Gute Ratschläge von Marie Antoinette, Fiona Swarovski und Arbeiterkammer

Skandalöse Aussagen von einem Vertreter der Arbeiterkammer.

Im „Karriere“-Teil des Raiffeisen-Zentralorgans „Kurier“ vom 27.10.2012 gibt es gute Ratschläge von Bernhard Rupp, Leiter der Abteilung Gesundheitswesen der Arbeiterkammer Niederösterreich.

Zur völligen Überraschung aller ArbeitnehmerInnen, die unter krankmachendem Arbeitsdruck, Reallohnverlust, Stress, burn-out und (drohender) Arbeitslosigkeit leiden, stellt er fest, dass „Gefahr der absoluten Erpressbarkeit bei Abhängigkeit von einem Job“ gegeben ist. Ach nein!

Lesenswert ist der aus dieser Feststellung resultierende „Rat“ für ArbeitnehmerInnen, der sich nahtlos in die Tradition der Ratschläge von Marie Antoinette (das Volk solle doch Kuchen essen, wenn es kein Brot hat) und Fiona Swarovski (von Armut betroffene mögen sich doch im Blumenkistl am Balkon Gemüse anbauen) reiht. Derartiger Zynismus ist zwar mittlerweile schon bekannt von Industriellen, Wirtschaftskammer und abgehobenen PolitikerInnen, von einer angeblichen „ArbeitnehmerInnenvertretung“ stellt das aber eine neue Qualität der Ungeheuerlichkeit dar.

ArbeitnehmerInnen wird von Rupp geraten, „unternehmerischer zu denken“, "wie es die Dienstgeber ja verlangen“ und sich also „nebenbei ein kleines Standbein“ aufzubauen. Nein, nein, er meine nicht „zwingend, dass man sich parallel in zusätzlichen Jobs zu Tode arbeitet“ (da sind wir aber froh, das ist halt wirkliche Interessenvertretung für ArbeitnehmerInnen!). Das sei vielmehr „eine Frage der individuellen Gestaltung“. Wir sind also anscheinend zu blöd, unser Leben zu gestalten, wenn uns Arbeit krank macht. Deshalb wird Rupp im Interview auf Nachfrage etwas konkreter: Das „kleine Standbein“ solle mit „eigenem Garten, künstlerischer Betätigung oder Nachbarschaftshilfe“ aufgebaut werden. Wie gut, dass uns das gesagt wird, wir wären ja nie auf die Idee gekommen! Mit ständigem Reallohnverlust können wir uns ja locker einen eigenen Garten leisten, nur waren wir bis jetzt zu blöd für diese Idee. Und dass Nachbarschaftshilfe durch ständige Kürzungen im Sozialbereich immer notwendiger wird, ist also vorteilhaft für uns! Bei ständig steigendem Arbeitsdruck bleibt ja auch noch genügend Zeit für künstlerische Betätigung, nachdem mensch nach unbezahlten Überstunden unentgeltlich Kinder und NachbarInnen versorgt hat. Diese Tätigkeiten, so Rupp, seien „eine Verbreiterung des Portfolios“ wodurch die „psychologische und teilweise auch die ökonomische Erpressbarkeit“ vermindert würde. Wie unentgeltliche Arbeit ökonomisch Erleichterung bringen soll, lässt Rupp im Dunkeln. Auf Nachfrage, erklärt Rupp: „Man kann das lernen, sich auch geistig trainieren.“, um sich gegen die Krise zu wappnen. Es sei die Frage, „wie man mit existenziellen Krisen umgeht“. Rupp rät zu „Optimismus“ und zu „Netzwerken in der Familie und in der Gemeinde“, das sei „ressourcenstärkend“. Alles klar: Mehr Arbeit um noch weniger Geld ist also eine psychologische Frage, das kann mensch schon aushalten mit positiver Einstellung. Schließlich stärken wir ja damit die Ressourcen (der UnternehmerInnen, für die wir arbeiten). Im Gesundheitswesen könnte, wenn es nach Rupp geht, offenbar noch mehr gekürzt werden, weil ArbeitnehmerInnen nur krank werden, weil sie ihr Leben nicht gut zu gestalten wissen?! Mit dem richtigen Optimismus können uns Reallohnverlust, Arbeitslosigkeit, Armut, und noch mehr Arbeitsdruck nichts anhaben, wenn es nach Rupps Aussagen geht. Wenn Angehörige, meist Frauen, zu unentgeltlicher Arbeit gezwungen sind wegen ständiger Kürzungen öffentlicher Leistungen, wegen mieser Bezahlung und mangelnden Jobs aus dem Beruf in eine reaktionäre Hausfrauenrolle gedrängt werden, dann haben wir doch gefälligst eine positive Einstellung dazu und nennen das Ganze „Netzwerken in der Familie“!

Dieser ungeheuerliche, schockierende, weil ausgerechnet aus den Reihen der Arbeiterkammer kommende Zynismus hat damit aber noch nicht die Spitze erreicht. Rupp setzt noch eins drauf: „Zum Glück haben wir ein Sozialsystem, in dem niemand buchstäblich verhungern muss.“ Dieser Satz von Rupp lässt die Leserin sprachlos zurück, die derartiges nur von völlig abgehobenen Superreichen oder rechten bis rechtsextremen „Sozialschmarotzer“-Verleumdungen kennt.