Do 27.11.2014
Das Wassersystem in Sao Paulo kann in den nächsten Wochen zusammenbrechen. Ein Faktor in der Wasserkrise ist zwar das unüblich trockene und heiße Wetter, das mit dem Klimawandel im Zusammenhang steht. Aber verantwortlich sind eigentlich Privatisierung, Profitgier und Mangel an Planung. In Campinas, der drittgrößten Stadt im Bundesstaat, leben 1,1 Millionen Menschen. Dort war die Hälfte der Einwohner am 11. Oktober ohne Wasser. An diesem Tag herrschten 37,8 Grad Celsius. Die Stadt rief den Notstand aus. Das Cantareira-Reservoir im Einzugsgebiet Sao Paulo hält nur mehr 4 % seiner Kapazität. Cantareira versorgt neun Millionen Menschen mit Wasser. Dort gibt es Gebiete, wo es nur an einem von drei Tagen Wasser gibt.
Brasilien besitzt 12 % der globalen Frischwasserreserven bei weniger als 3 % der Weltbevölkerung. Trocken- und Dürreperioden sind nichts Ungewöhnliches. Aber normalerweise kann eine Situation wie die aktuelle vermieden werden. Es gab im vergangenen Jahrzehnt mehrmals Warnungen vor einer Wasserkrise in Sao Paulo. Aber die Priorität der rechtsgerichteten PSDB, die in den letzten 20 Jahren im Bundesstaat an der Macht war, war eine andere. Es war klar, dass die Nachfrage nach Wasser schneller als das Angebot steigen würde. Das Rezept der neoliberalen Regionalregierung war es, den Markt das Problem "lösen" zu lassen. Die staatliche Wassergesellschaft Sabesp wurde teilprivatisiert. Mehr als die Hälfte ihrer Dienstleistungen sind in den Händen von Subunternehmern. Das jüngste Wassersystem, Alto Tiete, wurde vor 20 Jahren gebaut – als Public Private Partnership. Anstatt das Problem des Wasserangebots durch bessere Planung zu lösen, legte die PSDB das Wasser in private Hände. In den letzten fünf Jahren machte Sabesp 2,64 Mrd. Euro Profit. Davon wurden 800 Millionen Euro durch Dividenden an AktionärInnen ausgeschüttet. Die Logik des Markts bedeutet: Wenn es weniger Wasser gibt, ist das gut, weil die Preise raufgehen. Neue Reservoirs zu bauen ist eine langfristige Investition. Das bringt den Märkten nicht die kurzfristigen Profite, die sie verlangen.
Das Outsourcing war teuer und hat die Qualität verschlechtert. Qualifizierte ArbeiterInnen wurden durch LeiharbeiterInnen mit schlechter Ausbildung ersetzt. Als Folge gehen 30 % des aufbereiteten Wassers durch Lecks verloren. Die Privatisierungspolitik ist nicht auf die PSDB beschränkt. Die PT, die sogenannte „Arbeitspartei“ erließ das Bundesgesetz, das Public Private Partnerships überhaupt erst ermöglichte. Die PT-Bundesregierung selbst privatisierte in der letzten Periode Häfen, Flughäfen und Bundesstraßen.
Es wurde im letzten Jahr immer deutlicher, dass eine Wasserkrise droht. Aber Gouverneur Alckmin weigerte sich, eine Wasserrationierung ins Auge zu fassen. Er wollte die Krise bis nach den Wahlen im Oktober verschieben. Ein Mitglied von LSR (CWI in Brasilien), eine führende Figur in der linken Gewerkschaftsopposition, trat bei diesen Wahlen als regionaler Kandidat an. Er griff die Frage der Wasserkrise auf. LSR steht für die Wiederverstaatlichung des gesamten Wassersystems – Wassernetz, Aufbereitung, Abwassersystem und Reservoirs unter Verwaltung und Kontrolle der ArbeiterInnen. Wir fordern einen Notplan gegen die Wasserknappheit. Komitees mit VertreterInnen der Nachbarschaften und Bewegungen müssen Zugang zu Informationen über den Wasserverbrauch (z.B. von großen Betrieben) haben. Sie müssen gemeinsam entscheiden, wo in der Krise die Prioritäten liegen.
Es gab bereits isolierte Proteste gegen den Wassermangel. Diese Proteste können in den kommenden Wochen wachsen – Sao Paulo steht vor einer Hitzewelle. Die Gewerkschaft, die die Wasser- und AbwasserarbeiterInnen organisiert, hätte rund um die Wasserkrise eine zentrale Rolle spielen können. Leider ist die Gewerkschaftsführung sehr bürokratisch und mobilisierte nicht. Ihre Hauptsorge war, die linke Opposition in den Gewerkschaftswahlen aufzuhalten. In dieser Opposition spielen Mitglieder von LSR eine zentrale Rolle. Um sie zu stoppen, rief die Gewerkschaftsführung die Gewerkschaftswahlen während der Bundes- und Regionalwahlen aus. In den kommenden Wochen muss eine gemeinsame Bewegung von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, Studierendenorganisationen etc. gegen die Wasserkrise aufgebaut werden. Die Proteste bisher waren fragmentiert. Es ist nötig, die Proteste zu verbinden und ein gemeinsames Programm zu finden. Ein solches muss die Wurzel des Problems aufgreifen: die Kurzsichtigkeit eines Systems, das nur die Profite von Wenigen berücksichtigt und nicht die Bedürfnisse Vieler.