Fr 03.02.2017
Im Gegensatz zu den vollmundigen Ankündigungen von Kern, der sich gern als Unterstützer der Frauenbewegung darstellt, stellt das neue Regierungsprogramm einen Angriff auf Frauen dar. Zumindest auf jenen überwiegenden Teil der Frauen, der nicht reich und mächtig ist. Und eines sei gleich mal klargestellt: das liegt NICHT daran, dass Kern all seine tollen Ideen nicht gegen die ÖVP durchsetzen konnte. Sondern das liegt daran, dass all die netten Ideen für Frauen in erster Linie Propaganda waren. Doch sehen wir uns die diversen Punkte des „neuen“ Regierungsprogrammes einmal genauer an und insbesondere unter dem Aspekt was sie für Frauen bedeuten:
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Senkung der Lohnnebenkosten: Die Lohnnebenkosten sind ein Teil des von den Beschäftigten erarbeiteten Wertes. Werden sie gekürzt, bedeutet das eine indirekte Lohnkürzung. Die Lohnnebenkosten dienen u.a. zur Finanzierung von: Gesundheitssystem, Pensionen, Arbeitslosengeld, Unfallversicherung, etc. Werden sie gekürzt, bedeutet das, dass in diesen Bereichen weniger Geld da ist. Menschen, die nach einer Operation oder Krankheit früher aus dem Spital entlassen werden – die zusätzliche Pflegearbeit leisten v.a. Frauen. Und wenn im Regierungsprogramm „Stärkung der Ambulanten Versorgung“ steht dann geht das genau in diese Richtung. 1x pro Tag geht’s zum Arzt für die „ambulante Versorgung“ und die Pflegearbeit wird zuhause, meist von Frauen, geleistet. Die Senkung der Lohnnebenkosten trifft alle Beschäftigten, aber Frauen besonders!
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Kalte Progression: Die Regierung beschließt nur einen 80%igen automatischen Ausgleich der kalten Progression bei den unteren Einkommensgruppen. Gerade Frauen gehören zu den NiedrigverdienerInnen. Warum wird nicht die gesamte kalte Progression automatisch abgeglichen? Und warum werden die Löhne nicht automatisch an die Inflation angepasst, um Reallohnverluste zu verhindern? Mieten und Gebühren werden ja auch „indexiert“, also automatisch Inflationsangepasst.
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Das Wohnungspaket setzt voll auf die – schon bisher nicht funktionierenden – Marktkräfte. Privates Bauland bleibt zu 100% der Spekulation erhalten. Neubau soll durch Anreize ans Privatkapital gefördert werden. Warum solche Wohnungen allerdings günstiger sein sollen als die bisherigen privaten (inkl. der angeblich „sozialen“) Neubauten bleibt weiter ein Mysterium. Dafür sollen Versicherungen (u.a. Pensionsinvestmentfonds und Mitarbeitervorsorgekassen) in diesem Bereich investieren. Konkret bedeutet dass, das eingezahlte Versicherungsgelder zum Spekulieren verwendet werden sollen. Denn auch beim Wohnbau gibt es keine Erfolgsgarantie. Warum das alles Frauen besonders betrifft? Weil Frauen aufgrund ihrer meist niedrigeren Einkommen dringender auf leistbaren Wohnraum angewiesen sind, der so aber nicht geschaffen wird.
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Arbeitszeitflexibilisierung: Egal ob durch die Sozial“partner“ oder die Regierung – eine weitere Arbeitszeitflexibilisierung geht zu Lasten der Beschäftigten. Schon jetzt können gerade Frauen Job und Kinderbetreuung oft schwer vereinen. Glauben wir nicht den Lügen, das würde durch mehr Flexibilität verbessert. Denn gemeint ist die Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden pro Tag. Und die „Freiwilligkeit“ kennen wir alle: Freiwillig oder Job weg – so sieht oft die Realität aus.
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ArbeitnehmerInnenschutz: Die Unternehmen regen sich ja gerne über die „Überbürokratisierung“ auf. Gemeint sind damit in der Regel Schutzbestimmungen für Jugendliche, Menschen mit Behinderung und – Frauen. Wenn hier nun „eine praxistaugliche Entlastung für alle Stakeholder, im Besonderen für Unternehmen“ angestrebt wird sowie die Begehungsintervalle des Arbeitsinspektorats verlängert werden: Ein Schelm wer denkt, das könnte Unternehmen motivieren, es mit dem Schutz noch weniger ernst nehmen als bisher. Getrennte Toilettanlagen und Duschen oder Nachtarbeitsverbote haben die Unternehmen ja schon immer lästig gefunden.
