Jeremy Corbyn & die Labour Party

Corbyn Sieg überrascht Labour-Rechte - der Beginn eines Neuformierungsprozesses der Linken?
Roger Bannister, Bundesvorstandsmitglied der Socialist Party England und Wales, www.socialistparty.org.uk

Die Wahl Jeremy Corbyns zum Vorsitzenden der Labour Party im September hat viele überrascht. Er war ursprünglich nur auf den Wahlzettel gelangt, weil ihn rechte Labour Abgeordnete nominiert hatten, um eine demokratische Wahl vorzutäuschen. Sie waren entsetzt, welche politischen Auswirkungen ihr Manöver hatte! Corbyn zog Massen an jungen Menschen an, die von der Sparpolitik der letzten Jahre genug hatten. Während seiner Wahlkampagne sprach er vor unzähligen vollgepackten Sälen.

Ironischerweise war es eine Änderung im Wahlstatut der Labour Party durch die rechte Führung, die Corbyns Wahl ermöglichte. Über Jahre hinweg hatten sie die Partei von ihren Wurzeln als ArbeiterInnenpartei weggeführt. Labour ist heute eine komplett verbürgerlichte Partei, ein Prozess der in den frühen 90ern begonnen hatte. Das neue Wahlsystem sah vor, dass man sich für drei Pfund (ca. 4, 20 Euro) registrieren konnte um an der Wahl teilzunehmen. Das erlaubte tausenden von Corbyns jugendlichen AnhängerInnen, seinen Wahlsieg zu sichern.

Die Kampagne war zu einem Ventil für die Anti-Spar-Stimmung im Land geworden - zum Horror der Labourführung, der kapitalistischen Medien und der Tories. Diese Stimmung hatte in der Wahl im Mai keinen Ausdruck gefunden. Eine ähnliche Entwicklung hatte bereits in Schottland stattgefunden, wo nach dem Referendum über die Unabhängigkeit die Scottish National Party mit Anti-Spar-Rhetorik die Labour Party in den Wahlen gedemütigt hatte. Corbyns Sieg beweist, dass die Idee von Sozialismus nicht am Ende ist.

Corbyn steht vor großen Hindernissen, wenn er erfolgreich sein will – und wenn er sich nur an der Spitze der Partei halten will. Die Mehrheit der Labour-Abgeordneten ist ihm und seinen Ideen feindlich gesinnt. Er hat im Parlament so wenig Unterstützung, dass selbst Teile seines neu ernannten Schattenkabinetts sich offen gegen seine Forderungen aussprechen. Unter den ParlamentarierInnen formieren sich Anti-Corbyn Gruppen. In den Gemeinderäten ist Labour sehr weit rechts. In den traditionell starken Gegenden Labours setzen lokale Labour-Gemeinderäte die Tory-Kürzungen um - mit Massenkündigungen, Lohnkürzungen und Einsparungen im Öffentlichen Dienst.

Rasch hat Corbyn einige seiner ursprünglichen fortschrittlichen Ideen aufgegeben, wie seine EU-kritische Haltung im EU-Referendum bzw. seine Forderung nach Wiederverstaatlichung der Eisenbahnen. Das hatte er dahingehend relativiert, dass die Eisenbahnen nur Stück für Stück wiederverstaatlicht werden sollen, je nachdem wo die Lizenzen auslaufen. Auch zu Fragen der innerparteilichen Demokratie hat er seine Position revidiert.

Corbyns Sieg stützt sich auf Kräfte außerhalb der Labour Party. Es ist unwahrscheinlich, dass es gelingt, die Partei von Grund auf zu ändern und den Prozess der Verbürgerlichung umzukehren. Aber er hat sozialistische Ideen wieder auf die Agenda gesetzt. Damit hat er Möglichkeiten im Neuformierungsprozess der Linken in Britannien geöffnet – mit Kräften von innerhalb und außerhalb der Labour Party. Es gibt verschiedene Pro-Corbyn Gruppierungen innerhalb der Partei, eine davon nennt sich “Momentum”. Allerdings wird diese Gruppe von Labour-GemeinderätInnen dominiert, die um ihre Wiederwahl kämpfen.

Die Socialist Party (CWI in Britannien) hat Corbyns Kandidatur unterstützt. Wir unterstützen auch die fortschrittlichen Teile seines Programms. Wir sagen aber, es braucht eine Konferenz aller seiner UnterstützerInnen, um Strategie, Taktik und Programm zu diskutieren. Corbyns Einknicken in vielen programmatischen Punkten ist ein Beleg dafür, dass ihm genau das fehlt. Eine solche Konferenz ist notwendig, um die interne Opposition in Labour zu überwinden – und könnte der Beginn eines solchen Neuformierungsprozesses sein. Denn wenn Corbyns Versuch, die Partei zu ändern, nicht gelingt, ist es notwendig, darauf vorbereitet zu sein und bereits jetzt die ersten Schritte in Richtung einer neuen Partei von ArbeiterInnen und Jugendlichen zu legen. Corbyn muss in diese Richtung vorangehen, und breite Kampagnen zur Kooperation der Kräfte inner- und außerhalb der Labour Party initiieren.

Es ist anzunehmen, dass der Sieg Corbyns nicht alle Probleme lösen wird, vor der die ArbeiterInnenklasse steht. ArbeiterInnen sollten die Möglichkeit haben, bei Wahlen gegen Sparpolitik stimmen zu können. Auf dieser Basis wird TUSC (Trade Union and Socialist Coalition, die Socialist Party ist Teil dieses Bündnisses), weiterhin als Anti-Sparpolitik-Bündnis bei Wahlen antreten. Vor allem in jenen Sitzen, wo Labour KandidatInnen für Kürzungen und gegen Corbyns Politik stehen.

 

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