Mo 30.01.2017
Die auf den ersten Blick fortschrittlichen Reformansätze sind tatsächlich getarnte Kürzungen.
Die Schlagwörter von Ministerin Oberhauser zur Gesundheitsreform – multiprofessionelle Primärversorgungszentren – klingen nach Gesundheitsvorsorge und Prävention. Sie würden Sinn machen, würden sie zusätzliche Mittel bedeuten. Die Ausgaben für das Gesundheitswesen werden stattdessen aber gedeckelt und ans BIP-Wachstum (das seit Jahren mager ist) gebunden. Das reicht nicht, um bei steigender Lebenserwartung und Bevölkerungszahl den Ist-Zustand zu halten. Der ist schon jetzt verheerend für alle, die keine Leistungen zukaufen können.
Im ÖGB sind viele Betroffene (und Beschäftigte im Gesundheitswesen) Mitglied, die Interesse an einem Ausbau der Primärversorgung haben. Der ÖGB versucht aber nicht einmal, sie zu mobilisieren. Widerstand kommt aus der Ärztekammer: Der Sparkurs der Regierung gerät in Konflikt mit den Interessen einer Schicht reicher ÄrztInnen (Primare, OberärztInnen mit eigener Ordination,...), die ihre Privilegien verteidigen. Aber auch die Arbeitsbedingungen für im Krankenhaus angestellte ÄrztInnen verschlechtern sich. Unter langen Dienstzeiten und Überstundendruck leidet auch die Behandlungsqualität. Für niedergelassene ÄrztInnen (z.B. in ländlichen Regionen) bedeuten die „Primärversorgungszentren“ eine Konkurrenz. Sie können – von der Regierung forciert – das (bereits lückenhafte) Netz von Ordinationen ersetzen und so weitere Verschlechterungen im Gesundheitswesen bedeuten. Gesundheitsversorgung wird immer weiter privatisiert – und das können sich immer weniger leisten.
3-Klassen-Medizin in Österreich
2015 waren rund 100.000 Menschen in Österreich gar nicht krankenversichert. In Wien stehen 1.659 KassenärztInnen (Tendenz sinkend) 3.484 WahlärztInnen (Tendenz steigend) gegenüber. Mit über 30% privatem Anteil an der Finanzierung der Gesundheitsausgaben liegt Österreich weltweit im Spitzenfeld. Wartelisten für wichtige Untersuchungen und Behandlungen sind ohne Zusatzversicherung lange. Zwei Beispiele: In Oberösterreich liegt die Wartezeit für ein künstliches Hüftgelenk im Schnitt bei 70-180 Tagen. 18,4% der KrebspatientInnen in Österreich, die eine Strahlentherapie benötigen, bekommen sie nicht. Diverse Studien und Umfragen beweisen, dass Wartelisten mit Besuchen in Privatordinationen umgangen werden können – auch wenn die eigentliche Behandlung dann in öffentlichen Krankenhäusern stattfindet.
Eine Investitionsoffensive ist nötig…
…um die medizinische Versorgung aller Menschen, die hier leben, sicherzustellen. Die Gangbetten-Debatte zeigt deutlich, dass mehr Personal nötig ist: Zusätzliche Stationen existieren, werden aber nicht betrieben. Existierende Computer, MRT und andere Geräte können (v.a. in Krankenhäusern am Land) nicht rund um die Uhr verwendet werden. All das, weil kein Personal dafür eingestellt wird. Ordinationen von KassenärztInnen schließen und hinterlassen Versorgungslücken. Es braucht eine Ausbildungs- und Beschäftigungsoffensive bei ÄrztInnen, in der Pflege und beim medizinisch-technischen Personal. Aber auch Nachrüstung und zusätzliche Anschaffungen, um alle nötigen Untersuchungen und Behandlungen durchzuführen und die 3-Klassenmedizin zurückzudrängen. Geld für all das ist da – bei den Reichen. Wir müssen es uns nur holen!