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Regelungen gegen Migration und MigrantInnen richten sich in ihrer ganzen Füllen natürlich auch gegen weibliche Migrantinnen. Das Arbeitsverbot („Arbeitsmarktprüfung“) steht in direktem Widerspruch zu Bestrebungen, (migrantischen) Frauen ein Mehr an Selbstständigkeit zu ermöglichen. Unabhängigkeit bedeutet stets auch finanzielle Unabhängigkeit. Wer aber migrantischen Frauen die hier Leben verbietet, hier zu arbeiten, der erhöht ihre Abhängigkeit. Bei Flüchtlingen wird ein verpflichtendes „Integrationsjahr“ festgeschrieben. „Integration“ wird allerdings sehr einseitig definiert: Sprache, Werte und Gratisarbeit. Nirgends wird aber festgeschrieben, dass entsprechende Sprachkurse kostenlos sind. Doch wie sollen MigrantInnen sie zahlen wenn sie kein Einkommen haben? Wichtig ist der Regierung auch der Besuch von Wertekursen. Müssen eigentliche ÖsterreicherInnen, die die „westlichen Werte“ wie Demokratie, Frauenrechte etc. nicht verstehen/anerkennen auch solche Kurse besuchen? Dann müsste ein großer Teil der ParlamentarierInnen die Kursbank drücken! In der Präambel steht (und das könnte direkt aus einem Text der FPÖ kopiert sein): „In unserem Land darf es keine Regionen geben, in denen Frauen am Abend Angst haben, auf die Straße zu gehen.“ Dabei wird völlig ignoriert, dass der gefährlichste Platz für Frauen die eigenen vier Wände sind, dass der absolut größte Anteil aller Gewalttaten und sexuellen Übergriffe gegen Frauen durch bekannte Täter aus Familie und nahem Umfeld verübt werden. Hier schürt die Regierung rassistische Vorurteile. Wo ist die „Wertedebatte“ beim heimischen, „traditionellen“ Sexismus? Mit Gratisarbeiten („verpflichtendes Arbeitstraining im Sinne einer gemeinnützigen Tätigkeit bei Zivildienstträgern“) versucht der Staat durch kostenlose Arbeit von Flüchtlingen die Löcher zu stopfen, die durch die dauernde Sparpolitik z.B. im Sozialbereich entstehen. Doch was bedeuten solche Maßnahmen für Frauen? Frauen, die ohnehin schon viele Stunden pro Woche unbezahlte Haus-, Pflege- und Betreuungsarbeit leisten. Frauen, deren Kinder keine Betreungsplätze kriegen, die aber an Deutschkursen teilnehmen sollen. Frauen, denen zwar durch ein Verbot der Vollverschleierung (gilt natürlich nur für Muslima, aber nicht für christliche Ordensschwestern) vorgeschrieben wird, was sie anziehen dürfen, aber nicht ermöglicht wird, mit ihrer eigenen Arbeit ihr eigenes Geld zu verdienen. Tatsächlich werden Frauen durch so ein Verbot nicht befreit, sondern weiter eingesperrt weil sie dann die Wohnung nicht mehr verlassen werden. Die herrschende Politik agiert nach dem Prinzip „aus den Augen, aus dem Sinn“. Mit Frauenbefreiung hat das aber rein gar nichts zu tun. Wer Frauen von unterdrückenden Strukturen und Bekleidungen (egal ob Vollverschleierung oder sexistischer High-Heel Zwang) befreien will muss ihnen die Möglichkeit geben, sich daraus SELBST zu befreien und sie nicht durch Zwangsmaßnahmen bevormunden. Familiennachzug wird erschwert, auch das trifft Frauen besonders, sind es doch meist die Männer, die den gefährlichen Fluchtweg zuerst beschritten haben. In diesem Paket gibt es diverse rassistische Maßnahmen die sich ausschließlich gegen Moslems/Muslima richten, aber nicht gegen andere Religionen, die ebenso frauenfeindlich auftreten können wie der Islam. Keine dieser Maßnahmen unterstützt Frauen, weder jene, die in einer traditionellen Rolle leben, noch solche, die aus einer solchen ausbrechen wollen. Die rassistischen Maßnahmen zwingen migrantische Frauen in reaktionären, patriachalen Strukturen zu verbleiben!
