Trotz Repression: Lehrerstreik in Mexiko fortgesetzt

Kämpferische Gewerkschaften und unabhängige linke Partei notwendig
von Adam Ziemkowski, „Socialist Alternative“ (Schwesterorganisation der SLP in den USA)

In Mexiko befinden sich seit dem 16. Mai zehntausende LehrerInnen im Streik. Geführt wird der Arbeitskampf vom „National Education Workers Coordinating Committee“ (CNTE), das sich gegen eine Bildungsreform wehrt, die massenhafte Entlassungen ermöglichen, die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes schwächen und den Weg für Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Bildung ebnen würde.

Unterdessen hat die neoliberale Regierung unter Enrique Peña Nieto gegenüber dem Streik der LehrerInnen von Anbeginn eine kompromisslose Haltung eingenommen. Verhandlungen mit dem CNTE werden abgelehnt, und weil sie der Arbeit ferngeblieben sind, um sich am Streik beteiligen zu können, sind über 4.000 LehrerInnen gefeuert worden. Führende VertreterInnen des CNTE sind unter fadenscheinigen Anschuldigungen verhaftet worden. Wie der Sender „Telesur“ berichtet, nahm die Repression am 19. Juni eine Wende in Richtung Gewalt, als „die Behörden zehntausende Bereitschaftspolizisten auffahren ließen“. In den darauffolgenden Stunden sind mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Die meisten von ihnen stammten aus Nochixtlan im Bundesstaat Oaxacan.

Nach dieser Tragödie gab sich das CNTE entschlossen, den Widerstand gegen das Bildungsreformgesetz aufrechtzuerhalten und erhielt dafür beachtliche Unterstützung aus der Gemeinde. In Mexico City haben der frühere Bürgermeister Andres Manuel Lopez Obrador und die Partei der national-revolutionären Bewegung („Morena“) eine riesige Kundgebung abgehalten, an der nach einigen Schätzungen nicht weniger als 250.000 Menschen teilgenommen haben, um die LehrerInnen zu unterstützen. Auch von internationaler Seite bekommen die Streikenden ein großes Maß an Unterstützung. Kshama Sawant, die sozialistische Stadträtin von Seattle, hat im Namen von „Socialist Alternative“ und dem „Committee for a Workers’ International“ (CWI) ihre Solidarität mit den streikenden LehrerInnen vom CNTE in einem entsprechenden Schreiben und per Video übermittelt.

Die Regierung Peña Nieto lehnt es ihrerseits ab, ihre bisherige Position aufzugeben. Bildungsminister Aurelio Nuño wiederholt ständig seine Pläne, die neoliberalen Bildungsreformen durchsetzen zu wollen.

LehrerInnen als Speerspitze des Kampfes

Das CNTE wehrt sich aus einer ganzen Reihe von Gründen gegen das Bildungsreformgesetz. An erster Stelle steht, dass es der neoliberalen Regierung ermöglichen würde, standardisierte Testverfahren anzuordnen und diese zu nutzen, um LehrerInnen zu beurteilen. Das würde willkürliche Angriffe auf die KollegInnen bedeuten. Außerdem würde das Mitspracherecht der Gewerkschaften bei der Lehrer-Einstellung beschnitten, und die Zahl an gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten im öffentlichen dienst würde verringert. Insgesamt würde dieses Gesetz einen Schritt in Richtung Privatisierung der öffentlichen Bildung in Mexiko bedeuten.

Bei diesem Kampf geht es jedoch um mehr als „nur“ um die Reform der Bildungssektors. Da die Lehrergewerkschaften und die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes im Widerstand gegen die neoliberale Agenda der mexikanischen herrschenden Klasse an vorderster Front stehen, hofft die Regierung unter Präsident Peña Nieto, diese Opposition nun brechen zu können. René González Pizarro, Lehrer aus dem Bundesstaat Oaxacan und Mitglied der Untergliederung 22 des CNTE, fasste es in einem kürzlich gegebenen Interview wie folgt zusammen: „Es geht um die erneute Attacke einer neoliberalen Regierung auf die Gewerkschaften, die irgendwie Widerstand leisten“. (https://www.jacobinmag.com)

Dass die Regierung bisher nicht in der Lage ist, dieses Ziel zu erreichen, obwohl sie derart massiv gegen das CNTE und die LehrerInnen vorgeht, deutet auf die fundamentale schwäche der mexikanischen herreschenden Klasse hin. Für die „einfachen Menschen“ in Mexiko ist der Kapitalismus voll und ganz gescheitert. Dieses System ist nicht nur außer Stande, für sichere Arbeitsplätze bei angemessener Bezahlung und für vernünftige Lebensstandards für die Mehrheit der Bevölkerung zu sorgen – sie kann noch nicht einmal ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleisten.

Fast 50 Prozent der Bevölkerung Mexikos lebt in Armut. Darunter befinden sich 40 Millionen Kinder. Gleichzeitig gibt es super-reiche Einzelpersonen wie Carlos Slim, dessen Privatvermögen sich auf mehr als 75 Milliarden US-Dollar beläuft. Letztere häufen unvorstellbare Reichtümer an. Von 2007 bis 2014 sind mehr als 164.000 Menschen umgebracht worden. In den vergangenen zehn Jahren sind 100 BürgermeisterInnen und 1.000 gewählte GemeindevertreterInnen ermordet worden. Der Grund dafür war in den meisten Fällen der Drogen-Krieg, die Korruption und die instabile Lage, die damit einhergeht.

Der Kapitalismus in Mexiko wird allerdings nicht von alleine in sich zusammenbrechen. Es müssen sich noch viel mehr arbeitende Menschen dem Kampf der LehrerInnen vom CNTE anschließen und sich sowohl gegen die Bildungsreform wie auch gegen andere Versuche der Regierung, ihre neoliberale Agenda Realität werden zu lassen, aktiv zur Wehr setzen. Die abhängig Beschäftigten brauchen darüber hinaus dringend eine politische Kraft, die in der Lage ist, eine alternative Vorstellung zum bankrotten System des Kapitalismus anzubieten. Die Entwicklung einer unabhängigen linken Kraft wie „Morena“ ist vielversprechend. Diese Formation kann den „einfachen Menschen“ den Raum bieten, von dem aus sie den Kampf der Arbeiterklasse organisieren können. Im Rahmen dieser Partei können sie sich um die besten Ansätze streiten, mit denen der Kapitalismus bekämpft und eine sozialistische Welt aufgebaut werden kann, in der die Menschen mehr zählen als der Profit.