Mo 11.01.2016
Niemand in Seattle hat dem politischen Establishment in den letzten zwei Jahren mehr Kopfschmerzen bereitet als Kshama Sawant. Nun wurde sie mit 57% wiedergewählt – das bedeutet vier weitere Jahre Vertretung der Interessen der ArbeiterInnenklasse im Stadtrat.
In ihrer ersten Rede im Stadtrat im Jänner 2014 erklärte sie: „Ich trage den Titel ‚Sozialistin‘ mit Stolz“ und versprach: „Es wird keine Deals hinter verschlossenen Türen mit Unternehmen oder ihren politischen Marionetten geben. Es wird keinen Ausverkauf der Leute geben, die ich repräsentiere.“
Und Kshama blieb dabei. Ihr Büro wurde zu einem Zentrum des Widerstands von ArbeiterInnen, MieterInnen, Nicht-Weißen, LGBTQ-Personen, MigrantInnen und der indigenen Bevölkerung. Kshama drückte die politische Debatte in Seattle nach links. Ihr Slogan „Seattle leistbar machen“ verbreitete sich rasend. Trotzdem wurde sie im Stadtrat immer wieder von der „demokratischen“ Mehrheit blockiert, die eng an die Banken und Konzerne gebunden ist. Deswegen hat Kshama immer wieder betont, dass das, was im Stadtrat gewonnen werden kann, größtenteils von der Stärke der Bewegungen außerhalb abhängt – und alles ihr Mögliche getan, um diese Bewegungen mit aufzubauen.
Wir von Socialist Alternative organisierten gemeinsam mit Kshama ein Meeting für leistbares Wohnen im Rathaus. Der Saal war voll, ebenso der Zusatzsaal und der Zusatzsaal für den Zusatzsaal. 600 Menschen kamen, um über ihre Erfahrungen mit Mieterhöhungen von 50-100% zu reden. Wir organisierten eine Debatte über Mietendeckelung gegen einen Republikaner und einen Immo-Lobbyisten, zu der 1.000 Menschen kamen. Kshama und Socialist Alternative haben die Dinge an die Öffentlichkeit gezerrt und Menschen aktiviert. Als die LehrerInnen gestreikt haben, waren wir dort – jeden Morgen an den Streikposten. So haben wir gemeinsam mit tausenden PädagogInnen für die Ausfinanzierung der Bildung auf Kosten der Reichen gekämpft. Vom Lostreten der Bewegung für einen $15-Mindestlohn über den Aufbau des Widerstands von MieterInnen, vom Zurückdrängen von Gewalt gegen LGBTQ-Personen bis zum Erlangen des „Tags der indigenen Bevölkerung“, machten Kshama und unsere Basisarbeit einen entscheidenden Unterschied.
Die Erfahrung der letzten zwei Jahre in Seattle birgt wertvolle Lehren für SozialistInnen und ArbeiterInnen überall. Kshama wäre die erste, die sagen würde, dass der entscheidende Faktor in Seattle die Existenz einer organisierten sozialistischen Bewegung, besonders Socialist Alternative, war. Wir haben Kshama wichtige politische Unterstützung gegeben, um mit dem Druck umzugehen, gleichzeitig im Stadtrat zu sein und Bewegungen aufzubauen. Gemeinsam konnten wir die wachsende Wut über Ungleichheit, Mietenwahn und abgehobene Politik in eine Bewegung leiten, die sich auf ihre eigene Stärke, Organisationen und Ressourcen stützt.
Als es im November 2015 um die Wiederwahl ging, unterstützten uns über 600 Freiwillige, mehr als 30 Gewerkschaften und Dutzende fortschrittliche Organisationen gegen unsere Gegnerin von den Demokraten. Diese hatte Bosse, die Handelskammer, die Immobilien-Lobby, die Vermieter-Lobby, Amazon.com, Miethaie, sechs konservative StadträtInnen und sogar einige republikanische MillionärInnen hinter sich.
Gegen diese gewaltige Opposition des Establishments, ihre prall gefüllten Konten und ihre Schmutzkübelkampagnen bauten wir eine machtvolle Bewegung von unten auf. Wir klopften an 90.000 Türen und machten 170.000 Anrufe. Wir sprachen mit tausenden Menschen über leistbares Wohnen, Ungleichheit, Reichensteuern und Politik für die ArbeiterInnenklasse. Es war eine zuvor in Seattle nie dagewesene Kampagne von unten. Wir haben die Spendenrekorde gebrochen und das große Geld besiegt. Wir bekamen knapp $500.000 von 3.500 EinzelspenderInnen – die meisten im gesamten Stadtratswahlkampf. Die Durchschnittshöhe der Spenden lag bei $50 (ca. 47 Euro).
Die Möglichkeiten, die sozialistische Bewegung in den USA aufzubauen werden immer größer. Der Kapitalismus hat der ArbeiterInnenklasse nichts zu bieten. Die Menschen haben die Nase voll vom Establishment der Banken und Konzerne. Die Bewegung für einen $15-Mindestlohn hat im ganzen Land wichtige Erfolge errungen. Studierende beginnen, gegen die enormen Bildungskosten zu kämpfen. Eine ganze neue Generation wächst aus der antirassistischen Black Lives Matter- Bewegung. Die Kandidatur von Bernie Sanders trat eine riesige Welle los, die das wachsende Interesse an sozialistischen Ideen zeigt. Die Lehren aus Seattle werden kostbar für all jene sein, die sich nun antikapitalistischen und sozialistischen Ideen zuwenden.