Di 01.11.2022
Bolsonaro wurde bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen geschlagen. Das ist ein Sieg für die Arbeiter*innen und alle armen und unterdrückten Menschen. Bis zum Ende war der Sieg von Lula, dem Kandidaten der Partei der Arbeit (PT) und der Koalition "Brasilien der Hoffnung", denkbar knapp und hart umkämpft. Der Unterschied betrug letztlich weniger als 2 % aller gültigen Stimmen. Bolsonaro hat verloren, trotz aller Manöver und Verbrechen, die er in einem der schmutzigsten Wahlkämpfe in der Geschichte Brasiliens begangen hat. Er nutzte den Staatsapparat auf viele Arten für seine eigenen Zwecke. Die Anweisung an die Bundespolizei, am Wahltag in Regionen, in denen Lula im Vorteil war die Bewegungsfreiheit von Wähler*innen einzuschränken, ist nur ein Beispiel dafür. Politische Gewalt und Einschüchterung waren Waffen, die der Bolsonarismus in diesem Wahlkampf systematisch einsetzte. Ganz zu schweigen von der Lawine an Fake News, Verleumdungen und Manipulationen, die von der extremen Rechten verbreitet wurden.
Die Arbeiter*innen und die armen, leidenden und unterdrückten Menschen in diesem Land haben das Recht zu feiern. Bolsonaro war für Millionen von Brasilianer*innen eine Tragödie. Sein Umgang mit der Pandemie und der Wirtschaft war kriminell und führte zu Tod, Hunger und Verzweiflung. Seine Politik im Amazonasgebiet und gegenüber den indigenen Völkern und Quilombolas (ländlichen Gemeinschaften ehemaliger Sklav*innen) war ebenfalls kriminell. Seine Regierung verkörperte einen permanenten und systematischen Angriff auf Frauen, schwarze Menschen und die LGBT+-Bevölkerung. Die demokratischen Freiheiten wurden während seiner Regierungszeit immer wieder angegriffen und bedroht.
Auch wenn wir die Kampffähigkeit der Arbeiter*innen und der Menschen in Brasilien kennen, wissen wir, dass seine Wiederwahl den Kampf für soziale Gleichheit, das Ende von Rassismus, Sexismus und allen Arten von Diskriminierung, die Verteidigung der Umwelt, die Arbeiter*innendemokratie und den Sozialismus erschwert hätte. Aus all diesen Gründen sollte seine Niederlage mit Inbrunst begrüßt werden. Aber wir müssen bedenken, dass Bolsonaros Wahlniederlage nicht das Ende unserer Probleme bedeutet. Der Bolsonarismus als reaktionäres politisches und soziales Phänomen und als Bedrohung wird in der brasilianischen Gesellschaft weiterbestehen. Er hat gezeigt, dass er soziale Wurzeln und eine politische und wahlpolitische Stärke hat, die nicht von einer Stunde auf die andere bröckelt. Außerdem wird der Bolsonarismus mit Siegen in Bundesstaaten wie São Paulo, Rio und Minas Gerais eine wichtige Basis im Nationalkongress haben.
Nach den Wahlen wird Brasilien noch tiefer in der Wirtschaftskrise versinken, und eine regelrechte soziale Bombe droht zu explodieren. Die extreme Rechte wird versuchen, von dieser Situation zu profitieren. Diese reaktionären Kräfte können, wie die Erfahrungen anderer Länder und die Geschichte Brasiliens selbst zeigen, Situationen ausnutzen, in denen als "fortschrittlich" geltende Kräfte, sobald sie an der Macht sind, die Forderungen der Bevölkerung nicht erfüllen und die Mehrheit der Bevölkerung frustrieren.
Um dies zu vermeiden, ist es von grundlegender Bedeutung, dass wir aus den Erfahrungen, Fehlern und Erfolgen im Kampf gegen den Bolsonarismus lernen und Schlussfolgerungen für die zukünftigen Aufgaben ziehen. Lula hat die Wahlen nicht gewonnen, weil er sich mit der so genannten "demokratischen" Rechten verbündet und eine extrem breite Front gebildet hat, unter Verzicht auf ein Programm für grundlegende Veränderungen. Der erste Wahlgang machte deutlich, dass das Bündnis mit Rechten, wie zum Beispiel Lulas neuem Vizepräsiedenten Alckmin, nicht mehr Stimmen brachte, nicht einmal im Bundesstaat São Paulo, wo Alckmin Gouverneur war. Außerdem ist schon jetzt klar, dass diese Rechten in einer künftigen Regierung Lula ein Hindernis für eine Politik des sozialen und politischen Wandels sind.
Lulas Wahlsieg spiegelt die Ablehnung der Mehrheit der Brasilianer*innen gegenüber dem Bolsonarismus wider. Um diesem Gefühl gerecht zu werden, sollte Lula ein Programm zur radikalen Umgestaltung der brasilianischen Gesellschaft bis zur letzten Konsequenz durchziehen. Nur so kann er die soziale Basis der Arbeiter*innen, die von Bolsonaro getäuscht wurde, für sich gewinnen und eine zukünftige Rückkehr des Bolsonarismus mit größerer Kraft verhindern.
Lula hat die Wahl gewonnen, obwohl er eine Strategie der Mobilisierung und des Kampfes der Arbeiter*innen abgelehnt hat und sich lieber auf die Institutionen des aktuellen politischen Systems gestützt hat. Wir haben am Wahltag gesehen, wie die Zaghaftigkeit und Zurückhaltung des TSE (Oberstes Wahlgericht) bei der Verfolgung von Bolsonaros Wahlverbrechen alles gefährdet hat. Wir können uns nur auf die organisierte Kraft der Arbeiter*inen und die Mobilisierung der Menschen verlassen.
Von nun an ist es die Hauptaufgabe der Arbeiter*innen und der Bevölkerung, der sozialen Bewegungen und der Linken, jedes Putschmanöver Bolsonaros bis zum Tag von Lulas Amtseinführung zu verhindern. Das beste Mittel dazu ist die Mobilisierung der Arbeiter*innen, um die sofortige Bestrafung Bolsonaros für die Verbrechen zu fordern, die er bereits begangen hat. Bolsonaro kann nicht ungestraft bleiben, dies wird nur zu weiteren Angriffen in der Zukunft führen. Darüber hinaus müssen sich die Gewerkschaften, die sozialen Bewegungen und die Linke unbedingt darauf vorbereiten, Errungenschaften und Rechte zu erkämpfen. Sie werden von der künftigen Regierung nicht verschenkt werden. Sie müssen im Kampf gewonnen werden. Lulas Regierung muss am 1. Januar unter dem Druck der organisierten und mobilisierten Massenbewegungen antreten. Ein solcher Kampf wird den Kampf gegen Bolsonaros rechtsextreme Opposition stärken. Er kann sowohl Bolsonaro an die Wand drücken als auch den Einfluss der neoliberalen Rechten in Lulas Regierung bekämpfen. Aus all diesen Gründen ist der Kampf jetzt noch notwendiger! Wir müssen den Bolsonarismus auf der Straße besiegen, neue Erfolge und Rechte erringen und für eine sozialistische Alternative in Brasilien kämpfen.