Mi 10.04.2019
In deutschen Städten fehlen derzeit eine Million Wohnungen. Gleichzeitig stehen zwei Millionen Wohnungen - davon viele aus spekulativen Gründen - leer. 600.000 baureife Bauplätze bleiben aus spekulativen Gründen unbebaut. Die Mieten explodieren. Hohe Mieten gelten in den Städten als Armutsrisiko Nummer Eins.In Deutschland formiert sich eine Mietenbewegung. Bei vielen Wohnungsgesellschaften gibt es Mieter*inneninitiativen, die angefangen haben, sich bundesweit zu vernetzen. Breite Bündnisse von Mieterinitiativen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden haben große Demonstrationen organisiert. Die größten Demonstrationen gegen den Mietenwahnsinn gab es 2018 in Berlin und München mit 25.000 bzw. 11.000 Beteiligten. Am 6. April 2019 gibt es in Berlin, Köln und Stuttgart erneut Demonstrationen. Am selben Tag startet in Berlin das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Es fordert die Enteignung aller privaten Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen. Nach einer repräsentativen Umfrage unterstützen in Berlin 54,8% der Bevölkerung die Enteignung von Großvermieter*innen. Immobilienhaie und bürgerliche Presse wittern die „Rückkehr des Sozialismus“.
Die Mietenproteste und die Forderung nach Enteignung sind die Reaktion darauf, dass Wohnungen im neoliberalen Kapitalismus zum Spekulationsobjekt verkommen sind und die Mieten explodieren. Der Finanzmarkt kontrolliert den Wohnungsmarkt. Mehr als eine Million Wohnungen in Deutschland befinden sich inzwischen unter der direkten Kontrolle von finanzmarktorientierten Fondsgesellschaften und Börsenkonzernen. Das ist das Ergebnis des Verkaufs von Wohnungen, die einst im Eigentum des Bundes, der Länder und der Kommunen oder als Werkswohnungen im Besitz von Unternehmen waren. Eine Folge davon war, dass sich die VONOVIA innerhalb von nur zwanzig Jahren aus dem Nichts zum größten deutschen Immobilienkonzern aufbauen konnte und inzwischen auf Einkaufstour ins europäische Ausland geht. Letztes Jahr hat sich die VONOVIA die österreichische, ehemals staatliche Wohnungsgesellschaft Buwog mit 49.000 Wohnungen für 5,2 Milliarden Euro unter den Nagel gerissen. Die Buwog-Mieterinnen werden nun ebenfalls zu Opfern der aggressiven renditeorientierten Geschäftspolitik der VONOVIA und sollten sich dagegen wehren und organisieren. 2018 hat die VONOVIA ihren Gewinn um 15,8% auf 1.07 Milliarden Euro gesteigert. Von jedem Euro Miete flossen 38 Cent an die Aktionär*innen.
Die zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Proteste und erst recht das Berliner Volksbegehren zur Enteignung haben die Themen Wohnungsnot, Mietenwahnsinn und Gentrifizierung zu einem zentralen öffentlichen Thema gemacht. Politik und Immobilienunternehmen sind unter Druck. Allerdings gab es bisher nur kosmetische Veränderungen und Absichtserklärungen. Die Mieten steigen weiter, Menschen werden weiter aus ihren Quartieren vertrieben. Häuser mit erhaltenswerter Bausubstanz und noch bezahlbaren Mieten werden zugunsten von Eigentums- oder teureren Mietwohnungen abgerissen. Modernisierungen bleiben für die Vermieter*innen Gelddruckmaschinen und, weil sie die Mieten erhöhen, Horror für die Mieter*innen. Der Widerstand muss deshalb noch größer, breiter, lauter und entschlossener werden. Nach lokalen und regionalen Demonstrationen wäre eine bundesweite Großdemonstration gegen den Mietenwahnsinn in Berlin ein wichtiger Schritt im weiteren Aufbau einer bundesweiten Mieter*innenbewegung. In Mieterinitiativen wird bereits über die kollektive Weigerung von Mieterhöhungszahlungen diskutiert.
Die Partei DIE LINKE hat das Thema Wohnen zu einem Kampagnenschwerpunkt gemacht. Im April 2018 hat der Parteivorstand DIE LINKE auf Antrag des Parteivorstandsmitglieds und SAV-Mitglieds Lucy Redler und weiteren Mitgliedern der Antikapitalistische Linken (linkes Bündnis in der LINKEN, Anm.) die Forderung nach „Überführung der VONOVIA in Gemeineigentum durch Enteignung“ beschlossen. Entschädigung soll es nach diesem Beschluss nur für Kleinaktionär*innen geben. Am 11. März 2019 war Lucy Redler als Vertreterin von DIE LINKE in die ARD-Talkshow „hart aber fair“ eingeladen und konnte vor einem Millionenpublikum für die Enteignung argumentieren.
In verschiedenen Städten sind SAV-Mitglieder in der Mietenbewegung aktiv. Wir setzen uns in DIE LINKE dafür ein, dass die Partei eine aktive Rolle dabei spielt, die Mietenbewegung weiter aufzubauen und dabei antikapitalistisches und sozialistisches Bewusstsein schafft. Im April erscheint die SAV-Broschüre mit dem Titel „Keine Profite in der Miete – sozialistisches Programm gegen Wohnungsnot und Mietenwahnsinn“, die ein Programm und eine Kampfstrategie vorschlägt.