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Unter dem Stichwort „Mobilität am Arbeitsmarkt erhöhen“ finden sich neben „Anreizen“ zum Übersiedeln, die gerade für Frauen mit Kindern und wenig Geld sehr schwer sind, auch Maßnahmen, die gerade für arbeitslose Frauen zur Falle werden können. Die „Aufstockung der generellen Mindestverfügbarkeit von 16 auf 20 Stunden“ findet sich in einem Nebensatz unter „Ausweitung der Zumutbarkeitsbestimmungen“. Das bedeutet konkret, dass ein angebotener Job im Ausmaß von 20 Wochenstunden statt bisher 16 angenommen werden muss – Absage bedeutet Streichung von Geld. Doch: Ein Job von 20 Wochenstunden ist in vielen Regionen von Österreich nicht mit der vorhandenen Kinderbetreuung kombinierbar. Nehmen wir die „zumutbare“ Wegzeit bei Teilzeitjobs von 1,5 Stunden pro Tag und eine Arbeitszeit von 20 Stunden kommen wir bei einem 5-Tage Job auf 5,5 Stunden pro Tag bzw. 27,5 Stunden pro Woche. Wenn es ein 4 Tage Job ist (und da haben die betroffenen Frauen meist wenig Mitsprachemöglichkeit), sind es 6,5 Stunden pro Tag. Doch leider hält außerhalb Wiens jede fünfte Krippe für weniger als 6 Stunden pro Tag offen. Über 50% der Kindergärten in Tirol und in der Steiermark halten weniger als 7 Stunden pro Tag geöffnet. Dazu kommen noch viele Krippen und Kindergärten, die weit mehr als die 5 Wochen Urlaub, die Berufstätige pro Jahr haben, schließen. Da wird Frau rasch zur „Verweigerin“ der flux die Bezüge von Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung gestrichen werden.
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„Einrichtung einer Bund/Länder-Arbeitsgruppe mit BMF/BKA/BMASK zur Harmonisierung der Pensionssysteme (z.B. Beamte und ASVG).“ steht ganz unschuldig im Übereinkommen. Doch da müssen die Alarmglocken klingeln. Denn alle Pensionsreformen der letzten Jahre haben Verschlechterungen, gerade auch für Frauen bedeutet. ÖVP und Wirtschaft drängen ja schon lange auf die Anhebung des Antrittsalters für Frauen, der ja auch die SPÖ bereits zugestimmt hat. Diese könnte nun rascher als geplant kommen. Aber keine Angst: während die Nachteile harmonisiert werden, dürfen Frauen bei den Vorteilen noch zuwarten.
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Mindestlohn 1.500: Diese Maßnahme ist eine der wenigen die – wenn sie tatsächlich kommt – ein Vorteil für Frauen wäre. Denn gerade Frauen arbeiten in Niedriglohnjobs. Ob und in welcher Form und v.a. bis wann dieser kommt bleibt abzuwarten. Skepsis ist durchaus angeraten….
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Die Lockerung des Kündigungsschutzes für Beschäftigte, die älter als 50 sind wird keine neuen Jobs schaffen. Das hat schon bei der Lockerung des Kündigungsschutzes für Menschen mit Behinderung etc nicht funktioniert. Frauen gelten schon ab Mitte 40 als schwer vermittelbar weil „alt“. Nun können sie auch noch leichter gekündigt werden.
