Sa 29.12.2018
Die Idee des Sozialismus ist zurück in den USA. Infolge der inspirierenden Wahlkampagne von Bernie Sanders 2016 und der furchteinflößenden Realität von Donald Trump als Präsident sind zehntausende Menschen sozialistischen Organisationen beigetreten oder in verschiedenen Kampagnen aktiv geworden.
Die Organisation, die am meisten gewachsen ist, sind die Democratic Socialists of America (DSA). Sie spielten eine zentrale Rolle in der Sanders-Kampagne und wuchsen seither von 5.000 auf 50.000 Mitglieder. Im November wurden zwei Mitglieder der DSA in den Kongress gewählt: Rashida Tlaib und Alexandria Ocasio-Cortez – allerdings als Kandidatinnen der Demokratischen Partei.
Noch vor dem Durchbruch von DSA konnte die Schwesterorganisation der SLP, Socialist Alternative, spektakuläre Erfolge erzielen. Aus der Occupy Wall Street- Bewegung heraus führte Socialist Alternative eine erfolgreiche Wahlkampagne für den Stadtrat in Seattle. Trotz der erbitterten Opposition der Demokraten, welche den Stadtrat kontrollieren, wurde die unabhängig antretende Socialist Alternative-Aktivistin Kshama Sawant 2013 in den Stadtrat gewählt – und zwei Jahre später wiedergewählt. So wurde sie zur bekanntesten Sozialistin seit Jahrzehnten. Socialist Alternative wuchs in diesem Zeitraum von etwa 150 auf über 1.000 Aktivist*innen.
Socialist Alternative hat das Stadtrats-Mandat immer eng mit sozialen Bewegungen verbunden. Vor und nach der Wahl 2013 war die Kampagne für den 15$-Mindestlohn zentral. Hunderte Aktivist*innen wurden in der ganzen Stadt aktiv, um die Lügen des medialen und politischen Establishments zu kontern. Vor der Kampagne sprach sich kein anderes Stadtratsmitglied für $15 aus – aber der Druck der Kampagne in Kombination mit der Rolle Kshamas im Stadtrat brachten eine Mehrheit dazu, dafür zu stimmen.
Ähnliche Kampagnen drehten sich um wichtige Themen wie niedrigere Mieten und Reichensteuern. Im Mai 2018 präsentierte Socialist Alternative den Vorschlag einer Steuer auf Großunternehmen, um Projekte für Obdachlose zu finanzieren. Die Kampagne war zunächst erfolgreich und die Steuer wurde beschlossen. Doch dann gelang es Amazon, dessen Firmensitz in Seattle liegt, und anderen Konzernen, die Stadträte der Demokraten “umzustimmen” – und der Beschluss wurde gekippt. Der Kampf für die “Amazon Tax” zeigt die Notwendigkeit politischer Unabhängigkeit von Banken und Konzernen – und diese gibt es nicht innerhalb der Demokraten.
Doch nicht nur in Seattle hat Socialist Alternative großen Einfluss. In Minnesota wurden ebenfalls Mindestlohn-Kampagnen gestartet. Obwohl es dort keine Socialist Alternative Mitglieder in gewählten Ämtern gibt, war Socialist Alternative das Herz der Mindestlohnkampagnen in den beiden großen Städten: 2017 gelang es, den 15$ Mindestlohn in Minneapolis durchzusetzen, und 2018 in St.Paul. Das führte zu massiven Lohnerhöhungen für zehntausende Arbeiter*innen.
Viele dieser Beschäftigten arbeiten im Transportwesen. Dort wurde kürzlich Socialist Alternative-Aktivist Ryan Timlin zum Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentlicher Verkehr in der Region gewählt. Die Beschäftigten wählten Ryan vor allem deshalb, weil er während der Lohnverhandlungen für einen Streik kampagnisiert hatte – und zwar zur Zeit der Super Bowl, die in Minneapolis stattfand. Ein Öffi-Streik während des größten Sport Events des Landes hätte massive Verbesserungen erkämpfen können. So zeigen Sozialist*innen, wie erfolgreiche Gewerkschaftspolitik funktionieren kann.
Seattle und Minneapolis sind nur zwei kleine Beispiele der Arbeit von Socialist Alternative. Doch sie zeigen die Möglichkeit und Notwendigkeit von linker Politik außerhalb der Demokraten. Socialist Alternative ist eine revolutionäre Organisation. Wie die SLP tritt sie dafür ein, dieses System durch den Aufbau einer mächtigen Bewegung zu stürzen und durch eine demokratische, sozialistische Gesellschaft zu ersetzen. Es zeigt sich aber, dass gerade ein solcher revolutionärer Ansatz auch das beste Mittel ist, um innerhalb dieses Systems Verbesserungen erkämpfen zu können.
Das unterscheidet Socialist Alternative von DSA, welche noch vor allem innerhalb der Demokraten antreten. Socialist Alternative hat ein solidarisches Verhältnis zu DSA – in vielen Städten werden gemeinsam Kampagnen gestartet oder gegenseitig Kandidat*innen unterstützt. Gleichzeitig macht Socialist Alternative immer auch klar, dass sie den Zugang, innerhalb der Demokraten anzutreten, nicht teilen. Denn um eine Bewegung aufzubauen, die den Kapitalismus in seiner eigenen Hochburg stürzen kann, braucht es eine unabhängige sozialistische Partei jenseits der Parteien des Kapitals.