Di 01.12.2009
Nach dem „Ja“ in Irland und der Unterschrift des tschechischen Präsidenten Václav Klaus tritt der Vertrag von Lissabon am 1. Dezember 2009 in Kraft. Der Weg dorthin war lang und steinig – allerdings nicht wegen Klaus und Co., sondern wegen dem Widerstand aus der ArbeiterInnenklasse: Der „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ (EU-Verfassung) scheiterte 2005 am „Nein“ in der Volksabstimmung in Frankreich und der Volksbefragung in den Niederlanden. 2007 wurde die EU-Verfassung kaum verändert unter neuem Namen präsentiert: Als Vertrag von Lissabon. Beim zweiten Versuch sollte die Masse der Bevölkerung nicht dazwischenfunken: In Frankreich wurde die Verfassung geändert, sodass keine Volksabstimmung mehr nötig war. Auch in den Niederlanden wurde keine Volksbefragung durchgeführt. Nur in Irland wurde das Volk zu den Urnen gerufen, weil das durch die irische Verfassung zwingend vorgeschrieben ist. Im Juni 2008 stimmten die Iren gegen die Aufrufe aller großen Parteien mit „Nein“. Am 2. Oktober 09 wurde erneut über den Vertrag (mit geringen Änderungen) abgestimmt. Unter massiver Pro-Kampagne, unterstützt durch die Wirtschaftsvereinigung und dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise und der EU als Rettungsanker ergab sich schließlich ein „Ja“.
Knackpunkte des Vertrags
Trotz der sehr undemokratischen Entstehungsgeschichte des Vertrags von Lissabon wird von Befürwortern die Demokratisierung der EU als Verdienst des Vertrages genannt. Das EU-Parlament erhält tatsächlich mehr Mitspracherechte, hat aber weiterhin kein Recht auf eigene Gesetzesvorschläge, die nur von der demokratisch nicht legitimierten EU-Kommission kommen.
Der Vertrag verpflichtet die Mitgliedsstaaten, „ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (Art. 42) – ein klarer Schritt zur Militarisierung der EU. Gleichzeitig wird mit dem Vertrag wird eine eigenständige Außenpolitik der Mitgliedsstaaten unmöglich: „Die Mitgliedstaaten unterstützen die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos [...]“ (Art. 24) und die Europäische Verteidigungsagentur wird ins Leben gerufen (Protokoll zu Art. 42). Die Außenpolitik wird damit vom Europäischen Rat (Versammlung der Regierungschefs) bestimmt. Das bietet nationalen Regierungen beispielsweise die Möglichkeit, unpopuläre Auslandseinsätze über den Umweg der EU durchzuführen. Dabei geht es nicht um “Frieden” und “Demokratie, sondern darum, sich den europäischen Zugriff auf Rohstoffe und Absatzmärkte zu sichern.
Der Vertrag von Lissabon soll weitere Privatisierungen vorbereiten: Er fordert ein „System […] das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt“ (Prot. 27) und „die Vereinheitlichung der Liberalisierungs-maßnahmen“ (Art. 207). Wenn man berücksichtigt, dass die EU-Kommission (wird von den nationalen Regierungen ernannt) für die gesamte EU mit Handelsorganisationen wie der WTO verhandeln soll, kann man erwarten, dass sich der Druck zur Privatisierung von öffentlichen Sektoren weiter verstärken wird und “lästige” nationale Schutzbestimmungen für Umwelt und ArbeitnehmerInnen entfernt werden.
In sozialen Fragen bleibt der Vertrag von Lissabon, wie schon die EU-Verfassung, sehr allgemein. Es wird zwar „die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen“ (Art. 151) in Aussicht gestellt, die tatsächliche Ausrichtung der EU aber sollte man an ihren Taten messen.
Die EU ist ein neoliberales Instrument der nationalen Regierungen
Während für die Stützung von Banken und Industrie sehr rasch EU-Gipfel einberufen wurden, wird für die aktuelle Bildungskrise nichts dergleichen passieren. Trotz aller Statistik-Tricks ist die Arbeitslosigkeit in der EU inzwischen auf den höchsten Wert seit 2000 angestiegen (9,7% nach eurostat). Es wird dennoch keinen Sozialgipfel geben, bei dem europaweite Verbesserungen für Arbeitslose diskutiert werden. Obwohl soziale Probleme und die Bildungsmisere europaweit explodieren, bemühen sich die nationalen Regierungen, die die EU über den europäischen Rat kontrollieren, weder um nationale noch um eurpopaweite Lösungen. Sie versuchen lediglich, die Wirtschaft des eigenen Landes so gut wie möglich zu schützen. Und das bedeutet im konkreten Fall zwar einerseits mehr Protektionismus für die “eigene” Wirtschaft, aber auch Zusammenarbeit in der EU gegen die anderen Wirtschaftsblöcke und gegen die “eigene” Bevölkerung.
Die nationalen Regierungen stehen auf der Seite der Wirtschaft, und damit steht auch die EU auf der Seite der Unternehmen. Da die Politik der EU durch die Bevölkerung nicht bei Wahlen direkt abgestraft werden kann, lassen die nationalen Regierungen sie in vielen Fällen Vorreiter beim Sozialabbau spielen. Die Richter des europäischen Gerichtshof (EuGH) werden von den nationalen Regierungen ernannt, damit ist der EuGH ein politisches Gremium. In den bekannten Fällen Laval, Viking, Ruffert, Luxembourg entschied der EuGH gegen grenzüberschreitende ArbeitnehmerInnen- und Gewerkschaftsrechte. Das ist ein Hinweis darauf, was er und die EU sind: Ein neoliberales Instrument der nationalen Regierungen.