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Bildungsabbau schadet Frauen besonders: Nicht täuschen lassen darf man sich von der vollmundigen Betonung der Bedeutung von Bildung. Denn tatsächlich geht es auch im Bildungssektor verstärkt in Richtung Orientierung an Wirtschaftsinteressen und der Trennung von Masse und Klasse. Aufnahmeverfahren und Zugangsbeschränkungen für Unis – dahinter steckt das Konzept, von oben und wohl an Wirtschaftsbedürfnissen ausgerichtet zu entscheiden, wie viele Studierende für jedes Studienfach zugelassen werden. Um diese knappen Plätze sollen sich die Jugendlichen dann in Tests batteln. Um diese zu bestehen wird es teure Vorbereitungskurse geben. Wer nicht besteht kann auf teuren Privatuniversitäten sein/ihr Traumstudium machen – vorausgesetzt man verfügt über das nötige Kleingeld. Warum das Frauen besonders betrifft? Betroffen werden v.a. Studien sein, in denen ein hoher Frauenanteil ist, z.B. bei den Geisteswissenschaften, da diese weit weniger „relevant“ für die Wirtschaft sind. Und für die Bildung von Frauen wird insgesamt weniger Geld auch in den Familien investiert. Weil sie sich weniger „rentiert“ – es ist weit wahrscheinlicher, dass ein Sohn mit einem abgeschlossenen Studium einen (gut?) bezahlten Job bekommt und diesen auch auf Dauer behält als es das bei einer Tochter ist. Da müssen die Eltern noch gar nicht böse sexistisch sein, aber wo wenig Geld ist, da muss gut gerechnet werden. Ähnlich wirken sich auch die realen Kürzungen im Schulbereich aus. Denn die Schulautonomie bedeutet nur Autonomie bei der Verwaltung des Mangels, da schon jetzt Personal fehlt, aber kein zusätzliches vorgesehen ist obwohl die Herausforderungen an den Schulen laufend steigen. Viele Frauen arbeiten in diesem Bereich, v.a. im Pflichtschulwesen und stehen unter ständig steigendem Druck. Mehr Arbeit und Belastung bei – v.a. bei JunglehrerInnen eher magerem Einkommen – sind hier ein reales Problem. Und die Schülerinnen? Wenn zu wenig LehrerInnen in den Klassen stehen – und das ist schon jetzt der Fall – dann bleiben moderne Methoden meist auf der Strecke, es bleibt beim Frontalunterricht und leise bzw. scheue Kinder werden kaum wargenommen und nicht gefördert. Und da Mädchen erziehungsbedingt meist nicht die lauten, auffälligen sind widmen sich die LehrerInnen gerade in zu großen Klassen mehr den Burschen, als den Mädchen.
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Finanzierung der diversen Maßnahmen: Ein großer Teil der Kosten wird durch Förderungen für Unternehmen entstehen. Diese sollen finanzielle Anreize bzw. Entlastungen bekommen. Finanziert werden soll das zum größeren Teil von 2,8 Milliarden Euro durch „Einsparungen, Minderausgaben und Umschichtungen sowie Einsparungen bei ausgegliederten Einheiten und Sachkosten“. Das bedeutet Kürzungen, ausgegliederte Einheiten und auch Sachkosten betreffen z.B. Sozialeinrichtungen aber auch Bürokräfte etc. Personalkosten werden oft in „Sachkosten“ versteckt. Alles in allem also mindestens 2,8 Milliarden Euro die brutale Kürzungen bedeuten werden: unter Garantie betroffen sind das Gesundheitswesen, das Bildungswesen und der Pflege- und Sozialbereich. Auch wenn von Sparmaßnahmen oder „Effizienzsteigerung“ im Öffentlichen Dienst gesprochen wird meinen die PolitikerInnen damit nicht ihre Spitzenbezüge oder die Vielzahl an Leitungsposten, sondern sie meinen damit, dass bei den normalen Beschäftigten gestrichen wird. Das betrifft z.B. SozialarbeiterInnen, BürogehilfInnen, KrankenpflegerInnen etc – sie alle sind „Öffentlich Bedienstete“. Und viele davon sind Frauen. Der Öffentliche Dienst ist der einzige Bereich, wo die Einkommensunterschiede relativ gering sind. Mit jeder Ausgliederung, jeder Privatisierung aber geht die Einkommensschere wieder weiter auf.
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ABER: Als Frauenförderungsmaßnahme will die Regierung ab “1.1.2018 in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen sowie von Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Frauenquote von 30 %“. Na wow – das wird an der Ausbeutung von 99% der Frauen garantiert nichts ändern. Es ändert nämlich genau nichts, ob ein Mann oder eine Frau den Arbeitsdruck erhöht, Personal abbaut oder Löhne kürzt. Dieser Absatz ist eigentlich sinnbildlich für das Verhältnis der Regierung zu den Problemen von Frauen. Sie interessieren sich nur für jene einer kleinen Gruppe reicher Frauen, der Rest wird mit schönen Worten abgespeisst.