Di 01.06.1999
Österreich ist ein Rechtsstaat. Österreich ist eine Demokratie. Sein Recht geht von der Kronenzeitung aus. Österreich schiebt zwar Menschen gefesselt und geknebelt in den Tod, protestiert wird aber gegen qualvolle Tiertransporte.
Jeder 120. Mensch ist auf der Flucht – vor Umweltkatastrophen, Kriegen, Verfolgung, Folter und Mord, vor Hunger und Armut; 45 Millionen insgesamt, 27 Millionen verlassen dabei ihr Land, rund 5 bis 10.000 kommen davon jährlich an Österreichs Grenzen. Sie sind erschöpft, von Schleppern ausgenommen, haben all ihr kärgliches Hab und Gut verloren, aber sie haben es geschafft, der Hölle zu entrinnen, denken sie.
Asylrecht ist totes Recht ...
...leider im wahrsten Sinne des Wortes. Das Österreichische Asylrecht hat im Gleichklang mit den anderen europäischen Staaten Hürden eingeführt, die es de facto unmöglich machen, den Asylstatus gewährt zu bekommen. Kombiniert mit dem unfaßbaren Zynismus der Asylverweigerungsbehörden werden die Wehrlosen auch des letzten Restes ihrer Würde beraubt.
Hürde 1: Im Gesetz steht zwar nicht, daß einE AsylsuchendeR gültige Dokumente braucht, reist man mit gefälschten, macht man sich unglaubwürdig. Wer einmal lügt (in Bezug auf die Identität) lügt immer (auch bei den Fluchtgründen. Woher ein Mensch, der der Verfolgung ausgesetzt ist, gültige Dokumente haben soll, bleibt der Phantasie der AsylverweigerungsbeamtInnen überlassen.
Hürde 2: Österreich ist von „sicheren Drittstaaten“ umgeben, d.h., daß wer in Österreich Asyl will, mit dem Flugzeug ohne Zwischenlandung anreisen muß. Der Gesetzgeber stellt sich vor, Flüchtende gehen einfach ins Reisebüro und buchen einen Urlaub. Diese Bedingung führt dazu, daß AsylwerberInnen oft ihre Fluchtroute verschleiern, um Zwischenstopps in vermeintlicher Sicherheit zu verschweigen. Wird diese Notlüge aufgedeckt, gilt wieder Wer einmal lügt, lügt immer (siehe oben).
Hürde 3: Asylsuchende müssen beweisen, daß sie persönlich der Verfolgung ausgesetzt waren, etwa durch ein rechtsgültiges Todesurteil, einen Haftbefehl wegen politischer Delikte, die in Österreich nicht strafbar wären. Der Gesetzgeber stellt sich offenbar vor, Verfolgerstaaten würden solche Dokumente freundlicherweise vorab postalisch zustellen.
Extrahürde: Asylverweigerung an der Grenze wegen offensichtlich unbegründetem Begehr. Kommt ein Mensch an einen Grenzposten und wird nicht wegen der Drittstaatenklausel abgelehnt, muß er/sie in einem Formular die Fluchtgründe ausfüllen. Sollte dieser Mensch des Lesen und Schreibens mächtig sein und das Glück haben, daß ein solches Formular in einer ihm/ihr verständlichen Sprache aufliegte und der betreffende Beamte das Formular wirklich nach Wien faxt, muß er/sie 72 Stunden auf die Antwort warten – im Niemandsland. Meist werden diese Anträge als offensichtlich unbegründet sofort abgewiesen. Was offensichtlich unbegründet ist: z.B. Wenn KurdInnen angeben, in der Türkei verfolgt zu werden, ist dies unglaubwürdig und offensichtlich unbegründet. Bis vor kurzem galt dies auch für KosovarInnen.
Schubhaft und Abschiebung
92% aller gestellten Anträge werden abgelehnt, in der Regel wurden die Betreffenden schon in Schubhaft genommen bevor das Verfahren abgeschlossen war, ist das Verfahren vorüber, geht alles sehr schnell: Stellt nicht ein Anwalt sofort einen Antrag auf aufschiebende Wirkung eines Einspruches, wird abgeschoben, egal ob das Verfahren in der nächsten Instanz noch anhängig ist oder nicht. 1998 wurden 17.000 Menschen deportiert, 3.000 davon in Flugzeugen.
Rassistische Maschinerie
Im Fall Marcus Omofuma wurde klar, wie die rassistische Maschinerie funktioniert. Ein Mensch kommt nach Österreich, wird sofort in Haft genommen – ohne Verbrechen begangen zu haben. Er wird abgeschoben, obwohl der Instanzenweg noch nicht zur Gänze beschritten wurde. Er wird gefesselt und geknebelt, wie ein Stück Vieh, das zu bockig ist. Er geht elendig zugrunde.
- FPÖ, Kronenzeitung und Innenministerium starten zwei Kampagnen: 1. Schwarze sind Drogendealer, DemonstrantInnen für Menschenrechte sind Idioten, die nur den Drogendealern helfen.
- Der Innenminister wird vor jeglicher Kritik abgeschirmt, es wird von ihm sogar ein härteres Vorgehen gegen „schwarze Drogendealer“ gefordert. Er reagiert und setzt die größte Drogenrazzia der zweiten Republik an, welche zufällig einen nigerianischen Drogenring aushebt. Den Menschen werden Würde, Gesicht und Stimme genommen – sie werden zur Nummer, zum Abschaum, den man loswerden muß. Wenn dabei einer krepiert: Betriebsunfall, den man in Kauf nehmen muß bei der Rettung der Heimat.
Protestiert wird gegen Tiertransporte und Massentierhaltung – auch von Daniela Raschhofer (FPÖ, Format vom 7/6/99). Und die Kronenzeitung berichtet gesellschaftlich engagiert.
Dieser Barbarei müssen wir uns entschlossen entgegenstellen, gemeinsam und international, denn wer ist der/die nächste: die Linken, die KünstlerInnen, die Homosexuellen, die Behinderten, die Arbeitslosen,...