Mo 01.02.2016
Der wieder aufflammende BürgerInnenkrieg in den kurdischen Gebieten der Türkei zeigt einmal mehr die brutale Unterdrückung jeglicher Versuche nach kurdischer Selbstbestimmung. Der nationale Befreiungskampf ist nicht zu verwechseln mit dem reaktionären Nationalismus von europäischen oder türkischen FaschistInnen. Es geht um die Befreiung von Unterdrückung und nicht um die Unterdrückung anderer.
Schon immer haben verschiedenste Imperialismen und Diktaturen aus Angst davor, einen Teil des Staatsgebietes von Ressourcen, Absatzmärkten, Arbeitskräften etc. zu verlieren, alles getan um kurdische Selbstbestimmung zu verhindern. Und obwohl westliche Imperialismen im Moment aus taktischen Gründen die linke kurdische Bewegung in Rojava (Nordsyrien) bzw. die kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak unterstützen, halten sie trotz des gleichzeitigen Massenmords an KurdInnen weiter zu Erdogan.
Die nationale Befreiung des kurdischen Volkes ist aber im 21. Jahrhundert v.a. eine Aufgabe der ArbeiterInnenklasse. Denn auch unter den KurdInnen in Syrien, der Türkei, dem Irak und dem Iran gibt es Großgrundbesitzer und KapitalistInnen, die andere Interessen haben als ArbeiterInnen und arme Bauern. Im kurdischen Regime im Nordirak kann eine kleine Minderheit durch Ölgeschäfte mit dem Westen, der Türkei und sogar dem IS enormen Reichtum scheffeln, während die große Mehrheit in Armut lebt.
Die nationale Unterdrückung lässt sich mit einem fetten Bankkonto leichter ertragen und die KapitalistInnen der unterdrückten Nationen sind meist eine „Kompradorenbourgoise“, also abhängig vom Imperialismus und eng mit ihm verwoben. Auch in einem unabhängigen Kurdistan würde das türkische Kapital weiter herrschen – wenn es kapitalistisch bleibt.
Die nationale Befreiung ist ohne Sturz des Kapitalismus nicht möglich. Nur durch ein sozialistisches System, indem tatsächlich ArbeiterInnen und Arme über Wirtschaft und Wohlstand eines Landes verfügen, kann nationale Selbstbestimmung möglich werden, auch weil es keine Notwendigkeit und keine Nutznießer einer nationalen Unterdrückung mehr gibt.
Um das zu erreichen, braucht es die größtmögliche Einheit der ArbeiterInnen verschiedener Nationen. Die Methoden oder Forderungen von SozialistInnen müssen sich daran orientieren. Deshalb lehnen z.B. MarxistInnen Individualterrorismus ab: Die Selbstverteidigung von KurdInnen ist absolut legitim, doch Attentate der PKK mit der Ermordung von ZivilistInnen bzw. einfacher Soldaten und Polizisten treiben türkische ArbeiterInnen dem Staat in die Arme.
Wenn eine nationale Befreiungsbewegung ein sozialistisches Programm hat, dann bietet die Perspektive eines besseren Lebens und nationaler Selbstbestimmung für alle die Möglichkeit, ArbeiterInnen im Kampf für Sozialismus zu vereinen. „Sozialismus ... bedeutet keine privilegierte Elite, sondern das Recht der Menschen ihre Angelegenheiten selber zu lenken. Es bedeutet die Schaffung einer internationalen Gemeinschaft, eine Einheit basierend auf dem Respekt für Unterschiede und in der alle Rechte von Nationalitäten und Minderheiten respektiert werden. Es ist die Einheit der ArbeiterInnenklasse, die in einem Kampf für diese Gesellschaft entsteht, die die nationale Frage...lösen wird.“ (Peter Hadden, Troubled Times, 1995)