Di 12.03.2019
Es sollte noch über zwei Jahre dauern, bis die erste Website der Welt online ging: info.cern.ch. Heute ist eine Welt ohne Web kaum noch vorstellbar. In vielen Ländern zählt die Entwicklung von Webapps zum schulischen Lehrplan wie Mathematik oder Englisch. Bestand das Internet 1981 noch aus zweihundert Rechnern, waren es bei den ersten Gehversuchen des Web zehn Jahre später bereits zweitausend Mal so viel.
Zur Verbreitung im privaten Sektor fehlten offenbar nur noch Tim Berners-Lees im März 1989 neben seiner eigentlichen Forschungsarbeit publizierte Vorschläge zum Informationsmanagement, von ihm World Wide Web genannt. Im November 1990 veröffentlichte Berners-Lee schließlich seinen Vorschlag für ein Hypertext-Projekt, und ein Jahr später präsentierte er mit seinem Forschungsteam die Ergebnisse der Öffentlichkeit. Und sie überließen uns die benötigten Anwendungen ohne Ansprüche von Patenten oder Lizenzgebühren zur freien Nutzung. Das Web war noch kein Massenphänomen, aber frei.
Damals war Software kein eigener Marktbereich, aus dem sich Profit schlagen ließ. Ebenso war das Internet ein Produktionsmittel, welches sich außerhalb der Kontrolle großer Konzerne herausgebildet hatte. Das Kapital erkannte die ungeahnten Profitmöglichkeiten und erwirkte 1990/91 ein Ende des Verbots der kommerziellen Nutzung des Internet. Kommerzielle Internetprovider wie AOL oder Compuserve gab es schon vorher, doch sprangen nun auch IBM, MCI/Verizon & Co. auf den Zug auf. Staatliche Telekomunternehmen, Internetanbieter und universitäre Infrastruktur wurden privatisiert und billig an große Konzerne verhökert, so das einst freie EUnet.
Heute ist uns wohl allen klar, dass die Globalisierung und die erhöhte Arbeitsproduktivität durch Automatisierung in einer kapitalistischen Gesellschaft nicht automatisch zu weniger Arbeit und mehr Freiheit für die Beschäftigten führen. Wie in Charlie Chaplins Modern Times sind für die meisten vielmehr andere Dinge traurige Realität: Arbeitszeitverlängerung und Flexibilisierung, Standortverlagerungen und Werksschließungen, Massenarbeitslosigkeit und Verarmung, die Produktion überflüssiger Konsum- und Luxusgüter, Wirtschaftskrisen sowie sinkende Löhne und Pensionen...
Und dennoch: Noch nie waren die Möglichkeiten für eine demokratisch geplante Bedürfniswirtschaft unter Kontrolle der Arbeiter*innenschaft so groß wie im Informationszeitalter. Klassenkampf bedeutet deswegen auch Umwandlung der kapitalistischen Destruktivkräfte in echte Produktivkräfte zum Wohle aller. Würden wir weltweit den Großteil der uns zur Verfügung stehenden Ressourcen in die Weiterentwicklung der Produktionsmittel stecken anstatt in billig produzierte Konsumgüter mit künstlich verkürzter Lebensdauer, wären das Ende der Plackerei und das gute Leben für alle längst keine romantische Utopie mehr