Sa 01.07.2000
Offiziell ist Nigeria seit über einem Jahr eine “Demokratie”. Tatsächlich hat sich weder an den sozialen Problemen noch an den Übergriffen von Polizei und Militär viel geändert. Auf streikende ArbeiterInnen wurde erst jüngst geschossen, die Opposition wird bedroht. Bleibt die Frage: Wie ist das mit der Demokratie?
Nigeria ist der zwölft größte Ölproduzent der Welt und profitiert folglich enorm vom steigenden Ölpreis. Multis wie Shell verdienen sich daran eine goldene Nase, die Bevölkerung schaut allerdings durch die Finger. Nicht genug, dass die Löhne extrem niedrig sind, man ständig Bestechungsgelder zahlen muß und Armut und Elend weitverbreitet sind, plante die Regierung auch noch Angriffe auf die sozial Schwachen. Einerseits steigen die Gewinne, die durch den steigenden Ölpreis gemacht werden und fließen in die Taschen einiger Weniger. Andererseits plante die Regierung für die Bevölkerung Anfang Juni Preiserhöhungen von 50 Prozent auf Benzin und Kerosin, mit dem die meisten NigerianerInnen kochen müssen.
Dies löste zehn-tägige Massenproteste und einen fünftägigen Generalstreik aus. Der Streik war – zumindest teilweise – erfolgreich, da die Preiserhöhungen teilweise zurückgenommen wurden.
Streiks in ganz Nigeria
Diese Proteste stehen in einer Reihe von Streiks und Demonstrationen, bei denen es um demokratische Rechte und Lohnerhöhungen ging und geht. Vor kurzem konnte eine Erhöhung der Mindestlöhne für Bundesbeschäftigte erreicht werden. Das nahm im Bundesstaat Lagos die Gewerkschaft COIU zum Anlaß, die Forderung nach einem ebensolchen Mindestlohn von 7.500 Naira für die Öffentlich Bediensteten aufzustellen. Am 22. Juni traten über 40.000 in den Streik. Obwohl die geforderten 7.500 Naira ohnehin ein erbärmlich niedriger Lohn sind (um dem Mindestlohn von 1981 zu entsprechen, wäre eine Erhöhung auf 20.000 Naira notwendig), erklärt die Regierung, er sei unzahlbar und geht scharf gegen die Streikenden vor.
“Zivile” Terrorregierung
Die jetzige Zivilregierung agiert wie die frühere Militärdiktatur. Die Streikenden sahen sich Einschüchterungen, bezahlten Provokateuren und Polizeiangriffen mit Tränengas und scharfer Munition gegenüber. Auf einer der Demonstrationen wurde der Gewerkschaftsaktivist Adigun Popoola von der Polizei erschossen. Der Vorsitzende der COIU, Ayodele Akele, wurde von der Polizei verhaftet und verschleppt. 31 Stunden wurde er festgehalten – ein Versuch, die Bewegung zu schwächen. Doch dieser Versuch mißlang Die Proteste wurden in Folge in 12 der 36 Bundesstaaten aufgenommen.
Ayodele Akele ist auch Mitglied des “Democratic Socialist Movement” (DSM), der nigerianischen Schwesterorganisation der SLP. Die DSM ist eines der Hauptangriffsziele des Staates, da sie seit Jahren gegen Ausbeutung und Unterdrückung und für eine sozialistische Gesellschaft kämpft. Sie tritt - im Gegensatz zu manchen Gewerkschaften - für die Ausweitung des Streiks auf Beschäftigte der Privatwirtschaft, für die bundesweite Vernetzung der Kämpfe und für aktive Streiks ein. Die Tatsache, dass die DSM große Unterstützung unter ArbeiterInnen und Jugendlichen hat, macht sie zu einem roten Tuch für die Anänger der herrschenden Klasse in allen bürgerlichen Parteien und beim Militär.