Mi 01.05.2002
Mitte April in Venezuela: Präsident Chavez wurde binnen weniger Tage gestürzt und kam wieder an die Macht. Hinter dem Sturz stand eine Allianz aus Unternehmerorganisation, rechter Gewerkschaftsbürokratie, Opus Dei, Teilen der Armee und der USA. Seine Rückkehr verdankt Chavez anderen Teilen der Armee sowie den Massen der ArbeiterInnen und Armen. Der Versuch der USA, wie in den 70er Jahren mittels Militärputschen ihre Interessen durchzusetzen ist diesmal gescheitert - vorläufig.
Hugo Chavez kam 1998 durch Wahlen an die Macht, nachdem er es 1992 mittels Putsch versucht hatte. Er ist ein linker Populist und führte eine Reihe sozialer Reformen ein. Eine Landreform, rund eine Million zusätzlicher Schulplätze, Verdreifachung der TeilnehmerInnen von AnalphabetInnenkursen und jüngst die Erhöhung des Mindestlohnes um 20 %. Unter Chavez verkaufte Venezuela, der viertgrößte Erdölproduzent, billiges Öl nach Kuba. Schon länger ist die Politik von Chavez der herrschenden Klasse in Venezuela und den USA ein Dorn im Auge. Am 5. Februar erklärte der CIA seine “tiefe Besorgnis über die Situation in Venezuela”. Am 7. Februar forderte eine Reihe von führenden Militärs seinen Rücktritt. Die Presse schoss sich auf Chavez ein, erklärte seine “Unfähigkeit” und schrieb über eine angebliche breite Stimmung gegen ihn. Als Chavez seine Pläne bezüglich der Ölgesellschaft PVDSA erklärte, war das Mass voll. Am 11. April organisierte ein dubioses Bündnis eine große Anti-Chavez-Demonstration. Heute gibt es starke Indizien dafür, dass selbst die Unruhen auf dieser Demonstration, auf der es Verletzte und Tote gab, von Seiten der Opposition geplant waren. Chavez wurde abgesetzt und durch Carmona, dem Vorsitzenden der Unternehmerorganisation ersetzt. Er konnte sich nicht lange halten, Massenproteste von Chavez-Anhängern und seine immer noch starke Basis in Teilen des Militärs waren die Grundlage seiner Rückkehr. Vorläufig gerettet, denn Chavez ist eben kein Sozialist. Er hat den Neoliberalismus, aber nicht den Kapitalismus in Frage gestellt. Auch wenn es immer wieder Vergleiche mit Chile gibt, wo der sozialistische Präsident Allende 1973 mit US-Unterstützung vom Militär gestürzt und ermordet wurde - Chavez ist nie so weit gegangen wie Allende, der unter dem Druck der Massen große Teile der Industrie verstaatlichte. Sowohl Chile wie Venezuela zeigen, wie beschränkt die Möglichkeiten für Reformen sind das diese, selbst wenn sie nur an der Substanz des Kapitalismus kratzen, radikal bekämpft werden. Das reaktionäre Bündnis war diesmal nicht erfolgreich. Ihre Absichten waren zu offensichtlich umgehend wurde eine Reiher repressiver Erlässe von Carmona erlassen und Häuser von GegnerInnen der neuen Herrschenden durchsucht. Auch innere Widersprüche zwischen den verschiedenen Flügeln der Putschisten führten zum Scheitern. Chavez kehrte wieder an die Macht zurück aber die Unterstützung ist nicht mehr so groß, wie sie Anfangs war. Trotz seiner Reformen ist der durchschnittliche Lebensstandard der VenezuelanerInnen heute nicht höher als bei seinem Amtsantritt, immer noch leben 80 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Das war die Basis, auf der die rechte Opposition in Teilen der Mittelklasse und von FacharbeiterInnen Unterstützung erhielt. Die Beteiligung des wichtigsten Gewerkschaftsverbandes CTV für den Umsturzversuch hat allerdings andere Ursachen. Die Führung der CTV ist korrupt und eng mit den alten Machthabern verbunden. Ihre Kritik an Chavez war, dass seine Reformen den Interessen der Wirtschaft entgegenlaufen und daher Arbeitsplätze gefährden würden. Mehr gestört hat sie wohl, daß die von Chavez 1999 eingeführte Verfassung beinhaltete, dass alle FunktionärInnen gewählt werden müssen und dass ihr Einkommen nicht höher als das der durchschnittlichen Mitglieder sein darf. Nach seiner Rückkehr gab sich Chavez versöhnlich. Es werde keine Verfolgung der Putschisten gebe, er werde künftig moderater sein und er bot einen nationalen Dialog an. Aber seine Unterstützung in der Bevölkerung beruht auf den sozialen Reformen. Die UnterstützerInnen haben ihn nicht wieder an die Macht gebracht, damit er zurückweicht, sondern damit er weiter geht. Die Niederlage der Putschisten hat den Weg zu einer wirklichen und weitergehenden Veränderung in Venezuela freigemacht dem Sturz des Kapitalismus. Dies kann aber nicht von oben, durch einen “progressiven” Präsidenten geschehen, sondern braucht die aktive Beteiligung der ArbeiterInnenklasse und der Armen.