dazu braucht es Ansatzpunkte für eine Komplett-Umstellung auf Erneuerbare Energieträger (EE).
Radikale Umstellung mittels Power-to-Gas möglich
Ein solcher Ansatzpunkt für eine echte Alternative ist das sogenannte 'Power-to-Gas'-Prinzip (P2G), wodurch EE aus verschiedensten Quellen speicherbar und verteilbar gemacht werden kann. Dabei wird nicht-fossiles Methan produziert. Dieses stellt einen 'chemischen Speichersee' dar. Man kann die darin enthaltene Energie über weite Strecken transportieren. Das bisherige Gasnetz und vor allem die (untertägigen) Erdgasspeicher können dafür verwendet werden. Der Stand der Technologie ist bereits soweit fortgeschritten, dass 1.) die bisher als natürliche Grenze von 80% angesehene Methanisierungsrate bereits deutlich überschritten werden konnte (Wasserstoffzugabe direkt im Fermenter) und 2.) die Produktion von EE-Methan in ehemaligen Erdgaslagerstätten bereits gesteuert stattfinden kann (Versuchsanlage Pilsbach der RAG).
P2G kann und wird sehr wahrscheinlich einen wichtigen Pfeiler einer grundsätzlich anderen Energiewirtschaft darstellen. Das gesamte Gas-Netz der derzeitigen OMV inkl. dem wichtigsten europäischen Verteilerzentrum Baumgarten und den beiden unterirdischen Speichern Schönkirchen und Tallesbrunn können und müssen in einen 99-100% EE-Mix eingebettet werden. Nichts an Infrastruktur muss ungenutzt bleiben, Jobs gehen nicht verloren, sondern werden in sinnvollere und nachhaltigere Umgewandelt!
Wie oft widmet sich die OMV im 138-seitigen Nachhaltigkeits-Bericht dem P2G-Thema? Antwort: Ein einziges Mal in einem kurzen Absatz. P2G wird dabei lediglich als Mittel der „Integration von erneuerbaren Energien“ in die fossilen Energien dargestellt. Im Geschäftsbericht 2018 wird P2G daher gleich gar nicht erwähnt.
Cradle-to-cradle statt (Plastik-)Müll des freien Marktes
Ebenso wird die Raffinerie Schwechat (sowie die beiden anderen in Rumänien und Deutschland) nicht geschlossen werden müssen. Es wird weiterhin enormes Potential bei petrochemischen Grundstoffen, Bitumen und Kunststoff-Technik inkl. Recycling bzw. das weit darüberhinaus gehende 'cradle-to-cradle'-Prinzip geben. Mit 'cradle-to-cradle' ist eine durchgängige Kreislaufwirtschaft gemeint, die insbesondere bei Kunststoffen ein großes Potential an Problemlösungen bergen kann.
Neben der Schadensbeseitigung würden Forschung, Entwicklung und Anwendungen im Bereich des langfristig unumgänglichen 'urban mining' (Ressourcen in Städten als Rohstoffquelle) sowie des 'cradle-to-cradle' unzählige gesellschaftlich nötige und menschenwürdige Arbeitsplätze schaffen.
Geothermie-Ausbau statt Öl-Bohrungen
In vielen Regionen Österreichs ist das Potential der Geothermie (Erdwärme) weitestgehend ungenutzt. Auch diese zählt zu den EE. Was hat die OMV zur Geothermie und ihrem Potential zu sagen? Nichts! Hingegen äußert man stolz: „Die OMV plant 300 Mio. € für die Exploration und Bewertung möglicher Vorkommen (von Öl und Gas; Anm.d.A.).“ Diese Mittel müssten – unter anderem – für den Geothermie-Ausbau übernommen werden!
Nachhaltige und menschenwürdige Jobs im Kapitalismus unmöglich
Dass die Klimawende 'Jobs gefährdet', ist eine unverschämte Lüge. Blicken wir in die OMV-Geschäftsberichte: die Zahl der OMV-Mitarbeiter*innen lag weltweit 2008 bei 41.282. Zehn Jahre später sind es nur noch 20.231. Tendenz weiter fallend.
Nicht ein planmäßiger und grundlegender Umstieg auf EE und wirtschaftliche Planung im gesellschaftlichen Interesse gefährdet Arbeitsplätze, sondern die von der OMV explizit festgelegte Konzernstrategie ('Strategie 2025'): „Ziel des neuen Effizienzprogramms ist es, die Kosten bis 2020 um weitere 100 Millionen Euro gegenüber 2017 zu reduzieren. Im Rahmen ihrer angepassten Dividendenpolitik strebt die OMV an, die Dividende im Einklang mit der finanziellen Performance, im Wesentlichen der Entwicklung des freien Cashflows und des Jahresüberschusses des Konzerns, jährlich zu erhöhen oder zumindest auf dem Niveau des jeweiligen Vorjahres zu halten.“
Sozialistischen Flügel in Klima-Bewegung aufbauen
Somit ist auch in diesem für Arbeitnehmer*innen zentralen Punkt eine sozialistische Perspektive die sinnvollste. Für alle derzeit Beschäftigten plus viele mehr hätte eine nachhaltige und aus der Ausbeutung fossiler Rohstoffe ausgestiegene 'OMV neu' genügend zu tun. Massenbewegungen müssen dafür die Voraussetzung schaffen, dass in einer anderen Gesellschaft nicht Profite sondern die Bedürfnisse der Gesellschaft und jener der Mehrzahl an Beschäftigten im Zentrum stehen. Bauen wir innerhalb der Klima-Bewegung einen solchen Flügel auf, der die Lösung der Klimakrise nicht an die herrschende Politik und ihre Verbündeten in den Konzernetagen delegiert!