Fr 01.10.1999
P2 ist nicht nur der Name einer rechten italienischen Geheimloge, sondern auch der „Fachausdruck” für die seit 1962 in der ehemaligen DDR zu tausenden errichteten Plattenbauten. Dem „Leben in der Platte” widmet sich eine Ausstellung im Wiener Volkskundemuseum zur DDR-Alltagskultur der 70er und 80er Jahre.
Laut Statistik wohnte jedeR vierte DDR-BürgerIn in der Platte. Dem hohen Wohnungsbedarf wurde mit industrieller Fertigung begegnet. Vorgefertigte Module wurden in millionenfacher Auflage verwendet, was die Kosten für den Wohnungsbau drastisch reduzierte. Das wirkte sich letztendlich auch auf die Höhe der Mieten aus, welche in der DDR lediglich 2,9 % des Familieneinkommens ausmachten. Die Versorgung mit Fernwärme war überhaupt gratis. Die Schattenseiten des Plattenbaus waren u.a. die niedrige Raumhöhe, oft schlechte Verarbeitung der Baustoffe und letztlich das Beharren auf der Kleinfamilie bei der Gestaltung der Innenarchitektur. In vielen Aspekten verschwimmt der Unterschied zwischen DDR-Plattenbaustädten und z.B. der Großfeldsiedlung in Wien, obwohl die Ausstellung eigentlich die Besonderheiten der Plattenbauarchitektonik vermitteln will.
Alltagskultur der DDR
Abseits der architektonischen Aspekte widmet sich die Ausstellung vor allem der Alltagskultur in der früheren DDR. Die inhaltliche Gliederung erfolgt analog zur Raumaufteilung in einem P2-Plattenbau. Bei der Vermittlung des Alltagslebens in der DDR versucht die Ausstellung die Ambivalenz des stalinistischen Regimes darzustellen - allerdings auf ziemlich seltsame Art und Weise. Ein antikommunistischer Unterton schwingt bei vielen Texttafeln mit. Eine tiefere Auseinandersetzung mit der SED findet hingegen nicht statt, dabei wäre genau diese vonnöten, um den Charakter des Regimes (und auch mögliche sozialistische Alternativen) aufzuzeigen. Andererseits werden auch positive Errungenschaften des „Arbeiter- und Bauernstaates” nicht verschwiegen: Wohnraum für alle, ein hohes kulturelles Niveau - die DDR war das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Konsum an Büchern, ein ausgewogeneres Verhältnis zum eigenen Körper und zur Sexualität als im Westen etc.
In den einzelnen Räumen setzt sich die Ausstellung mit folgenden Themen auseinander: Im Vorraum mit dem sozialpolitischen Anspruch der DDR-Wohnbaupolitik, in der Küche mit der Reproduktionsarbeit, im Bad mit der Stellung der Frau. Das Kinderzimmer soll die Erziehungspolitik in der DDR reflektieren, das Wohnzimmer den Widerspruch(?) von Privatem und Öffenlichem und das Schlafzimmer setzt sich mit Ehe und Sexualität auseinander.
Der Eindruck, der in den einzelnen „Themenräume” erweckt wird, ist unterschiedlich: Vor allem bei frauenspezifischen Thematiken wird das oft konservative Frauenbild der DDR inhaltlich nicht kritisch behandelt. Die Doppelbelastung der DDR-Frauen in Beruf und Haushalt wird hingegen herausgestrichen, als ob das ein Spezifikum der DDR gewesen wäre. Dabei könnte mensch sich hierzulande z.B. von der Kindergartenversorgung noch einiges abschauen.
Auch der Sprachgebrauch der Ausstellung läßt auf ein nicht gerade fortschrittliches politisches Verständnis schließen: geschlechtsneutrale Schreibweise ist den Ausstellungsmachern Alexander Kubik und Wenzel Müller fremd, im Kinderzimmer findet sich gar eine „Negerpuppe”. In der „Küche” mokiert sich die Texttafel über die engen Platzverhältnisse, die ja nur die Vorstufe zur totalen Vergesellschaftung der Hausarbeit und Eliminierung der Küche aus dem Wohnbild sein sollten. Na pfui! Das Volkskundemuseum wird sich von seinem angestaubten Image so jedenfalls nur schwer lösen können.
Warnung: Kommunismus!
Ansonsten gibt es viele wunderschöne Waren im „DDR-Design” zu sehen, von Seifen über TV-Geräte bis hin zu diversen Lebensmitteln und Parteiabzeichen. Schon beim Eingang wird jedoch davor gewarnt, in Nostalgie zu verfallen. Der Kommunismus war, ist und bleibt nämlich ein böser, und das dürfen wir auch angesichts all dieser wunderbaren Waschmittelkartons und Tempolinsenpackerln (nur 10 Minuten Kochzeit!) nicht vergessen. Na dann!
Die Ausstellung läuft noch bis 14. November 1999 im Österreichischen Museum für Volkskunde in der Laudongasse 15-19, 1080 Wien. Gespannt sein darf mensch auch auf die, an die Ausstellung gekoppelte, Filmwoche zur Alltagskultur in der DDR vom 5.-11. November.